Tobias Moretti und
das Blut der Berge

"Das Finstere Tal“: Moretti wird im Tiroler Alpenwestern vom Rächer gejagt.

von Das finstere Tal © Bild: Allegro Film / Thomas W. Kiennast

Dreharbeiten von nicht alltäglicher Intensität hatten den annähernd ortsansässigen Schauspieler in die 2.000 Meter hohe Eis-und Schneewüste mit verkrüppeltem Waldbestand verschlagen. Unweit des Dorfes Kurzras, abseits der Schipisten unter idealen Wohnbedingungen für Yak und Yeti, trotzt da der denkmalgeschützte Marchegghof, ein Baujuwel aus alpinen Heldentagen. Zu Jahresbeginn 2013 ließ sich dort für 44 Tage eine fremde Population nieder: Der österreichische Regisseur Andreas Prochaska, 49, und ein exzellentes Team arbeiteten sich am Roman "Das finstere Tal“ des Bayern Thomas Willmann ab (Kino-Start am 14. Februar). Mit Erfolg: Der Regisseur und sein Hauptdarsteller Tobias Moretti lukrierten in diesen Tagen den Bayerischen Filmpreis.

Das Ingeniöse an Willmanns Plot ist seine Form: "Das finstere Tal“ ist ein Alpen-Western, der mit überseeischem Instrumentarium eine hiesige Geschichte aus dem 19. Jahrhundert erzählt. Dynastisch üben da der mit gottähnlicher Machtfülle regierende Großbauer Brenner (Hans-Michael Rehberg) und sein von Moretti verkörperter Ältester Gewalt über das Dorfvolk aus. In das absolutistische System, das auch den Beischlaf mit jungvermählten Frauen einschließt, bricht an einem Wintertag ein berittener Fremder, ein von Sam Riley verkörperter Amerikaner. Wenig später sterben zwei der sechs Brenner-Brüder bei der Holzarbeit: Der Rächer ist da, und für die Verbliebenen naht der Showdown.

Das finstere Tal
© Allegro Film / Thomas W. Kiennast Tobias Moretti in "Das Finstere Tal".

Für Moretti um ein Pferdehaar im Wortsinn: Die Kälte und ein zerplatzender Lichtballon hatten das von ihm gerittene Tier verstört. "Es ist mit mir durchgegangen, auf eine Schlucht zu, eine lebensgefährliche, absurde Situation“, schilt er wider die "Angsttiere“, die nicht weniger anstrengend als Angstmenschen wären. Überhaupt wären ihm die Viecher auf dem Set suspekt, seit Jahrzehnten schon. "Beim Dreh zu, Andreas Hofer’ hat seinerzeit ein nervöser Statist meinem Pferd mit aufgepflanztem Bajonett in den Arsch geschossen, und es ist durchgegangen. Selbst die heikelsten Momente beim Rennen mit dem Motorradl hat man selbst zu verantworten. Aber die Rösser sind und bleiben ein Unsicherheitsfaktor von außen.“

Moretti selbst lebt mit Familie auf vergleichsweise kommoden 1.200 Metern. Er bewirtschaftet einen profitablen Bergbauernhof zehn Autominuten von Innsbruck entfernt. Die Älteren, Tochter und Sohn, besuchen regionale Höhere Schulen, "die Kleine geht hoffentlich bald in den Kindergarten, damit sie uns das Leben nicht so zur Hölle macht. Die ist ein richtiger Wurf geworden, fordernd wie eine schwere Probe“, sagt er mit größter Zärtlichkeit und erzählt von anstehenden Dreharbeiten: "Das Zeugenhaus“ über die Nürnberger Naziprozesse, "Das ewige Leben“, ein weiterer Krimi nach Wolf Haas. Nicht zu reden von der gleichfalls mit dem Bayern-Filmpreis ausgezeichneten klinisch-psychiatrischen Studie "Hirngespinster“, die bald zum Kinoeinsatz gelangt.

Regisseur Prochaska, der im Frühjahr auch den spektakulären Weltkriegs-Film "Sarajevo“ herausbringt, bleibt ungeachtet des Lobes (samt Berlinale-Einladung) für "Das finstere Tal“ gelassen. "Heimische Filmen haben es schwerer. Das Wichtigste für mich ist, dass wir unser Publikum finden. Wenn der Film nicht gesehen wird, sind für mich die Preise bedeutungslos.“

Der Western lebt.

Just zu Drehbeginn feierten Quentin Tarantino und Christoph Waltz mit der Western-Parodie "Django Unchained“ Premiere in Österreich. "Eine merkwürdige Koinzidenz“, sagt Prochaska. "Hätte ich einen Spaghetti-Western machen wollen, wäre das ein Rückschlag gewesen. Aber als ich merkte, wie viele sich für .Django‘ begeisterten, wusste ich: Mit meinem Vorhaben, einen Western in Heimatfilmambiente zu machen, bin ich nicht aus der Welt, auch wenn viele den Western schon für tot erklärt haben. Aber er wird nie sterben. Die Berge werden ja nur in Heimatfilmen wie, Der Förster vom Silberwald‘ strapaziert, aber im österreichischen Gegenwartskino passiert da selten etwas“, fügt er süffisant hinzu.

Im "Finsteren Tal“ geht es um Leben und Tod, Schüsse fallen, Blut fließt. Wie weit darf die Darstellung von Grausamkeit gehen? Prochaska: "Gewalt darf nicht pornographisch werden. Aber der Film hat ja eine Grausamkeit in sich, vor der man sich nicht drücken darf. Man bewegt sich auf einem schmalen Grat. Die Schießerei am Ende ist hoffentlich spannend, aber sie soll auch vermitteln, was es heißt, wenn Leute aufeinander schießen.“

Trailer zu im "Finsteren Tal“:

Wien muss warten.

"Man hat gespürt, dass da was Besonderes entsteht“, sagt Moretti, und endlose, hypnotische Kamerafahrten über gleißendes Weiß geben ihm Recht. "Es war faszinierend, wie schnell man aus dem Blickwinkel dieser Welt Normalität für sich gewinnt. Bei so einer Geschichte, die sich schon vom Buch her sofort ins visuelle Bild rückt, da möchte man einfach dabei sein.“ - Nach Wien, wo sein "Faust“ am Burgtheater noch der Wiederaufnahme harrt, kommt er erst zu den Wolf-Haas-Dreharbeiten. Der Bühne ist er im Übermaß anderer Verpflichtungen ein wenig entronnen. Am Münchner Residenztheater spielt er noch Schnitzler und Schönherr. Das Deutsche Theater in Berlin und, ja, auch das Burgtheater fragen an, doch das dürfte dauern. Die Budget-Kalamitäten der "Burg“ beobachtet er von außen: "Ich hoffe für Matthias Hartmann, dass das nicht ein Selbstläufer der Presse wird. Er macht seine Arbeit wirklich gut.“ Bei minus 30 Grad staatstheatralischer Innentemperatur tun wärmende Worte gut.

Österreich Start: 14. 02. 2014

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