Prinzessin vom Popsch-Hof

Stefanie Sargnagel stilisiert sich als bitterböse Chronistin, dabei liebt sie Menschen

Stefanie Sargnagel ist derzeit Gesprächsthema. Nach #Babykatzengate und dem Shitstorm, den die Hetzkamagne der "Kronen Zeitung" in der vergangenen Woche losgetreten hat, ringt die Künstlerin nun mit Online-Drohungen, in denen der Verfassungsschutz ermittelt. Aber wer steckt eigentlich hinter der Person? Christopher Wurmdobler hat bereits Ende 2015 ein Porträt der Autorin verfasst.

von Porträt - Prinzessin vom Popsch-Hof © Bild: (C)Kurt Prinz

Sargnagel, die eigentlich Stefanie Sprengnagel heißt, hatte im vergangenen Juli im Rahmen des Ingeborg-Bachmann-Preises den mit 7.000 Euro dotierten Publikumspreis gewonnen, mit dem auch das Klagenfurter Stadtschreiberstipendium verbunden ist.

Die Prinzessin vom Popsch-Hof

Nachfolgend das Porträt von Christopher Wurmdobler im Wortlaut:

Missmutig fragt der Kellner im Café Weidinger, ob man die junge Frau kennen müsse, die da mit Winterjacke, Schal und roter Baskenmütze auf dem Kopf vor ihrem Bier sitzt und sich eine Zigarette nach der anderen dreht. „Sie ist oft da“, sagt er, „aber ist die wer?“

Dabei ist Stefanie Sargnagel auf dem besten Weg zu Prominenz. Die auffällige Kopfbedeckung ist da von Vorteil. Man kennt sie nicht nur im verrauchten Wiener Kaffeehaus oder auf Facebook, wo die meisten ihrer Texte als Statusmeldungen entstehen. Gerade ist Sargnagels zweites Buch erschienen: „Fitness“. Fans wissen, dass der sportliche Titel nur ein Gag sein kann: Die Autorin zelebriert Trägheit.

Aufgewachsen ist Sargnagel bei der Mutter in Wien-Hernals – als schwarzes Schaf, linke Chaotin, seltsame Künstlerin. „In unserer Familie haben wir einen sehr tiefen Humor“, erzählt Sargnagel. Schulfreunde, die sie früher daheim besucht haben, seien oft geschockt gewesen vom Umgangston dort: „Wir verarschen uns halt andauernd.“

Alltag bei der Auskunft

Sargnagel lebt mittlerweile im Julius-Popp-Hof, einem Gemeindebau am Margaretengürtel. Ihr Studium an der Kunstuni hat sie noch nicht beendet, sie unterrichtet in Linz Comiczeichnen und jobbt bei der Telefonauskunft. Dort bekommt ihr Alter Ego „Stefanie Fröhlich“ das Österreich ans Ohr, das nicht in Kunstkreisen oder Vorstadtspelunken verkehrt; Leute, die nicht googeln können oder wollen.

Die Konversationen mit den Anrufern zählen zum Lustigsten im Werk der Autorin. Sargnagel selbst allerdings langweilen die Callcenter-Dialoge. „Solche Geschichten gibt es doch von allen, die mit Menschen zu tun haben“, sagt sie. „Seltsame Begegnungen hat man ja auch als Verkäuferin.“ Der nüchterne Realismus von Kinderbuchautorin Christine Nöstlinger oder der abgründige Blick des Zeichners Manfred Deix haben Sargnagels schwarzen Humor geprägt. Ihre Texte sind Zustandsbeschreibungen des Landes. Egal ob lakonische Statusmeldungen oder Reportagen: Sie schaut genau, was in der Straßenbahn, im Grindbeisl oder in der Lugner City so passiert. Aber sie wagt sich auch als „Prinzessin vom Julius-Popp-Hof“ auf den Opernball oder besucht das Oktoberfest der FPÖ. Vom Klagenfurter Bachmannpreis („Es ist wie ,Deutschland sucht den Superstar‘ für Streber“) hat Sargnagel eine schnoddrige Reportage mitgebracht. Kürzlich verfasste sie für die „Süddeutsche Zeitung“ einen viel beachteten, etwas gemeinen Text über das aktuelle Wiener Popwunder Wanda. Es gibt eine Verbindung: Wandas Manager ist auch Sargnagels Verleger.

Fäkalismus und Bosheit

Ihren „Wiener Stil“ prägen „Fäkalismus und liebevolle Bosheit“, sagt die Autorin. Sargnagel zeigt nicht das schöne Leben, liefert aber mehr ab als Gacki, Grind und Eierschas. Sie hat ein großes Interesse an den Menschen, ist mit echter Neugier ausgestattet und verschont dabei niemanden.
Nach der allgemeinen Betroffenheit über das Charlie-Hebdo-Attentat Anfang des Jahres ätzte Sargnagel: „Du bist nicht Charlie, du bist die Krone am Sonntag.“ Und als im Sommer die Flüchtlinge kamen, half die Autorin am Hauptbahnhof oder brachte im Konvoi Flüchtlinge über die Grenze, „schon auch wegen des Abenteuers“.

Sargnagel lästert über Veganer und Mami- Bloggerinnen („Vielleicht, wenn ich mir so ein handgeknetetes Brot von ,Joseph‘ hole und die Augen zumache und reinbeiße, vielleicht verwandelt sich dann mein Gemeindebau in eine Eigentumswohnung und meine tote Zielpunkt-Pflanze in ein Kind namens Emil“), witzelt über erfolglose Künstlertypen oder sich selbst. „Im Internet posten die Leute ja auch nur Fotos von mariniertem Tofu, aber nicht davon, wie sie sich depressiv Fäuste voller Chips reinschieben“, hält sie Hipstern entgegen.

ORF-Talkerin Barbara Stöckl hat bei der Frau mit der roten Mütze übrigens auch schon angefragt. Frau Sargnagel ist wirklich bald wer.

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