Im Edelweiß-Rausch

Riesenerfolg für das weltweit bekannte Edel-Musical bei der Salzburg-Premiere

von
The Sound of Music - Im Edelweiß-Rausch

Salzburg hat "sein" Musical ins Herz geschlossen wie einen verlorenen Sohn. Den hat nicht nur diese Stadt, sondern ganz Österreich und der deutschsprachige Raum ein halbes Jahrhundert ignoriert und als Kitsch abgetan. Wohl weniger aus geschmacklichen Gründen, sondern aus Scham. Schließlich war es Salzburg, Österreich und Deutschland, die genau jene so liebenswerten und wahrhaftigen Helden so in Bedrängnis gebracht haben. Aber jetzt sind die Berührungsängste überwunden, die Welt ist wieder in Ordnung und die Familie Trapp ist endlich zu Hause.

Brillant gemachtes Musical
Tatsächlich ist "The Sound of Music" ein sowohl thematisch als auch musikalisch und dramaturgisch brillant gemachtes Musical mit allen Ingredienzien, ohne die ein Welterfolg keiner wird: Aufrichtig-sympathische Menschen, Feinde von außen, Liebe über Standesgrenzen hinweg und entzückende Kinder ohne lästige Probleme auf Basis der wahren Lebensgeschichte von Maria Augusta von Trapp. Das ganze in dichtem Spannungsaufbau ohne Durchhänger nach einem Buch von Howard Lindsay und Russel Crouse. Und vor allem mit einer Reihe wirklich guter Songs von Komponist Richard Rodgers und Textautor Oscar Hammerstein. Das Titellied "The Sound of Music", "My favorite Things", "Do-re-mi", "Climb every Mountain" und natürlich "Edelweiß" verfehlten auch in der auffallend guten deutschen Übersetzung von Heiko Wohlgemuth und Kevin Schroeder ihre Wirkung nicht: Bürger-Pop vom Feinsten, Edel-Kitsch und Hitparade ebenso großer wie stereotyper Gefühle.

Bühnenbild und Nazi-Szenen
Zur doppelten Salzburg-Premiere selbst: Das erfahrene Musical-Regie-Duo Andreas Gergen und Christian Struppeck hat nicht auf die Kitsch-Tube gedrückt. Zusammen mit Ausstatter Court Watson haben die beiden Regisseure die emotional ohnehin bis zum Bersten aufgeladenen Schlüsselszenen eher nüchtern umgesetzt. So wurde das Bühnenbild - nämlich Salzburg beziehungsweise die Jugendstil-Villa der Familie Trapp selbst - einerseits grafisch stilisiert, andererseits naturalistisch und "ganz normal" dargestellt. Auch um die für Salzburg beschämenden, beklemmenden und noch heute heiklen Nazi-Szenen haben sich die Regisseure nicht gedrückt. Sie haben die Heile-Welt-Stimmung sogar gebrochen und Salzburg die infame Arroganz der Nazis - und damit ein Stück eigener Geschichte - ganz nahe unter die Nase gehalten. 66 Jahre nach Kriegsende geht sogar das.

Auf der Bühne selbst tat sich überwiegend gutes Musical-Handwerk. Herausragend agierte Wietske van Tongeren als Maria von Trapp. Anfangs noch ein wenig piepsig und nasal, lockerte sich die Niederländerin zusehends und steigerte sich zu einer sowohl stimmlich, als auch tänzerisch und schauspielerisch mitreißenden Darstellung der Novizin, Gouvernante und Baronin. Uwe Kröger als Baron von Trapp hat aus seiner deutlich kleineren Rolle auch deutlich weniger herausgeholt. Hört man sich Krögers Stimme in diversen Musical-Produktionen vergangener Jahre an und liest die dazugehörenden Kritiken dieser Top-Karriere, dann verfestigt sich der Eindruck, dass Kröger vor allem stimmlich gestern Abend nicht in Topform agiert haben kann.

Francis Pappas als Mutter Oberin, Hubert Wild als Max Dettweiler und Franziska Becker als Else Schrader spielten und sangen gut. Aber sie sangen mit Operetten- und nicht mit Musical-Stimmen. Das ist in "The Sound of Music" begründbar, denn die Rodgers-Komposition ist auch in der Orchestrierung eine Mischung aus Operetten-Orchester und Unterhaltungs-Band mit Gitarre und Schlagzeug-Set. Klanglich mischten sich die gestützten Klassik-Stimmen aber nicht besonders gut mit den Musical-Stimmen der beiden Hauptdarsteller.

Begabte Menschen haben tragende Rollen
Bei den Kindern und Jugendlichen hat das Landestheater wirklich begabte Menschen für diese tragenden Rollen ausgesucht. Sebastian Smulders als Rolf und Hanna Kastner als Liesl gaben ein nicht nur rührendes, sondern musikalisch und darstellerisch bereits professionell agierendes Jugendpaar ab. Die übrigen sechs Trapp-Kinder sind hübsch, diszipliniert auf der Bühne und samt und sonders hoch begabt. Kindercoach Wolfgang Götz, Choreographin Kim Duddy (manchmal zu viel des Guten) und Dirigent Peter Ewaldt mit seinem Mozarteumorchester sollen hier stellvertretend für die Kinder und das gesamte Salzburger Musical-Team genannt werden. Das Landestheater hat nicht nur gute, solide Bühnenarbeit geleistet, sondern auch den Riecher gehabt für das richtige Stück zur richtigen Zeit.