Terror: Wer uns schützt

Österreichs Elitepolizisten erzählen, wie sie für den Ernstfall gewappnet sind

Sie müssen sich mit internationalen Terroranschlägen und Amokläufen taktisch und mental auseinandersetzen, um in Österreich für den Ernstfall gewappnet zu sein: Beamte der heimischen Spezialeinheiten Cobra und Entschärfungsdienst erzählen, wie sie im Ernstfall agieren.

von Cobra © Bild: Sebastian Reich/News

Der Einsatzleiter

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Detlef Polay muss Entscheidungen treffen und dabei auch die Perspektive des Täters einnehmen
Nach einem Anschlag im Ausland ist es für uns wichtig, so viele Informationen wie möglich von den Einheiten vor Ort zu bekommen. Das ist schwierig, aber es klappt, weil wir sehr gut vernetzt sind. Auf Grundlage dieser Informationen werden von uns Konzepte erarbeitet, die anschließend von allen Cobra-Beamten trainiert werden. Natürlich kann man nie wissen, wie der nächste Anschlag ablaufen wird: Wird es ein Einzeltäter sein oder eine Gruppe? Ist die Tat organisiert oder spontan? Welche Waffen werden verwendet? Ist Sprengstoff im Spiel oder etwas anderes, wie ein Lkw? Wir haben für unterschiedliche Fälle sogenannte Pakete vorbereitet. Das bedeutet, es stehen mit Ausrüstung fertig bepackte Fahrzeuge bereit, und jeder Beamte weiß, bei welchem Anlass er in welches Auto springen muss, um sofort zum Einsatz zu fahren. So können wir schnellstmöglich reagieren.

» Je höher der Druck, umso ruhiger und konzentrierter bin ich«

Jedes Team wird von einem Einsatzleiter, wie ich einer bin, angeführt. Seit 20 Jahren bin ich in dieser Funktion bei der Cobra tätig. Der Einsatzleiter trifft nach Rücksprache mit seinen Spezialisten die Entscheidungen, trägt die Verantwortung. Das liegt mir. Je höher der Druck, umso ruhiger und konzentrierter bin ich. Handelt es sich um eine reine Tätersituation, bleibt etwas Zeit, das Vorgehen zu überlegen; sind andere Personen gefährdet, gilt es, rasch zu handeln. Zur Entscheidungsfindung hilft mir unter anderem der Perspektivenwechsel. Dabei versuche ich mich in die Situation des Täters zu versetzen. Um taktisch und psychisch vorbereitet zu sein, wird bei uns so realitätsnah wie möglich trainiert. Wobei es sehr schwer ist, die Realitäten zukünftiger Einsätze vorherzusehen. Umso wichtiger ist es, komplexe Einsätze beziehungsweise schwierige Situationen ausführlich nachzubesprechen und zu analysieren. Innerhalb des Einsatzkommandos Cobra herrscht Kommunikation auf Augenhöhe; auch über Gefühle kann geredet werden. Das Wort Angst wird dabei kaum verwendet, eher das Wort Respekt. Ich selbst war im Laufe meiner Polizeikarriere bei einigen sehr schwierigen Einsätzen dabei. Die größte Herausforderung war die Geschichte mit dem Wilderer in Annaberg 2013, bei der vier Menschen, darunter ein Cobra-Beamter, ums Leben kamen. Wenn so etwas passiert, heißt es für alle Polizisten vor Ort, professionell und überlegt den Einsatz zu Ende zu führen. Emotionen kommen erst hinterher.

Der Präzisionsschütze

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Er ist dafür ausgebildet, Täter aus großer Entfernung zu bekämpfen. Der Beamte, der anonym bleiben will, trifft auf große Entfernung exakt
Wir Präzisionsschützen der Cobra haben drei Langwaffen zur Verfügung: eine für die kürzeren Distanzen, die jeder Cobra-Beamte verwendet, eine für die sehr langen und eine panzerbrechende, um etwa die Cockpitscheibe eines Flugzeugs zu durchschießen. Um über sehr lange Distanzen präzise zu treffen, muss ich mit der Atmung den Puls beruhigen, alle äußeren Faktoren berechnen - wie die Erdrotation, die wärmeabhängige Luftdichte oder den Wind, der alle hundert Meter ein anderer sein kann. Es gibt Situationen, in denen keine Zeit bleibt, in denen man sofort reagieren muss. Da zählen Routine und Gefühl. Es gibt für mich dann nur eine Chance, der Schuss muss zu hundert Prozent passen.

»Ich hätte kein Problem damit, auf einen Täter zu schießen, um Menschenleben zu retten«

Je nach Situation gibt es verschiedene Trefferzonen, unter anderem den Kopf. Bis heute kam das nicht vor, aber ich hätte kein Problem damit, einen Täter zu bekämpfen, um Menschenleben zu retten. Ich war damals vor Ort, als vor drei Jahren ein Wilderer vier Menschen erschoss. Es ist ein unheimliches Gefühl zu wissen: Dir steht ein skrupelloser Mensch gegenüber, schwer bewaffnet und perfekt an der Waffe ausgebildet. Den angeordneten sogenannten "finalen Rettungsschuss“, wie man ihn aus Filmen kennt, gibt es bei uns nicht. Das würde bedeuten, ich bekäme den Befehl, abzudrücken, sobald ich einen solchen Täter sehe. In Österreich darf man nur schießen, wenn ein Menschenleben unmittelbar bedroht wird. Bei einem Terroranschlag wird das kein Thema sein. Dass Terroristen mobil sind, also während des Anschlags den Ort wechseln, ist ein neues Phänomen. Dass sie so lange weiterkämpfen, bis sie getötet werden, ist für mich ein belastender Gedanke.

Der Notfallsanitäter

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Martin Schlagenhaufen versorgt Verletzte, auch wenn die Gefahr noch nicht gebannt ist
Bei einem Anschlag gibt es drei Gefährdungsbereiche: Direkt dort, wo der oder die Täter wirken, befindet sich die heiße Zone. In der warmen Zone besteht zwar keine akute, aber potenzielle Gefährdung, nur in der kalten Zone ist es sicher. Ausschließlich dort dürfen sich die zivilen Kräfte, wie zum Beispiel Rettungsdienste oder die Feuerwehr, aufhalten. Das bedeutet, die Erstversorgung von Verletzten in den Gefahrenzonen obliegt uns, den Sanitätern der Cobra. 30 Beamte haben wie ich eine solche Zusatzausbildung. Alle anderen Kollegen sind in Erste-Hilfe-Maßnahmen geschult. Wir trainieren vor allem die Versorgung von Schuss-, Stich- und Explosionsverletzungen, bei denen man auch mit abgetrennten Gliedmaßen konfrontiert sein kann.

»Wenn ein Anschlag wie etwa jener in Nizza passiert, gehe ich mental durch, wie zu handeln wäre«

Der Anblick von Leichen bleibt ohnehin kaum einem Polizisten erspart, das ist nicht nur bei der Cobra so. Bei einem Terroranschlag ist allerdings mit einem Massenanfall an Verletzten, im schlimmsten Fall mit Toten zu rechnen. Was wir daher trainieren, ist ein Verwundeten-Management, bei dem jeder Verletzte kurz beurteilt wird, bevor mit der Versorgung der schwereren Fälle begonnen wird. Wenn ein Anschlag wie etwa jener in Nizza passiert, gehe ich mental durch, wie zu handeln wäre: Wo würde ich meinen Arbeitsbereich einrichten, wie viele Leute könnten mir helfen? Als bei dem Anschlag im Bataclan in Paris noch geschossen wurde, begannen die Polizisten bereits mit der Notversorgung der Verletzten. Es ist meine Pflicht, auch einen verwundeten Täter zu versorgen, selbst einen, der Kollegen erschossen hat, wie der Wilderer vom Annaberg. Ich war Teil des Zugriffsteams, das ihn fand. Er hatte sich selbst gerichtet und war bereits tot.

Der Bombenentschärfer

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John Eberhardt vernichtet Sprengladungen, bevor sie explodieren und Menschen verletzten können
Die Angst begleitet uns bei jedem Einsatz. Es ist eine gesunde Angst. Sie sorgt dafür, dass wir nie den Respekt verlieren. Hemmen darf sie einen aber nicht. Ich bin seit 1989 beim Bombenentschärfungsdienst, wir sind zuständig für unkonventionelle Sprengvorrichtungen, also alles, was gebastelt ist, und für modernes Kriegsmaterial. Vor einem Einsatz meine Gerätschaften vorbereiten, den Schutzanzug anziehen - das ist alles Routine. Bei der Zufahrt überlege ich mir, wie ich vorgehen möchte. Wenn ich alleine im Anzug losstarte, steigt der Puls, man ist voller Adrenalin und arbeitet hochkonzentriert. In Filmen müssen die Helden oft entscheiden, ob sie das rote oder das blaue Kabel einer Bombe durchzwicken sollen. Mit der Realität hat das wenig zu tun.

»Jede Vorrichtung ist anders, es gibt keine Standardlösung«

Wenn eine Sprengvorrichtung daliegt, versuche ich nicht, sie zu erhalten, sondern sie zu vernichten. Es sei denn, es ist eine Person involviert oder wir sollen spurenerhaltend arbeiten, wie bei der Briefbombenserie in den Neunzigerjahren. Das Problem ist: Jede Vorrichtung ist anders, es gibt keine Standardlösung. Man weiß nie, was einen erwartet. Wir sind einmal zu einem Einsatz gekommen, bei dem ein Chemiestudent Initialsprengstoff hergestellt hat, der explodiert ist. Die Wohnung war verwüstet, Balkon, Fenster und Zwischenwände weggesprengt, er selbst hatte sich Hände und Füße abgetrennt. Ich musste hineingehen, wollte mir einen Überblick verschaffen, da hat es geknallt unter meinen Füßen. Ich wurde am Bein verletzt, dank meines Schutzanzugs aber nicht schwer. Trotz fortschreitender Technik ist unser Job noch gefährlicher geworden. Die Gründe sind internationale Kriminalität und Terrorismus. Terrorismus war früher kein Thema. Jetzt schon. Darauf müssen wir uns einstellen.

Kommentare

Man hat offenbar ein Problem Belgien, Frankreich oder auch Deutschland.
Und alles zeigt klar auf, welches Problem das ist.
Nur darf man es nicht sagen, nicht einmal denken.
Und so lange das so bleibt, bleibt auch das Problem.
Gefahr erkannt, Gefahr gebannt! Das wäre eine Strategie.
Aber man darf es nicht erkennen, weil nicht sein kann, was nicht sein darf.

Henry Knuddi

also wenn man im keller oder im bunker verbleibt, ist man bestens geschützt ... das gabs schon mal 1940-45

Es stellt sich eher die Frage warum man es braucht, oder könnte es man auch vermeiden?

Henry Knuddi

also nicht in panik verfallen und muttig sein und nicht mit dem zu reden - eventuell um HILFE zu schreien - sind die besten vorausetzungen - auch wenn dann einige wegschauen

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