Der Kunstvizekanzler und seine Sorgen

Was, meinen Sie, bewegt Werner Kogler, wenn Museen überfallen werden? Sie werden staunen. Und gegen das großartige Ensemble MusicAeterna rücken wieder die Schreier aus. Verräumen wir sie rechtzeitig

von Heinz Sichrovsky © Bild: NEWS

Dass auf die Kunstfeindlichkeit der Kulturnation derart blinder Verlass ist, hätte nicht einmal ich mir vorgestellt. Aber fällt Ihnen auch auf, dass die Klebepsychoten, die schon bei einem Dino und Gustav Klimt vorstellig wurden, allmählich in den Verfassungsbogen rücken? Vom ressortzuständigen Kunstvizekanzler Kogler hätte ich mir ein diesbezüglich deutliches Wort erwartet. Und tatsächlich hat er im Parlament aufgerieben wie vermutlich noch nie seit Ausbruch des Kabinetts Kurz II. Minutenlang hat er sich in Rage geredet! Sein Zorn galt allerdings einem blauen Hinterbänkler, der die Vandalen "Terroristen" genannt hatte.

Nun fällt es mir nicht im Traum ein, meine Einschätzungen an Hinter-, Mittel- oder Vorderbänklern beliebiger Fraktionen auszurichten. Oder lassen Sie sich von Adolf Hitler Wagner und Lehár vermiesen? Deshalb würde ich Ihnen gern erläutern, weshalb mir die Qualifikation "Terroristen" nicht so abseitig erscheint. Die ausführende Aktion "Just Stop Oil" wurde am 14. Februar 2022 vom Waliser Roger Hallam gegründet. Der Mann war schon federführend beim Mutterkonzern "Extinction Rebellion" tätig. Bis er - kein terroristischer Akt? - über dem Londoner Flughafen Drohnen aufsteigen lassen wollte. Wenig später wurde er wegen Holocaust-Verharmlosung belangt: Er hatte den Mord an sechs Millionen Juden zur vernachlässigbaren Episode erklärt, worauf die deutschsprachige Ausgabe eines von ihm verfassten Pamphlets eingestampft und er selbst auf Betreiben seiner deutschen Filiale aus der ersten Reihe gerückt wurde.

Die Distanzierung dürfte allerdings eher symbolischer Natur gewesen sein, denn Mr Hallam ist auf der Paradeissuppe hurtig ins Zentrum der Ereignisse zurückgeschwommen. Und Kogler möge sich besser in gebotener Lautstärke (und nicht bloß in gebrabbelten Nebensätzen) für seine bedrohte Klientel aus dem Museumsbereich echauffieren. Denn wohin die nächsten Aktivitäten ausarten, kann man nur mutmaßen. Und ohne der geschätzten Vandalenschaft pauschal nahetreten zu wollen: Die Mischkulanz aus wollstrumpfstrickenden Globuli-Sortierern und Judensternträgern hatten wir schon.

Wobei sich meine Sorgen durchaus mit Fakten unterfüttern lassen, denn in den auch regierungsaktiven Bobo-Kreisen ist es schick geworden, über die Legitimität des Überfalls auf Kunstwerke "Diskurs" zu führen. Las ich da kürzlich im "Standard" ein Interview mit einer deutschen "Protestforscherin" (nenne mir nie wieder einer die Antiken Numismatiker Orchideenwissenschafter!). Schon in der Eingangsfrage wurde unter Einsatz von "Kartoffelbrei und Tomatensuppe" eine Cuisine des Grauens angerichtet und diesbezüglich auch im Folgenden nichts ausgelassen.

Die Püree-Psychoten hätten "eigentlich ein smartes Narrativ" entwickelt, lobte die Dame und provozierte damit die Folgefrage: "Das sehen viele nicht so, zumal Lebensmittel im Spiel sind." Freilich, antwortete die akademische Krawallkoryphäe da, man hätte "auch Farbe nehmen" können. Doch die Verschwendung von Lebensmitteln sei in der Causa ohnehin subtextlich inkludiert.

Hier erreichen Bigotterie, Zynismus und Selbstergriffenheit der "woken" Analphabetisierungskampagne den vorläufigen Höhepunkt. Das Reindl Erdäpfelpüree hat uns Mutter Natur geschenkt, und mit dem Essen spielt man nicht! Für den Pinselfritzen Monet griffe man demgemäß besser zur Farbe, die dann tatsächlich irreparable Schäden verursachen könnte.

Ja, die Kunstfeinde sind unterwegs. Ungern belästige ich Sie wieder mit dem Schreihals auf Russenjagd. Sie wissen schon, der aus der Branche gekippte "Blogger", der mit seinen Hetzkampagnen österreichweit vor die Türen komplimentiert wurde: Anna Netrebkos "Aida"-Auftritte an der Staatsoper waren bei Kasseneröffnung ausverkauft. Und sollte die Trägerin des Musiktheaterpreises in der kommenden Saison am Haus nicht singen, würde mich das sehr wundern. Der bedeutende Dirigent Teodor Currentzis wiederum wird selbstverständlich bei den Salzburger Festspielen erwartet, leider nicht mit seinem in Russland ansässigen Vielvölkerensemble MusicAeterna.

Das, so las man, sei wieder in der Existenz bedroht, seien doch von einem Gastspiel in Dortmund "einige" Mitglieder der zweihundertköpfigen Truppe suspendiert worden! Nachgewiesen wurden allerdings nur zwei: Ein Chorist hat per Internet ein hässliches Lied für die "Gruppe Wagner" eingespielt, ein anderer soll sich über die deutsche Gasknappheit lustig gemacht haben. Da hört sich nun alles auf! Witze machen auch noch, wo doch der Schreihals gerade seine Auftragsflaute überbrückt, indem er die Internet-Auftritte von 200 Personen durchkämmt. Und dann: herausfangen, an die Wand, bumm! Als Nächstes wären die Philharmoniker nach Parteizugehörigkeit zu observieren. Und dann könnte man sich die jetzt sehr gefragten ukrainischen Orchester und Solisten vornehmen: Ob da nicht einer mit der Neonazi-Truppe "Regiment Asow" sympathisiert? Verräumen wir den Radaubruder also wieder, bevor noch etwas Ernsthaftes passiert.

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