Triumph und Schmerz

Martina Serafin verletzte sich in der Repertoire-"Tosca" an der Wiener Staatsoper

von "Tosca" an der Wiener Staatsoper © Bild: Beigestellt

Man kann nur dankbar sein, dass es in der letzten Szene passierte, sonst wäre der Wiener Staatsoper eine denkwürdige Repertoire-Aufführung verloren gegangen. Martina Serafin ist eine der führenden Tosca-Interpretinnen unserer Zeit. Mit Ausdruck und Passion brachte sie die Partie mit ihrem schön gefärbten Sopran, zeigt die eifersüchtig Liebende, ebenso wie die in ihrem Stolz verletzte Diva, die sich gegen Polizeichef Scarpia (Michael Volle) zur Wehr setzt.

"Tosca" an der Wiener Staatsoper
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Im dritten Akt flieht Tosca auf der Flucht vor Scarpias Schergen in den Tod. Die Figur springt von der Engelsburg, nachdem ihr Geliebter dort erschossen wurde. In der Wiener Staatsoper ist das Szenario dem Original nachgebaut. Die Sängerin muss ungefähr aus einem Meter Höhe auf eine Matratze springen. Das hat Serafin bereits in zehn Aufführungen in der seit 1958 bewährten Regie Margarethe Wallmanns praktiziert. Serafins elfte Vorstellung im Wiener Haus am Ring endete fatal mit Bänderriss und gebrochenem Knie. Diesmal aber sang sie noch intensiver, spielte noch passionierter als je zuvor, vielleicht auch, möglich, weil sie einen der ganz großen an ihrer Seite hatte, Roberto Alagna. Der jüngst zum Kammersänger Ernannte ist der Idealtypus für den Maler Cavaradossi. Er bringt alles mit, was ein Tenor für diese Partie braucht. Stimmstärke, sein "Vittoria" beeindruckt, wie es sein soll, wunderbares Timbre, bei den Arien "E lucevan le stelle" und sein "I dolci mani" bewegen. Und Alagna ist auch ein Tenor zum Hinschauen, verfügt er über enorme Ansehnlichkeit und schauspielerische Qualitäten. Wie er sich im dritten Akt dem Erschießungskommando stellt, den "getroffenen" Körper wendet, zuckt und zu Boden sinkt, hat Hollywoodreife.

"Tosca" an der Wiener Staatsoper
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Michael Volle zeigt einen hinterhältig-intriganten Scarpia, wirkt dabei aber etwas zu nobel. Und das setzt der Ausstrahlung Grenzen.
Verdrängungsarbeit ist beim Dirigat gefordert. Dan Ettinger führt das Orchester der Wiener Staatsoper lässig durch die Partitur, das Scarpia-Motiv wirkt behäbig, Puccinis Klangfarben wirken verwaschen grau. Nur bei den Soli, wie jenem von Daniel Ottensamer an der Klarinette, kommt echter Wiener philharmonischen Klang zur Geltung. Dass man bei Repertoire-Aufführungen das Pult nicht adäquat zu den Sängern besetzt, sei aber kein Novum erzählen Opernbesucher. Das sei schon vor Jahrzehnten so gewesen. Aber nicht jede Tradition muss man aufrechterhalten.

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