Tim Shriver:
"Stellt euch der Angst!"

Tim Shriver, Neffe von John F. Kennedy, Bruder von Maria Shriver, der Ex-Frau Arnold Schwarzeneggers, wirbt als Vorsitzender der Special Olympics für die Winterspiele von Menschen mit intellektueller Beeinträchtigung, die vom 14. bis 25. März 2017 in Schladming, Graz und Ramsau stattfinden.

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Special Olympics - Tim Shriver:
"Stellt euch der Angst!"

Wie vermittelt man einer Leistungsgesellschaft, dass Schwächen und Beeinträchtigungen etwas Positives sein können?
Die gute Nachricht ist, dass niemand perfekt ist. Die noch bessere ist, umso mehr wir uns unsere Schwächen realisieren und akzeptieren, umso mehr sind wir miteinander verbunden. Denn das Streben, besser sein zu müssen als der andere, treibt uns auseinander. Mit dem Versuch, perfekt zu sein, baue ich eine Mauer auf. Geld oder Prominenz haben wenige. Schwächen aber hat jeder. Das ist es, was wir miteinander teilen, so kommen wir leicht in Kontakt. Die Unvollkommenheit ist also ein Geschenk, das bewirkt, dass wir uns gegenseitig brauchen.

Sie sehen gut aus, haben Geld, sind prominent. Wo ist also der Fehler?
Fragen Sie meine Frau, meine Kinder oder meine Brüder. Es gibt viele Dinge, die mich im Leben beeinträchtigen. Ich bin manchmal schüchtern, manchmal arrogant. Ich sorge mich um meinen Ruf, manchmal bin ich sehr kontrollierend gegenüber anderen Personen und ich kann schlecht organisieren. Ich kann ein mieser Zuhörer sein, definitiv bin ich ein untalentierter Tänzer. Die Liste ist lang. Deshalb brauche ich Menschen, die mir helfen.

Wo liegt die Grenze zwischen Eigenschaften, die einen Menschen behindern und einem geistig behinderten Menschen?
Diese Grenze gibt es nicht. Das ist ja der Punkt. Es gibt keine geistig behinderten Menschen. Es gibt nur unterschiedliche Begabungen und Millionen von Fähigkeiten, für viele haben wir nicht einmal Namen. Weil ich Down Syndrom habe, werde ich im Intelligenztest nicht besonders viele Punkte holen. Na und? Das tun andere Menschen auch nicht. Und das ist ok, denn sie werden bei anderen Fähigkeiten punkten wie bei Mitgefühl, Offenheit oder Begeisterungsvermögen. Wir leben in einer Welt in der Menschen mit der Bezeichnung geistig behindert ein Etikett verpasst wird, das weltweit in schmerzhafter Weise verwendet wird. Bei den Special Olympics werden Menschen, die oft als schwach, krank oder hoffnungslos bezeichnet werden, zu Athleten, zu Champions, ja zu Vorbildern. Wer diese Welt der unlimitierten Fähigkeiten betritt, wird ein völlig neues Bild über Menschen bekommen, ein schönes und glückliches.

Auf welche Weise laden Sie zu den Special Olympics ein?
Kommt einfach! Wenn du gerne Fußball spielst, komm spielen, für ein paar Minuten. Wenn du gerne Basketball spielst, komm und wirf einen Ball! Ob du 15 Jahre alt bist oder 85: Komm und gehe mit anderen um die Wette, oder komm einfach um anzufeuern oder Hände zu schütteln oder setz dich einfach beim Mittagessen dazu. Die Person, die du am meisten fürchtest, könnte eine Inspiration für dich sein.

Intellektuell beeinträchtigte Menschen erzeugen Angst?
Ja tiefe Angst. Jeder hat Angst vor Krankheit, Angst vor Schmerz, Angst davor, nicht intelligent genug zu sein, Angst davor, ausgelacht zu werden. Menschen, die einen mit seinen eigenen Ängsten konfrontieren sind furchteinflößend. Viele fürchten sich auch davor, in Situationen gebracht zu werden, in denen sie sich nicht wohlfühlen. Weil da so viel Angst ist, und sich damit niemand auseinander setzen will, werden Menschen mit intellektueller Beeinträchtigung für viele Jahre hinter Mauern weggeschlossen, in Institutionen, die wie Gefängnisse aussehen. Und wen steckt man ins Gefängnis? Menschen, vor denen man sich fürchtet.

Was kann man gegen diese Furcht unternehmen?
Die Einstellung Erwachsener zu ändern ist schwer. Lasst Kinder unterschiedlicher Begabungen miteinander spielen, lasst sie Sport betreiben. Wenn du zu mir den Ball zu schießt und ich schieße ihn zurück, sind wir ein Team, da geht es nicht um Funktionsstörungen, Sprachstörungen oder Bewegungsstörungen. Meine Mutter startete die Special-Olympics-Bewegung, als ich noch sehr klein war. Ich bin mit Kindern aufgewachsen, die als intellektuell beeinträchtigt galten, aber für mich waren das nur ein Haufen Spielkameraden.

Wer muss sich ändern?
Bei allen großen sozialen Revolutionen wie etwa der Civil Rights Bewegung gegen den Rassismus geht es darum, dass sich die Gesellschaft ändert, und weniger die Menschen, die diskriminiert werden. In unserem Fall glauben viele, die Athleten müssen sich an unsere Kultur anpassen, aber auch sie haben eine Message: Dass sich die Gesellschaft den verschiedenen Talenten der Menschen öffnen muss. Davon werden alle profitieren, am meisten die Kinder. Für uns gilt dieser Spruch aus der Civil Rights Bewegung: Wir sind nicht dort, wo wir sein wollen. Wir sind nicht dort, wo wir sein sollten. Aber Gott sei Dank, sind wir nicht mehr dort, wo wir einmal waren.

Was würden Sie sich für die Zukunft wünschen?
Keine Barrieren mehr, keine Behinderungen, volle Integration! Niemand soll eine medizinische Diagnose bekommen, die zu seiner Identität wird, niemandem soll mehr das Etikett, geistig behindert verpasst bekommen. Das muss enden. Medizin hat ihre Rolle. Aber wenn ich Diabetes habe, will ich dass sie mir hilft, aber nicht dass sie mich etikettiert und jeder sagt, schaut, hier geht der Diabetiker. Es ist so, als würde man Bücher alleine aufgrund des Umschlags beurteilen. Aber ich ermutige alle, das Buch zu öffnen um darin zu lesen.

Timothy Shriver kam auf Einladung von Coca Cola zum Abend der Inklusion ins Wiener Haus des Sports. Unter www.specialolympics.at finden Sie alle Infos zu den demnächst in Österreich stattfindenden Special Olympics World Winter Games.

Kommentare

Diese Menschen leisten etwas(sportlich und charakterlich), was man von Politikern nicht sagen kann!!!!

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