Verräter der Reichen & Schönen

Ex-Mitarbeiter einer Bank lieferte den Behörden Kundendaten – auch von Österreichern

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Swiss Leaks- Schweizer Konten für reiche Österreicher - Verräter der Reichen & Schönen

HSBC ist der zweitgrößte Bankkonzern der Welt. Und in Genf war nicht nur die Ansprechstelle für die Reichen und Schönen, sondern auch jene für die Reichen und – im übertragenen Sinne – Hässlichen. Gut 100.000 HSBC-Kunden haben jedoch nun ein großes Problem. Dieses Problem ist Hervé Falciani, vormals Computerexperte der Bank. Falciani hat geheime Kundendaten kopiert und an Steuerbehörden in Frankreich weitergegeben.

Mittlerweile liegen HSBC-Kundendaten aber nicht nur den Behörden von rund einem Dutzend Staaten vor, sondern auch ausgewählten Medien – darunter NEWS. Das geheime Material wird im Rahmen einer weltweiten Journalisten-Kooperation unter dem Titel „Swiss Leaks“ ausgewertet. NEWS ist dabei Österreich-Partner des „International Consortium of Investigative Journalists (ICIJ) und der französischen Zeitung „Le Monde“.

Was fördert dieses größte Bankdaten-Leck aller Zeiten nun in Bezug auf Österreich zutage? In der Liste finden sich 399 Personen mit Österreich-Bezug, die im Zeitraum 2006/2007 ein Vermögen von mehr als 1,2 Milliarden US-Dollar auf ihren Konten hatten. NEWS hat auch Hinweise darauf gefunden, dass HSBC in der Vergangenheit Österreicher dabei unterstützt haben dürfte, Geld vor den Steuerbehörden zu verstecken (siehe Faksimilie).

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Aber: Nicht jeder Inhaber eines HSBC-Kontos in der Schweiz war oder ist ein Steuerhinterzieher oder benutzt dieses Konto für kriminelle Machenschaften. Sechs der sieben prominenten Österreicher, über die wir in dieser Ausgabe berichten, haben uns gegenüber versichert, alle Steuern ordnungsgemäß bezahlt zu haben. Mode-Unternehmer Gabor Rose, wollte generell nicht Stellung nehmen. Ob jemand tatsächlich Steuern hinterzogen hat, lässt sich anhand der vorliegenden Daten nicht feststellen. Dazu bräuchte man auch die Steuerbescheide der Betroffenen.

Warum berichtet NEWS dann über diese Personen? Bei Milliardär Martin Schlaff und Bankerin Sonja Kohn finden sich in den Daten Berührungspunkte zu zwei Causen, die in den vergangenen Jahren aus der Wirtschafts-und Politikberichterstattung kaum wegzudenken waren: die Causa Bawag im Falle Schlaffs und die Affäre um Bernard Madoff, den Milliardenbetrüger der New Yorker Wall Street, in Bezug auf Kohn. Doch abgesehen davon sind bzw. waren die hier präsentierten Persönlichkeiten durch ihre Kundenbeziehung zur Schweizer HSBC-Privatbank Teil eines Systems, das anfällig für Missbrauch war.

Unter dem Schutz des Bankgeheimnisses wurden Konten eröffnet, die zu einem Gutteil auf Offshore-Firmen bzw. auf Buchstaben-/Zahlenkombinationen lauteten. Dies gewährt ein zusätzliches Maß an Anonymität. Die Frage ist, wofür? Die vorliegenden Daten bringen sechs der sieben österreichischen HSBC-Kunden, über die wir hier berichten, mit solchen Konten in Verbindung. Bei einem, Helmut Swarovski aus dem berühmten Tiroler Kristall-Clan, geht aus den Daten nicht hervor, um welche Art von Konto es sich gehandelt hat. Karin Exner-Wöhrer, Mitglied einer renommierten Salzburger Industriellenfamilie, betont ihrerseits, von der - in den sie betreffenden Daten angeführten - Kontobezeichnung noch nie etwas gehört zu haben.

Abgesehen von den Kontennamen bot HSBC den Kunden aber auch noch andere Services an, die helfen können, keine unerwünschten Spuren zu hinterlassen. Eine zentrale Rolle dabei spielte das Angebot, die Korrespondenz nicht den Kunden zuzuschicken, sondern zur Abholung in der Bank zu behalten. Es kann freilich auch völlig harmlose Gründe für die Inanspruchnahme derartiger Services geben.

Die Vorteile der Vermögenden

HSBC hat in einer umfassenden Stellungnahme betont, dass in den vergangenen Jahren zahlreiche Maßnahmen gesetzt wurden, um zu verhindern, dass Bankdienstleistungen benutzt würden, um Steuern zu vermeiden oder Geld zu waschen. Man habe die Geschäftsbeziehung mit Kunden beendet, bei denen es Bedenken gegeben hätte, und Konten geschlossen, heißt es: "Wir kooperieren auch mit den relevanten Behörden, die diese Angelegenheiten untersuchen, erkennen frühere Kontrollversäumnisse an und übernehmen dafür die Verantwortung." Die Stellungnahme ist vollständig im Internet abrufbar (http://www.hsbcprivatebank.com/~/media/pdf/update-onthe-swiss-private-bank.pdf).

"Swiss Leaks" zeigt jedoch auch, dass dieses System jenen Vorteile bietet, die es sich leisten können. Aus Mitarbeiternotizen lässt sich ableiten, dass es gar nicht gerne gesehen wurde, wenn Kunden weniger als 100.000 US-Dollar auf ihren Konten hatten. Letztlich dienen derartige Strukturen oft der Steuerminimierung - was auch durchaus legal sein kann. NEWS wollte von den hier präsentierten prominenten Persönlichkeiten jedoch auch wissen, ob diese es für moralisch vertretbar halten, dass vermögende Personen ihre Steuerlast auf dem Rücken jener minimieren, die nicht vermögend sind und deshalb keine Wahl haben, als in vollem Ausmaß Steuern zu zahlen. Mit Ausnahme von Sonja Kohn blieben alle eine Antwort schuldig.

Was eine allfällige illegale Steuerminimierung bei einzelnen der 399 HSBC-Kunden mit Österreich-Bezug betrifft, sind nun die Behörden am Zug. Während in anderen Staaten seit Jahren auf Basis dieser Daten ermittelt wird, liegen sie dem Finanzministerium in Wien noch gar nicht vor. Dort bereitet man nun ein Amtshilfe-Ansuchen an die französischen Behörden vor. Dann wird sich zeigen, ob hier bereits Vermögen - etwa im Rahmen des seit 2013 geltenden Steuerabkommens mit der Schweiz -legalisiert wurde. Beeilt man sich, könnten die HSBC-Daten vielleicht sogar einen Beitrag dazu leisten, eine Reform der Einkommensteuer gegenzufinanzieren. Eine solche könnte dafür sorgen, dass auch denen, die nicht vermögend sind, wieder mehr im Börserl bleibt.

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Angeklagt, verhasst, bejubelt

Hervé Falciani übergab die HSBC-Daten den Behörden. In der Schweiz gilt er als Dieb. Dabei lieferte er Tausende reiche Steuerhinterzieher ans Messer.

Fast wäre es da schon vorbei gewesen: Am 22. Dezember 2008 nahm die Schweizer Polizei Hervé Falciani, einen Computerexperten der HSBC-Bank in Genf, fest. Der Vorwurf: Er wolle gestohlene Kundendaten verkaufen. Er wurde einvernommen. Doch dann durfte er über Nacht nach Hause gehen. Und er kehrte nicht wieder.

In einer filmreifen Flucht setzte der damals 36-Jährige seine Frau und seine kleine Tochter ins Auto und fuhr nach Frankreich. Dort meldete er sich bei den französischen Steuerfahndern. Er übergab ihnen die Daten, die sie -als Diebesgut - jedoch nicht auswerten durften. Doch da langte ein Amtshilfeersuchen der Schweiz ein. Die französische Polizei konnte ganz offiziell Falcianis Elternhaus in Nizza durchsuchen und seinen Computer mit allen Daten beschlagnahmen. Anders als es sich die Schweizer vorgestellt hatten, gaben die Franzosen die Daten nicht einfach zurück. Sie kopierten sie, werteten sie aus, erwischten durch sie Hunderte Steuersünder - und gaben sie an andere Staaten weiter.

"Ich werde verurteilt werden." Als 2010 - auf dem ersten Höhepunkt der Eurokrise - die damalige französische Außenministerin Christine Lagarde eine Liste mit mehr als 2.000 mutmaßlichen griechischen Steuerflüchtlingen nach Athen schickte, sollten Falcianis Daten erstmals für einen Skandal sorgen. Die Griechen ermittelten nicht. Und als die Liste 2012 dann wieder auftauchte, fehlten darauf die Konten von Verwandten des früheren Finanzministers.

In der Zwischenzeit hat Frankreich die Bankdaten an rund ein Dutzend andere Staaten weitergegeben. Eine Milliarde Euro soll schon an Rückzahlungen und Strafen geflossen sein. Falciani selbst wird das wenig nützen. In der Schweiz ist er Staatsfeind Nummer eins. Im Dezember wurde er von der Bundesanwaltschaft angeklagt. Der Prozess wird wohl in Abwesenheit stattfinden. In einem Interview mit "Le Monde" und dem "International Consortium of Investigative Journalists" (ICIJ) sagte Falciani: "Ich werde verurteilt werden, aber dann lasse ich das hinter mir. Ich werde um einen neuen Namen ansuchen, verschwinden und ein normales Familienleben führen."

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