"Kleine Titten sind wie Flüchtlinge"

Ein inszenierter Shitstorm mit Sophia Thomalla

"Kleine Titten sind wie Flüchtlinge: Sie sind nun mal da, aber eigentlich will man sie nicht", schreibt Sophia Thomalla auf Twitter. Eine Aussage, bei der man beim Durchscrollen hängen bleibt und einem fassungslos die Kinnlade herunterklappt, sollte man meinen. Oder: einen zum Liken veranlasst, so wie es 41.000 Menschen getan haben. Doch was diese nicht wussten: Der Tweet war ein Experiment. Und zwar eines von der Sorte, bei der man sich die Finger verbrennen kann.

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Internet-Experiment - "Kleine Titten sind wie Flüchtlinge"

"Wir haben ein Monster erschaffen", schreibt Micky Beisenherz, der in diesem Szenario den Frankenstein darstellt, in seinem erklärenden Kommentar auf der Internetseite des "Stern". Schätzen Sie am RTL-"Dschungelcamp" die Sprüche der Moderatoren? Sie stammen aus seiner Feder. Genau wie oben bei dem eingangs erwähnten Tweet von Sophia Thomalla. Ganz recht, die ausländerfeindliche Aussage des deutschen It-Girls (Stichwort: "Let's Dance"-Gewinnerin, Rammstein-Ex) war gar nicht ernst gemeint gewesen. Wenn nicht ernst gemeint, was dann, kommt man nicht umhin zu fragen.

Die Erklärung: "Also, da ist diese Talkshow, die ich in wenigen Tagen 'pilotiere' (nicht zur Ausstrahlung gedacht). Super Gäste, gute Themen. Und zur Auflockerung ein Einspieler: Der Post-Raub", erklärt Beisenherz. Bezugnehmend auf ein von Joko und Klaas' erfundenes Spiel in deren TV-Sendung "Circus Halligalli", legt man bei einem "Post-Raub" ("Post" wird hier Englisch ausgesprochen als Abkürzung für Posting) einem Prominenten ein Wort in Form eines Social-Media-Postings in den Mund. Sprich: Jemand, der berühmt ist, postet etwas Provokantes, das nicht seinem eigenen Hirn entspringt, sondern jenem eines Gagschreibers. Shitstorm vorprogrammiert, Auflösung folgt.

"Es muss noch stumpfer sein"

Für Beisenherz war klar: Das perfekte Promi-Opfer wäre "die wind- und wetterfeste" Sophia Thomalla, ihres Zeichens "Shitstorm-Magneteuse". Die beiden trafen sich, schaukelten sich gegenseitig etwas hoch, bis am Ende dabei der "noch stumpfere" und ein "eine Spur härtere" Flüchtlings-Titten-Tweet der Internetmeute zum Fraß vorgeworfen wurde. Der Plan ging auf: Der Shitstorm rollte und erfuhr rasch Ausmaße, die selbst seinen Erschaffer überraschten.

Worum geht's? Egal, ich bin dagegen

Von "Du Hure!!" über "Tu deiner Mutter den Gefallen und erheng dich" (sic) bis "Naja, ich bin ja auch ein Flüchtling - ich könnte dir neue Titten kaufen, du Kakhaufen" (sic) war bei den Reaktionen im Netz alles dabei, schreibt Beisenherz. Und am Ende hatte Sophia Thomalla, die tapfer bis zur Auflösung standhaft blieb und nichts von dem "Experiment" verriet, um satte 10 Prozent mehr Fans auf Twitter. Sprich 41.000 Fans, die das Posting gut fanden.

41.000 Menschen, die der Schauspielerin den "unter uns: Es ist doch so"- Post abgekauft haben. Immerhin hat sie ja auch was gegen Dicke. Mit ihrem (ernst gemeinten) Sager "60 Kilo - völlig in Ordnung. 70 Kilo auch völlig in Ordnung. Aber alles, was dann drüber geht, ab einer bestimmten Körpergröße, sage ich dann auch: aufpassen!" kassierte Thomalla ihren letzten Shitstorm.

Unterdessen schlief der, der das alles zu verantworten hat, vor der Auflösung seines selbst inszenierten Shitstorms schlecht. Wütend sei er auch zwischenzeitlich gewesen, vor allem als sich auch Kollegen und Promis distanzierten. Wie Joko und Klaas, die posteten: "Hat natürlich nix mit uns oder Halligalli zu tun #thomalla" und "Das ist sogar uns zu blöd #thomalla". Auch RTL distanzierte sich von der Jurorin seiner Tanzshow, Kalkofe, Elton und Tausende andere schüttelten öffentlich den Kopf. "Die werden doch wohl nicht ernsthaft denken, ich würde so gegenüber Flüchtlingen empfinden!", dachte sich Beisenherz.

"Haben wir 'der Gesellschaft den Spiegel vorgehalten'?"

Dass sich alle aufregen, sei für Beisenherz wenig überraschend. Wo es "was mitzumeinen gibt, da kann es an Heftigkeit gar nicht derbe genug sein". Er fragt sich im Nachhinein: "Haben wir 'der Gesellschaft den Spiegel vorgehalten'? Haben wir die 'Mechanismen von Social Media' in Gang gesetzt und aufgezeigt? War es ein gelungenes "Experiment'? Satire? Bellen hier gar getretene Hunde? Oder waren wir wie kleine Plagen, die zum Zündeln in den Social-Media-Wald gegangen sind und sich die Pfoten verbrannt haben?"

»Internet ist da, wo man dich mit einem "Du dumme Fotze" zu mehr Anstand und Respekt auffordert.«

War es das wert? "Gemessen an der Ermattung in meinem Gesicht: Nein. Auch eine Erkenntnis. Ich bin müde", beantwortet Beisenherz selbst seine Frage. Noch eine Erkenntnis: "Internet ist da, wo man Dich mit einem 'Du dumme Fotze' zu mehr Anstand und Respekt auffordert."

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Roland Mösl

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