Taurin statt Asyl

Yael Ronen brachte ihr Stück „Gutmenschen“ im Wiener Volkstheater zur Uraufführung.

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Theaterkritik - Taurin statt Asyl © Bild: lupispuma/Wiener Volkstheater

Nach dem Tod ihres Vaters hat die erfolgreiche Mode-Bloggerin Maryam (Birgit Stöger) ihren Cousin Yousif aus dem Irak bei sich auf genommen. Das ist die Vorgeschichte von Yael Ronens Stück „Gutmenschen“ und wurde in „Lost and Found“ erzählt. Damit hatte Ronen eine scharfe Satire über das Leben junger Menschen vorgelegt, die ihr Leben der Hilfe anderer widmen wollten. Damit hatte sie das Zeitgeschehen erfasst, als 2015 erstmals tausende auf der Flucht vor dem Krieg in Syrien nach Europa gekommen waren. Nun, fast drei Jahre später, zeigt Ronen, was aus Maryam und den Helfern geworden ist: eine an sich selbst zweifelnde und am Leben und Gesellschaft verzweifelnden Truppe. Um Empathie für den asylsuchenden Cousin und anderen Menschen in seiner Lage in der Öffentlichkeit zu erreichen, verkauft Maryam ihren Alltag einem Privatsender für eine Reality-Fernsehshow.

„Servus-TV“ soll darüber berichten, wie gut sich Yousif in Österreich eingelebt hat. Man erfährt, dass er in einem Pensionistenheim Thomas Bernhard vorliest und die Kinder der Familie Arabisch lehrt. Die Wohnung ist für die erste Fernseh-Show gerüstet. Im Hintergrund von Wolfgang Menardis Bühne prangt ein roter Plastikstier. Man agiert auf schwarzen Platten, die von Tischtennistischen stammen könnten. Angeordnet sind sie wie Eisschollen, zwischen den das Nichts klafft. Der taurinhaltige Energy-Drink, der„Flügel verleiht“, steht bereit, das vegetarische Bio-Fertiggericht ist geliefert. Die Bewohner, der schwule Schnute (Knut Berger) ist als zotteliger Stier gewandet, sein Freund stellt eine Art Erotik-Hermes dar. Maryams Bruder Elias (Sebastian Klein) trägt mit seiner Klara (Katharina Klar) ein Manifest gegen die „heteronormativen Vorschreibungen“ der Gesellschaft vor und kündigt deren Hochzeit an. Das frohe Beisammensein kippt jäh, als Maryam Yousifs negativen Asylbescheid verkündet. Man berät, wie man das Unabwendbare zum Guten Ende führen kann. Yousif darf auftreten, doch nicht sprechen.

Ronens Stück könnte ein ebenso treffender Kommentar wie eine umfassende Bestandsaufnahme des aktuellen Zeitgeschehens sein. Doch der sich in Plattitüden erschöpfende Text erinnert mehr an eine Konversationskomödie von Yasmina Reza. Jeder Ansatz von Selbstironie widerlegt sich selbst. Birgit Stöger, Katharina Klar, Sebastian Klein, Jutta Schwarz, Knut Berger, Paul Spittler und Yousif Ahmad formieren ein sympathisches, für eine Fernseh-Show glaubwürdiges Ensemble. Mehr Schärfe hätte nicht geschadet.