Streit um zweisprachige Ortstafeln: Haider will Verfassungsgerichtshof weiter ignorieren

"Staatsvertrag ist in Bedeutungslosigkeit versunken"<br>BZÖ-Chef will Tafeln immer wieder umstellen lassen Es wird ernst: Korinek schaltet Fischer & Schüssel ein<br>UMFRAGE: Können Sie die BZÖ-Bedenken verstehen?

Der VfGH habe mit seiner Entscheidung, auf Grund des Einspruchs gegen einen Strafbescheid wegen Schnellfahrens ein Feststellungsverfahren durchzuführen, einen Trick angewendet, sagte Haider am Mittwoch, man antworte nun ebenfalls mit einem Trick. "Dieses Spiel kann unendlich fortgesetzt werden", kündigte der Landeshauptmann an. Man habe dies übrigens im Falle der Ortstafel von St. Kanzian, um die es im VfGH-Erkenntnis von 2001 gegangen war, ebenfalls so gemacht: "Da ist die Ortstafel versetzt worden und niemand hat sich darüber aufgeregt."

So sind weitere Verhandlungen zwecklos
Eine Lösung könne es nur auf politischer Ebene geben, betonte Haider. Dafür müsse ein dynamisches Modell entwickelt werden, das auch die Entfernung von zweisprachigen Ortstafeln vorsehe, etwa wenn eine Ortschaft gar nicht mehr existiere. Wenn Bundeskanzler Wolfgang Schüssel (V) darauf beharre, dass keine einzige Tafel entfernt werden dürfe, seien weitere Verhandlungen zwecklos.

"Staatsvertrag löst sich in Staub der Geschichte auf"
Haider plädierte bei einem Pressegespräch in Klagenfurt dafür, die Minderheitenfrage unabhängig vom Staatsvertrag zu lösen und dabei die Entwicklung der vergangenen Jahrzehnte in Europa mit einzubeziehen. "Es gibt viele, die meinen, dass der Staatsvertrag sich im Staub der Geschichte aufgelöst hat", sagte der Landeshauptmann. Auch er sei der Ansicht, dass der Staatsvertrag eigentlich nicht mehr aktuell sei, da ja auch ein Teil der Signatarmächte nicht mehr existiere.

Vieles von dem, was in dem Vertragswerk enthalten sei, wäre ohnehin längst obsolet, so Haider. "Dass wir keine U-Boote haben dürfen, ist ja nun wirklich nicht mehr aktuell." Auch die Grenzfragen und das Anschlussverbot hätten sich durch den EU-Beitritt Österreichs erledigt. Eigentlich sei nur noch die Minderheitenfrage übrig, und die müsse in einer Verfassungsbestimmung gelöst werden.

Zu der vom Rat der Kärntner Slowenen angekündigten Klage beim Europäischen Gerichtshof in Luxemburg meinte Haider lediglich, dem sehe er mit Gelassenheit entgegen: "Das Land hat alle seine Verpflichtungen aus der Verfassung, den Gesetzen und Verordnungen erfüllt."

Korinek schaltet Fischer und Schüssel ein
Der Präsident des Verfassungsgerichtshofes, Karl Korinek, wendet sich angesichts der heftigen Attacken von BZÖ-Staatssekretär Sigisbert Dolinschek gegen das Höchstgericht an Bundespräsident Heinz Fischer und den Bundeskanzler. Korinek werde "den Herrn Bundespräsidenten und Bundeskanzler Wolfgang Schüssel - in Hinblick auf die ihnen gegenüber bestehende politische Verantwortlichkeit eines Staatssekretärs - umgehend um ein Gespräch bitten", kündigte VfGH-Sprecher Christian Neuwirth am Mittwoch gegenüber der APA an.

Dolinschek hatte zuvor erklärt, die Ortstafel-Erkenntnisse des VfGH seien "zwar eindeutig, nur leider an praktischer Absurdität nicht zu überbieten". Außerdem begrüßte Dolinschek die Weigerung des Kärntner Landeshauptmannes Jörg Haider, weitere Ortstafeln aufzustellen. Es könne nicht sein, dass ein Vergehen gegen die Straßenverkehrsordnung (zu schnelles Fahren im Ortsgebiet, Anm.) nicht geahndet werde, nur weil die Ortstafel nicht zweisprachig sei.

Hintergrund: Der Slowenen-Vertreter Rudi Vouk hatte sich für zu schnelles Fahren im Ortsgebiet von St. Kanzian und Bleiburg Strafzettel ausstellen lassen, die er dann mit dem Argument bekämpfte, dass die jeweiligen Ortstafeln eigentlich zweisprachig sein müssten. Was Dolinschek offenbar nicht bewusst ist: Zwar hat der VfGH die Ortstafeln aufgehoben, die Strafzettel mussten jedoch sehr wohl bezahlt werden.

VfGH-Sprecher Neuwirth meinte dazu, zwar habe sich der Verfassungsgerichtshof angesichts des "Niveaus der Debatte" vorgenommen, die Ortstafeldebatte nicht mehr zu kommentieren. "Wenn sich nun aber ein Staatssekretär der Bundesregierung, und damit eines der obersten Organe des Bundes, öffentlich in dem Sinn äußert, es sei begrüßenswert ein Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes nicht umzusetzen, überschreitet das die Grenzen des Erträglichen."

Dazu komme, dass Dolinschek mit der "wahrheitswidrigen Behauptung" argumentiere, die "rechtswidrige Einsprachigkeit der Ortstafeln im gemischtsprachigen Gebiet hätte dazu geführt, dass Vergehen nach der Straßenverkehrsordnung nicht bestraft wurden". Schließlich müsste Dolinschek wissen, dass die Bestrafungen wegen Schnellfahrens vom VfGH bestätigt wurden, so Neuwirth. (apa/red)