Oben ohne im Kino

Ela Angerer über Männer, die mit nacktem Oberkörper im Stadtgebiet zu sehen sind

von Ela Angerer © Bild: News

Welcher Mann ist eigentlich der Trendtyp der Saison? Der augenbrauengetrimmte Metrosexuelle? Schnee von gestern. Der Rübezahl-Vollbartträger? Auch schon zu oft gesehen. Nein, die frechste und aktuellste Erscheinung ist der Oben-ohne-Kerl. Auf Gehsteigen und auf Fahrrädern, im Supermarkt und im Gastgarten: Noch nie waren so viele Männer mit nacktem Oberkörper im Stadtgebiet zu sehen. Mein geschätzter Kollege Markus Huber findet das schrecklich und ruft mir auf Facebook zu: „Kann man denen bitte mal die Leviten lesen?“ – Ja, wenn das nur so einfach wäre.

Stilistisch sind die Herren ohne Oberbekleidung nämlich ein Graubereich, ähnlich dem der Hotpants tragenden Frau: Man mag es. Und dann auch wieder nicht. Ich zum Beispiel mag es sehr, wenn der freigelegte Körper nett anzusehen ist. Was wäre der Sommer ohne die knackigen, halbnackten Bauarbeiter, die sich um Straßengräben kümmern oder auf Dächern herumturnen? Mir gefällt auch der freie Blick auf die Hühnerbrust des flotten Citybikers. Einige Leser werden jetzt denken: Die ist gnadenlos bei ungeföhnten Hinterköpfen, aber in diesem Fall erschreckend tolerant. Mein Freund Thomas Glavinic würde das Gegenteil behaupten: Als wir das erste Mal zusammen im Kino waren, kaufte er sich im Foyer eine XXL-Packung Popcorn, dann setzten wir uns auf unsere Plätze, und er zog sein T-Shirt aus. Obwohl auch er überaus nett anzusehen ist, kreischte ich kurz. Er schenkte mir nur einen gelangweilten Blick und sagte: „Na und? Mir ist eben heiß.“ Vielleicht müssen wir den nackten Oberkörper des Mannes¬– ähnlich wie einst Minirock und Hotpants bei Frauen¬– einfach als Akt der Rebellion und Selbstbefreiung verstehen. Er, der es mittlerweile niemandem mehr recht machen kann, pfeift auf die Meinung anderer und macht ab sofort wieder das, was er am besten kann. Er zeigt sich so, wie Gott ihn schuf, mit Bierbauch oder ohne, und ruft: „Hey, chill dein Leben, ich bin eben ein Mann!”

Was meinen Sie? Schreiben Sie mir bitte: angerer.ela@news.at

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