Insekten: Die neuen Plagegeister

Infolge von Globalisierung und Klimawandel breiten sich in Österreich Insekten aus, die bisher nur in wärmeren Gebieten heimisch waren. Mit ihnen steigt unter anderem die Gefahr der Ausbreitung von Tropenkrankheiten in Europa und der Veränderung des heimischen Ökosystems.

von Tigermücke © Bild: iStockphoto.com/Wirestock

In manchen Monaten gibt es scheinbar kein Entkommen: Sobald man ins Freie geht - ganz unabhängig von der Tageszeit und selbst bei prallem Sonnenschein -, ist man innerhalb kürzester Zeit von einer Vielzahl an Gelsen umgeben. Eine Beobachtung, die Experten bestätigen und für die sie eine einfache Erklärung haben: "Es sind Überschwemmungsgelsen", so Hans-Peter Führer vom Institut für Parasitologie der Vetmeduni Wien. Dazu kommt, dass "die vergangenen zwei Jahre sehr schwache Gelsenjahre waren". Daher fallen die Tiere heuer besonders auf.

Überschwemmungsgelsen legen ihre Eier in ausgetrocknete Stellen im Bachbett. Dort können sie jahrelang bleiben. Kommt es dann, so wie 2023 im Mai, zu vermehrten Niederschlägen, entwickeln sich diese Gelsen massenhaft. Sie sind nur eine bestimmte Zeit lang aktiv. Allerdings: Danach kommen die Hausgelsen.

Weltweit sind rund 3.500 Stechmückenarten bekannt. 52 davon kommen in Österreich vor. Darunter die Überschwemmungsgelse, die tagsüber aktiv ist, sowie die Hausgelse, die uns nachts den Schlaf raubt.

Beide Arten sind zwar lästig, aber relativ harmlos in Bezug auf Krankheiten, mit denen sie Menschen anstecken können. Einzig das West-Nil-Virus, übertragen durch Hausgelsen, kommt vor allem in Ostösterreich vor. Für gesunde Menschen ist es weitgehend harmlos. Die Symptome ähneln bei ihnen einer Sommergrippe. Da aber geschwächte Personen stärker daran erkranken und sogar eine Meningitis entwickeln können, werden mittlerweile Blutkonserven auf das Virus untersucht.

Dengue, Zika und Chikungunya

Gefährlicher ist hingegen die Asiatische Tigermücke. Sie kam mit einer Ladung Autoreifen, in denen sich Wasser gesammelt hatte, per Containerschiff nach Europa und breitet sich seither vor allem im Süden aus. Durch den Klimawandel, die damit verbundenen trockeneren und heißeren Sommer sowie öfteren Überschwemmungen dringt sie allerdings immer weiter in den Norden vor. "In Österreich wird sie seit zehn Jahren sporadisch nachgewiesen", weiß Führer. "Sie fährt gerne im Auto mit, und so ist sie oft in der Nähe von Raststätten zu finden." In Wien wurde sie 2020 erstmals bestätigt.

Fakten: Asiatische Tigermücke

Asiatische Tigermücke
© Wikimedia Asiatische Tigermücke

Charakteristisch für die Asiatische Tigermücke sind die weißen Steifen auf ihren Beinen. Auf ihrem Mundwerkzeug hat sie zudem weiße Flecken. Eine genaue Bestimmung können nur Spezialisten vornehmen, da auch andere Stechmückenarten ähnlich aussehen. Im Unterschied zur Hausgelse ist die Tigermücke untertags aktiv.

Größe: Mit zwei bis zehn Millimetern ist sie relativ klein.
Krankheiten: Tigermücken können eine Vielzahl von Tropenkrankheiten übertragen, darunter Dengue und Chikungunya.

»Durch die Verbreitung der Tigermücke wird es künftig mehr Ausbrüche mit exotischen Viren in Europa geben«

"Die Tigermücke kann Dengue, Zika und Chikungunya, sowie andere exotische Viren übertragen", sagt Judith Aberle vom Zentrum für Virologie der MedUni Wien. Die Wahrscheinlichkeit, dass sich diese Tropenkrankheiten in Österreich rasant ausbreiten, sei derzeit gering: "Damit es innerhalb Österreichs zu einer Übertragung solcher Viren kommt, müsste die Infektion von einem Reiserückkehrer, der aus einem Endemiegebiet mit einer akuten Tropenkrankheit nach Österreich einreist ist und das Virus noch im Blut hat, über Mückenstiche auf andere übertragen werden."

Mittelfristig rechnet Aberle damit, dass es "durch die zunehmende Verbreitung der Tigermücke mehr Ausbrüche mit exotischen Viren in Europa geben wird". So wurden etwa in Frankreich letztes Jahr insgesamt neun kleinere Dengue-Ausbrüche mit mehr Fällen als in den zehn vorangegangenen Jahren zusammen registriert.

»Gegen Gelsen helfen lange Kleidung und das Verhindern von Bruthabitaten im Garten«

Der beste Schutz vor Gelsen ist laut Führer lange Kleidung. Auch Mückensprays sind hilfreich. "Außerdem ist es sinnvoll, Bruthabitate im Garten zu verhindern", so der Parasitologe. Denn viele Menschen würden in den eigenen Gärten die Gelsen in Regentonnen oder in Pflanzenuntersetzern selber züchten. Daher sei es wichtig, die Tonnen abzudecken und Gefäße, in denen sich Wasser sammelt, regelmäßig zu entleeren.

Logo der App Mosquito Alert
© Mosquito Alert

Über die "Mosquito Alert"-App können Bilder und Standorte von Mücken gemeldet werden. Experten und Expertinnen bestimmen dann die Art und verwenden die Informationen zum Monitoring.

Riesenzecken und Sandmücken

Neben der Asiatischen Tigermücke breiten sich weitere unliebsame Insekten aus - darunter die Riesenzecke. "Riesenzecken sind vor allem in Mittelmeerländern sowie in Nordafrika und in Teilen Asiens beheimatet", erklärt Judith Aberle. Die Larven und Nymphen werden mit Zugvögeln nach Nordeuropa eingeschleppt. Durch den Klimawandel steigt die Wahrscheinlichkeit, dass sich diese Zecken weiter ausbreiten. Mittlerweile sind sie auch in Österreich anzutreffen. Anders als der heimische Holzbock haben die Riesenzecken Augen. Damit suchen sie ihre Wirte aktiv und verfolgen diese sogar.

"Neben Bakterien können Riesenzecken das Krim-Kongo-Fieber-Virus und andere exotische Viren übertragen", weiß Virologin Aberle. In Österreich seien sie bisher aber nicht mit Krim-Kongo-Fieber-Viren infiziert gewesen.

Fakten: Riesenzecke

Riesenzecke (Hyalomma marginatum)
© Robert Koch-Institut Hyalomma marginatum

Die langen, braun-weiß gestreiften Beine sind Kennzeichen der Hyalomma marginatum.

Größe: Mit fünf bis acht Millimetern ist sie doppelt so groß wie die heimische Zecke. Vollgesogen erreicht sie bis zu 2,5 Zentimeter.
Krankheiten: Sie kann Bakterien sowie dass Krim-Kongo-Virus, das hohes Fieber, Hautausschläge und Blutungen auslöst, übertragen.

Fakten: Hirschlausfliege

Hirschlausfliege
© Shutterstock.com/Anton Kozyrev Hirschlausfliege

Auf den ersten Blick sieht sie wie eine fliegende Zecke aus. Sie befällt hauptsächlich verschiedene Hirscharten, doch gerade in der jüngeren Vergangenheit wurden auch vermehrt Bisse von Menschen gemeldet. Das liegt daran, dass sie sich in milden Wintern stärker vermehrt und immer mehr Menschen im Wald unterwegs sind.

Größe: bis zu sechs Millimeter.
Krankheiten: Parasitologe Führer hat eine Studie durchgeführt und Erreger, die die Hirschlausfliege übertragen kann, gefunden. Allerdings ist ihm kein Fall von einer Ansteckung in Österreich bekannt.

Auf dem Vormarsch in Europa sind auch asiatische Hornissen. Zwar sind sie für den Menschen nicht gefährlicher als heimische Hornissen. Doch Experten gehen davon aus, dass sie das heimische Ökosystem verändern könnten.

Fakten: Asiatische Hornisse

Asiatische Hornisse
© Shutterstock.com/AyhanTuranMenekay Asiatische Hornisse

Die wahrscheinlich mit Containerschiffen nach Europa eingeschleppte Art war ursprünglich im Süden Chinas und auf Taiwan heimisch. Seither breitet sich die asiatische Hornisse schnell und unaufhaltsam in Europa aus. Für Menschen ist sie nicht gefährlicher als heimische Hornissen. Es werden allerdings Auswirkungen auf das Ökosystem befürchtet, da sie die heimischen Hornissen verdrängen und Bienenvölker stark schwächen kann.

Größe: Die Königin kann bis zu drei Zentimeter groß werden, Arbeiterinnen maximal 2,4 Zentimeter.

In Österreich noch nicht weit verbreitet sind aktuell einige der Sandmückenarten, die vor allem in den Tropen und Subtropen heimisch sind. Das werde sich aber bald ändern, ist Führer überzeugt. Die Sandmücken sind zwar nur wenige Millimeter groß, können aber Leishmanien, die u. a. die inneren Organe befallen, übertragen.

Dieser Beitrag ist ursprünglich in der News-Printausgabe Nr. 28-29/2023 erschienen.