Stefan Petzner, Hassfigur

Über den rechten Bösewicht, der gar nicht so böse ist

von Julia Ortner © Bild: News

Diesen Solarium-Typen sehen und fertigmachen, das war wohl der Plan meiner Gruppe an diesem Tag vergangenes Jahr. Die Studierenden an der Wiener Journalismus-Fachhochschule, kultivierte Leute, die man eher nicht bei einer FPÖ-Wahlkampfveranstaltung am Viktor-Adler-Markt treffen wird, hatten sich ausgerechnet Stefan Petzner als Gast für unsere Lehrveranstaltung ausgesucht, um ein Porträt über ihn zu schreiben – aus einer Liste von berühmten ORF-Gesichtern, professionellen Spaßmachern und Vorzeigeintellektuellen, alle weltberühmt in Wien.

Jörg Haiders eifrigen Jünger, den "Lebensmensch"-Spruch, den modischen Jungrechten kennen ja noch immer alle, obwohl Petzner 2013 die Politik verließ, besser: aus dem Rest-BZÖ geworfen wurde. Und sein neues Buch über die Haider-Jahre lesen jetzt natürlich auch alle, aus Neugier (wir auch). Der Petzner wird schon ungut sein, dachten sich also meine Studierenden, und ich sagte mein Lieblings-Lehrerinnensprücherl: Denkt bitte daran, das Interessante am Porträt eines Menschen sind nicht die Schwarz-Weiß-Zuschreibungen, sondern die Töne von Grau. Dann kam der Gast, heute Politikberater, ganz wie aus dem italienischen Designerschächtelchen, es gab eine Stunde lang die Stefan-Petzner-Show, Selbstironie und Tiefgang inklusive. Und nur noch zwei von zehn kritischen Geistern waren in der Lage, ein distanziertes Porträt zu schreiben. Der Rest war Verblüffung. Dass der rechte Bösewicht gar nicht so böse ist, Wahnsinn!

Das erzählt viel über die ambivalente Figur Stefan Petzner. Für viele professionelle Beobachter ist er eine Hassfigur, eine Provokation, über die man gern verschwitzte Lebensmensch- und Solarium-Witze erzählt; Petzner ist manchen Männern zu Bling-Bling, zu braun gebrannt, zu Kärnten – aber eine gewisse Biestigkeit soll es ja auch unter Männern geben. Die politischen Sünden seiner Vergangenheit – wie zum Beispiel seine niederträchtige Anti-Ausländer-Kampagne "Kärnten wird tschetschenenfrei" – kann Petzner nicht abstreifen, auch wenn er versucht, sich als Politikberater jetzt von den alten Sünden abzugrenzen: Das mit den Grenzüberschreitungen gehörte damals eben zum Job eines Rechtspopulisten.

Es gibt auch manche Leute im Politikmediengeschäft, die sagen: Wäre der begabte Stratege als junger Mann nicht Jörg Haider begegnet, wer weiß, wo er politisch gelandet wäre. Man kann heute jedenfalls nicht so einfach auseinanderdividieren, ob die Abgrenzung Petzners zur Vergangenheit wirklich zynisch ist oder ein bisschen schizophren. Wahrscheinlich beides, aber mehr Zweiteres. Mit Sicherheit kann man nur das sagen: Stefan Petzner hat verdammt viele Töne von Grau.

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