Todeskeime im Spital

Infiziert: 55.000 Österreicher erkranken jährlich an multiresistenten Keimen.

von Infiziert im Spital: 55.000 Österreicher erkranken jährlich an multiresistenten Keimen. © Bild: Corbis

Eigentlich war es nur ein Routineeingriff. Der Hausarzt von Theresa R. empfahl seiner Patientin eine Herzkatheter-Untersuchung im Krankenhaus, um sicherzugehen, dass mit ihrem Herz alles in Ordnung ist. Drei Tage Spitalsaufenthalt sind im Normalfall bei diesem Eingriff notwendig. Doch die Wienerin hatte Pech. Sie infizierte sich mit ESBL, einem Keim, der mit herkömmlichen Antibiotika nicht mehr behandelbar ist.

Todeskeime im Spital: Ich kämpfte 6 Wochen um mein Leben.
© Michael Appelt/NEWS Theresa R. (Name von der Red. geändert) steckte sich bei einer Routine- Untersuchung mit ESBL an, einem Keim, der mit herkömmlichen Antibiotika nicht mehr behandelbar ist.

Die Folge: ein sechswöchiger Überlebenskampf im Spital. Denn durch den Erreger, den sich Frau R. dort geholt hatte, heilte ihre Operationswunde nicht. Ein neuerlicher Eingriff war notwendig. Ohne Erfolg. Der Zustand der Patientin verschlechterte sich zusehends, der Kreislauf drohte zu versagen. Schließlich konnte ihr Leben nur mehr durch eine Not-Operation gerettet werden.

Der Fall von Frau R. ist kein Einzelschicksal. Agnes Wechsler- Fördös, Hygienebeauftragte an der Wiener Krankenanstalt Rudolfstiftung, kennt Hochrechnungen anhand deutscher Daten, wonach jährlich 55.0000 Menschen in Österreichs Spitälern an einem sogenannten multiresistenten Keim erkranken. Bis zu 4.800 sterben daran. Damit liegt Österreich – verglichen mit Frankreich, Spanien oder vielen asiatischen Ländern – zwar noch im unteren Mittelfeld. Doch: „Die Infektionen nehmen weltweit zu“, warnt Pamela Rendi- Wagner, Generaldirektorin für öffentliche Gesundheit.

Nur zehn „Reserveantibiotika“.

Ein Großteil dieser gefürchteten Krankenhaus-Infektionen ist auf ESBL und MRSA (siehe Bilder und Beschreibungen rechts) zurückzuführen. Diese heimtückischen Erreger lassen sich mit herkömmlichen Arzneien nicht mehr behandeln. „Es gibt nur eine Hand voll wirksamer Antibiotika“, erklärt Rendi-Wagner, „wenn diese nicht mehr helfen, dann haben wir keine Behandlungsalternativen mehr.“ Derzeit gebe es noch zirka zehn „Reserveantibiotika“, die in absoluten Notfällen eingesetzt werden, sagt Elisabeth Presterl, Leiterin des Klinischen Instituts für Krankenhaushygiene an der Medizinischen Universität Wien.

Doch es tauchen bereits noch bedrohlichere Keime wie etwa NDM-1 auf, die selbst mit diesen Reservemedikamenten nicht mehr besiegt werden können. „Wir beobachten die Situation genau“, sagt Presterl.

30 Prozent Keim-Träger.

Ein gesunder Mensch erkrankt im Normalfall nicht an einem dieser Todeskeime. Doch was 30 Prozent der Österreicher nicht wissen, ist: Sie haben sich bereits mit MRSA angesteckt. Das Heimtückische daran ist, dass sie vorerst noch keine Symptome haben. Gefährlich wird es für sie aber, sobald eine weitere Krankheit oder Operation ihr Immunsystem schwächt. Denn dann bricht der Keim voll aus. Lungenentzündung, Knochenentzündungen, die manchmal sogar eine Amputation notwendig machen, Harnwegsinfekte oder eine tödliche Blutvergiftung können die dramatische Folge sein.

Ein Ort, wo diese Infektionen gehäuft vorkommen und ausbrechen, ist das Krankenhaus. Ein Ort, an dem viele geschwächte Patienten auf engem Raum versuchen, gesund zu werden. Ideale Bedingungen für die Erreger, auf andere, bisher noch nicht infizierte Personen loszugehen.

Ein zusätzlicher Risikofaktor für die Ausbreitung der Keime ist die mangelnde Hygiene in manchen Kliniken. Ein Problem, das auch das Ministerium ernst nimmt. So ernst, dass die Daten über Krankenhaus-Infektionen unter Verschluss gehalten werden. Auch von Problemfällen unter den Spitälern will man im Ministerium nichts wissen. Aber: Sollte nicht jeder Patient das Recht haben im Vorhinein zu erfahren, unter welchen hygienischen Bedingungen er operiert wird?

Indirekt zugegeben wird im Ministerium nur, dass die Sauberkeit in Krankenhäusern mancherorts verbesserungswürdig ist. „Wir erarbeiten derzeit einen nationalen Aktionsplan gegen Antibiotika- Resistenzen“, so Rendi-Wagner. Ein Punkt werde die Spitalshygiene sein. Ein Punkt, der für Frau R. jedenfalls zu spät kommt. Denn sie berichtet von gravierenden Missständen während ihres Aufenthalts: „Es gab nicht genügend Nachthemden zum Wechseln. Und das Bett wurde oft nicht einmal überzogen, wenn das Leintuch voller Blutflecken wegen der nicht heilenden Wunde war.“

Warnung vor Einsparungen.

Dass es Missstände bei der Sauberkeit gibt, bestätigt eine Studie der Sozialökonomischen Forschungsstelle aus dem Jahr 2010. Zehn Prozent der Beschäftigten im Gesundheitsbereich sind durch Infektionen „schwer belastet“, so der Bericht. Das Ergebnis weise außerdem „auf Hygienemängel in der Organisation der täglichen Abläufe“ hin.

Ein heikler Befund, denn schon geringes Fehlverhalten im Krankenhausbetrieb kann verheerende Folgen haben. Die Keime können ganz leicht durch Berührung, Tröpfchen beim Sprechen oder Niesen oder gemeinsame Benutzung von Gegenständen übertragen werden. „Die wichtigste Maßnahme ist daher die Handdesinfektion“, so Agnes Wechsler- Fördös – zumindest vor und nach jedem Patientenkontakt. Das bedeutet aber, dass die Spender mit dem Desinfektionsmittel für die Mitarbeiter gut erreichbar sein müssen: „Wenn der irgendwo weit weg ist, wird man in der täglichen Hektik nicht die Zeit zur konsequenten Handhygiene haben.“ Überhaupt bergen Stress und hoher Arbeitsdruck eine tückische Gefahr. „Eine US-Studie hat ergeben, dass die Infektionen immer dann mehr geworden sind, wenn es einen Personalmangel gab“, warnt die Expertin vor Einsparungen an der falschen Stelle.

Eine berechtigte Warnung? Auch in Österreich versucht man die explodierenden Kosten des Gesundheitssystems in den Griff zu bekommen. Überarbeitetes Personal an der Grenze der Belastbarkeit und ein enormer Spardruck auf die Spitäler sind die Folge. Manche Krankenhäuser lagern daher Aufgaben, wie die hochsensible Reinigung, an kostengünstigere, private Firmen aus.

Keine gute Ausgangssituation, um Österreichs Krankenhäuser keimfrei zu bekommen. Gerade auch deshalb, weil laufend neue, noch gefährlichere Erreger auftauchen, die mit keinem der bekannten Mittel bekämpft werden können. Und gegen die auch kein wirksames Medikament in Sicht ist, da die Er forschung eines neuen Antibiotikums mindestens zehn Jahre dauert.

Der Grund für diese bedrohliche Entwicklung ist hausgemacht: „Manche Ärzte verschreiben viel zu oft unkritisch ein Antibiotikum“, sagt Rendi-Wagner. Die Folge: Die Keime gewöhnen sich an die Antibiotika und werden so immun. Vergangenes Jahr wurden laut Hauptverband der Sozialversicherungsträger in Österreich mehr als 5,5 Millionen Mal Antibiotika verschrieben. Aber auch die Massentierhaltung trägt Mitschuld an der Zunahme der unbesiegbaren Keime. 53,5 Tonnen Antibiotika wurden 2011 in der Veterinärmedizin in Österreich angewandt, weiß Ulrich Herzog, Experte im Gesundheitsministerium. Nicht ohne negative Auswirkungen auf die Gesundheit der Menschen, die dieses Fleisch verzehren.

Spitals-Ranking gefordert.

Fakt ist: Die Gefahr steigt. Umso wichtiger wäre es, dass endlich Klarheit für alle Patienten geschaffen wird. Experten fordern daher eine Liste der gefährlichsten und sichersten Krankenhäuser. Auch Theresa R. hätte sich so möglicherweise in einem anderen Krankenhaus behandeln lassen – und sich einen sechswöchigen Spitalsaufenthalt und zwei Operationen erspart. Doch die Patientin gewann schließlich den Kampf gegen die gefährlichen Krankenhaus- Keime. Ihr Herz, das ergab die Untersuchung, ist übrigens gesund.

Kommentare

Bernhard Rath

Desinfektionsmittel helfen nicht - auch waschen mit 90C und Chlor bringt nichts.
Die einzige Alternative ist Ozon - eine Desinfektion mit Ozon vernichtet alle resistenten Keime - und eine Ozonresistenz ist unmöglich.
Diese Tatsache ist bekannt - warum es nicht angewendet ist unverständlich.

möchte mit der liste beginnen!! habe meinen vater vor drei monaten verloren wegen eines spitalkeimes. das war in horn!!!!

Leider wird immer wieder nur auf Resistenzen der Bakterien gegen Antibiotika hingewiesen, nicht aber auf Resistenzen dieser gegen Desinfektionsmittel und das diese dann auch eine Antibiotikaresistenz bewirken können! Siehe folgenden Artikel aus einer Studie einer irischen Universität. http://www.weiter-lesen.net/187/desinfektion-loest-antibiotikaresistenzen-aus

muß alle 3 monate meinen portercat(in der brust inplantieretes kissen für venenersatz )spülen lassen !ich fand es jedes mal übertrieben wie hygenisch da gearbeitet wird !wenn man heute schon beim schnitzel mit antipiotikum verseuchtes fleisch verwendert ,dann darf man sich da nicht wundern ?und nicht die schuld allein auf krankenanstalten schieben !

Nash Ville

Ich muß noch einmal einsteigen...! Beim Spitals-Ranking frage ich mich w e r sind diese Experten??? Was haben die zu fordern, was sie ohnedies wissen sollten? Eliminiert diese Warmduscher und ersetzt sie durch Menschen, die von der Materie eine Ahnung haben. "Politschlecksis" sind schön anzuschauen....aber mehr auch nicht!

Nash Ville

Kann es sein, daß zentimeterdicker Staub auf den OP-Leuchten liegt? Oder ist der Elektriker schuld, der diese versifften Leuchten warten muss? Er sollte warten bis der Arzt mit der OP fertig ist....und dann erst den Dreck von den OP-Leuchten entfernen. So gesehen im AKH! Und wie siehts in den anderen OP-Sälen aus? Wenns bei einer OP herunterbröselt in den offenen Bauchraum?
Aber wer ist schuld??

In den betreffenden Spitälern ist es mit Sicherheit bald bekannt, dass z.B. die OPs verkeimt sind. Warum werden diese KHs bzw. Abteilungen dann nicht geschlossen, sondern immer mehr Patienten angesteckt? Das ist zumindest fahrlässige Körperverletzung!

@Eva: tut mir leid!

Mirtza muß immer putzen!

Eva Barbamama

Danke für diesen Artikel, meine Mutter hat auch ein neues Knie nicht überlebt. Hoffentlich kommt diese Liste bald und hoffentlich wird sie auch veröffentlicht!

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