Die Tricks der Taxi-Mafia

Der Steuerfahndung ist eine große Taxifirma aus Wien ins Netz gegangen. Je länger die Ermittlungen dauern, umso heikler wird es für die ganze Branche

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Wirtschaft - Die Tricks der Taxi-Mafia

Am Anfang stand eine anonyme Anzeige. Am Ende könnte es für eine ganze Branche massive Auswirkungen geben. 2014 ging bei der Finanz ein Schreiben ein, das mit auffälligem Insiderwissen gespickt war. Minutiös wurde darin beschrieben, wie jeden Montag und Dienstag im Büro eines großen Wiener Taxiunternehmens mit den Fahrern abgerechnet wurde. Die Daten seien dann zu einer Softwarefirma in Deutschland transferiert und dort manipuliert worden. Auf diese Weise sei offi ziell ein geringerer Umsatz ausgewiesen und der Finanz gemeldet worden.

Die Behörden gingen dem Hinweis nach und führten einige Monate lang verdeckte Ermittlungen durch. Als sich die Verdachtslage erhärtet hatte, folgte Ende April 2015 der große Knall: In Wien und Umgebung durchsuchte die Steuerfahndung zahlreiche Büros, Privatwohnungen und eine Taxiwerkstatt. Neun Razzien und sogenannte "freiwillige Nachschauen" gab es an diesem Tag allein in Österreich. Außerdem wurde die Firma des deutschen Softwareentwicklers von der Steuerfahndung Düsseldorf gefilzt, wobei auch österreichische Beamte anwesend waren.

Nunmehr ist bei der Staatsanwaltschaft Wiener Neustadt ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts der gewerbsmäßigen Abgabenhinterziehung gegen zwei Firmen und sieben Personen anhängig, darunter der Chef der Taxifirma und der deutsche Programmierer. Und nach und nach wird den Behörden wohl klar, welche weitreichenden Konsequenzen diese Causa haben könnte.

Liste der Abrechnung

Die Ermittler haben nämlich umfangreiche EDV-Daten sichergestellt, Daten, die auch News vorliegen. Darin sind unter anderem die wöchentlichen Abrechnungen von mehr als 650 Taxilenkern enthalten, die im Zeitraum April 2013 bis April 2015 für die im Verdacht stehende Firma unterwegs waren. Aufgelistet sind knapp 30.000 einzelne Abrechnungsvorgänge. Und das Ergebnis sollte alle Alarmglocken schrillen lassen. Aus der Liste ergibt sich nämlich ein tatsächlicher Gesamtumsatz der Taxler von etwa 21,3 Millionen Euro. Davon mussten die Fahrer augenscheinlich rund 7,5 Millionen Euro an das Taxiunternehmen abliefern. Angaben aus dem Ermittlungsverfahren zufolge blieben die übrigen 13,8 Millionen Euro bei den Chauffeuren. Deren offi zieller Lohn lag allerdings nur bei insgesamt 5,7 Millionen Euro. Demnach hätten sie 8,1 Millionen Euro eingestreift, ohne dass Finanz oder Krankenkasse wahrscheinlich auch nur einen Cent davon bekamen. Und noch auf andere Weise dürfte das Sozialsystem abgezockt worden sein: Ermittlungsergebnissen zufolge war jeder dritte Lenker des Unternehmens nur geringfügig angemeldet. Die Vermutung liegt nahe, dass einige der Fahrer Sozialleistungen kassiert haben, die ihnen bei der tatsächlichen Höhe ihrer Einkünfte möglicherweise nicht zugestanden wären.

Stimmt die Darstellung in der Liste, verblieb also das Geld nicht beim Unternehmer. Das war der Ursprungsverdacht der Ermittler, die von einer Ausschüttung an die Eigentümer ausgegangen waren. Die Angaben in der umfangreichen Abrechnungsliste wirken jedoch plausibel. Nicht zuletzt sollen die Einträge mit wöchentlichen Abrechnungszetteln übereinstimmen, die die Fahrer unterschrieben haben. Außerdem deckt sich der Verdacht, dass in Wahrheit die Fahrer die Nutznießer der Steuerhinterziehung sind, mit öffentlichen Aussagen von Vertretern der Taxibranche. Der zuständige Bundesobmann in der Wirtschaftskammer, Erwin Leitner, erklärte vor einem Jahr im "Profil":"Derzeit sind die Unternehmer die Sklaven der Fahrer. Jeder sucht händeringend Chauffeure, und die gehen zu einer anderen Firma, wenn der Unternehmer ihm nicht hilft, 40 bis 50 Prozent der Umsätze zu verstecken."

Mit anderen Worten: Um fleißige Fahrer im Unternehmen halten zu können, hinterziehen Taxifirmen zugunsten der Lenker Steuern. Wer sauber arbeiten will, riskiert, mit leeren Taxis dazustehen. Das sieht Erwin Leitner ein Jahr später differenzierter. "Der Großteil der Unternehmen ist ehrlich", sagt er auf News-Anfrage.

"Man darf nicht verallgemeinern", sagt Gökhan Keskin, Fachgruppenobmann der Taxibranche in der Wiener Wirtschaftskammer. "Wenn man sagt, es sind Einzelfälle, stimmt es aber auch nicht." Keskin glaubt allerdings, dass durch das Registrierkassensystem, das für Taxis im April 2017 den Endausbau erreichen soll, Missbrauchsmöglichkeiten stark eingeschränkt sein werden: "Und das ist auch gut so."

In der Branche sind freilich nicht alle so optimistisch. Die prinzipielle Pflicht, elektronisch eine Rechnung auszustellen, gibt es nämlich bereits. Und trotzdem orten Experten Missbrauchsmöglichkeiten. News hat mit einem Insider gesprochen, der seit mehr als 30 Jahren im Taxibereich unterwegs und mit allen Tricks vertraut ist. Ihm zufolge gibt es zwei grundlegend verschiedene Kassensysteme in den Taxis. Beim einen ist der Rechnungsdrucker direkt am Taxameter angeschlossen. Eine Manipulation sei damit nicht mehr möglich. Es gebe keine Fahrten ohne Rechnung: "Wenn ich beim Taxameter von 'besetzt' auf 'frei' drücke, kommt automatisch die Rechnung heraus."

Eine Frage des Systems

Dann gebe es allerdings Systeme, bei denen der Taxilenker den Rechnungsbetrag am Ende der Fahrt vom Taxameter abliest und für die Abrechnung selbst eintippt. Hier könne man die offi ziell ausgewiesene Umsatzhöhe weiterhin gut steuern, meint der Insider. 90 Prozent der Fahrgäste würden nämlich keine Rechnung verlangen. Dann bliebe es dem Fahrer überlassen, was er eintippt. Tatsächlich nutzen ausgerechnet einige große Wiener Taxibetreiber dieses Kassensystem. Das ist nach derzeitiger Rechtslage erlaubt. Der Insider klagt aber über einen unfairen Wettbewerb: "Das Finanzamt soll sagen, welches Kassensystem es haben will", fordert der Taxi-Experte. Das müsse dann einfach jeder verpflichtend im Auto haben.

Gökhan Keskin wartet diesbezüglich auf den Vollausbau des Registrierkassensystems mit April 2017. Dann müsse jedes Unternehmen alle verwendeten Systeme online anmelden, sagt der Wiener Taxi-Obmann. Er glaubt, dass sich die Finanz dann entscheiden werde, welche Kassensysteme sie weiterhin akzeptiert.

Sollte die Finanz tatsächlich sämtliche Lücken für Steuermissbrauch erfolgreich schließen, stellt sich die Frage, ob alle Lenker bereit sein werden, ohne ihr schwarzes Zubrot weiterzufahren. Seit einem halben Jahr gebe es in Wien um zehn Prozent weniger Taxis, sagt Keskin. Dies sei aber nicht nur auf die Registrierkassen zurückzuführen. Die Branche plagt die Konkurrenz durch diverse Mietwagenangebote.

Und manche fragen sich bereits, wie die eigentlich versteuern.

Kommentare

Roland Mösl

Ein auf Gewinnermittlung aufgebautes Steuersystem führt zu einer unehrlichen Gesellschaft. Nur Ressourcen besteuern, langfristig keine Gewinnermittlung mehr.

Es gibt ein Menschenrecht auf Ehrlichkeit, welches durch dieses Steuersystem verletzt wird.

http://weltweiterwohlstand.org/grundlagen/menschenrecht-ehrlichkeit.htm

Elcordes melden

Findet man in Wien überhaupt noch einen österreichischen Unternehmer und Taxifahrer. Schaut man sich diese Typen mal am Flughafen Schwechat an überkommt es einen. Wieder mal typisch was unser Staat aus einer Berufsbranche gemacht hat.

TomTurbo melden

Ja ein paar gibts noch und wir fühlen uns wie die Gallier in diesem Dorf. Dabei ist meistens der Airport der erste Anknüpfungspunkt, wenn man in diese "Weltstadt" möchte. Wenn schon das erste Erlebnis schlecht ist, zieht sich das durch, wie ein roter Faden und versteht nicht, wieso andere von Wien so schwärmen?!

Gibt es in unserem Staat überhaupt noch ein Unternehmen das sich nicht mit Steuerhinterziehung beschäftigt ?

okman

schön finde ich die Zeile
hier darf man nicht verallgemeinern

aber in der Gastro schon !! da gibts nur Verbrecher!
(ich bin auch für die Kassapflicht - aber nicht so wie es die Regierungs jetzt will!!
meine Kassa ist noch gar nicht alt - trotzdem kostet die Umstellung 2.500 Euro plus die Jahresgebühr erhöht sich um 240,--)

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