In aller Stille wurden die Festwochen ausgeschrieben

Volkstheater und Werk X sind umbesetzt, die Neue Oper Wien befindet sich in Abwicklung. Nun steht in beeindruckender Diskretion die Position des Festwochen-Intendanten Christophe Slagmuylder zur Disposition. Umorientierung wäre zu erwägen

von Heinz Sichrovsky © Bild: NEWS

Hätten Sie - ein scharf blickender, aufmerksamer Beobachter des Kulturlebens wie alle meine wunderbaren Leser - gewusst, dass das Amt des Festwochenintendanten ausgeschrieben ist? Ich nicht. Dabei ist nicht mehr viel Zeit, Bewerber zu ermuntern, was ich hiemit nachdrücklich unternehme: Nach dem 21. Oktober ist es schon zu spät, die Geschicke des Festivals ab Ausgabe 2025 wenden zu wollen (was kein Schaden wäre). Den Namen des Amtsinhabers, des verlängerungswilligen Belgiers Christophe Slagmuylder, 55, haben Sie dagegen vielleicht schon gehört oder - eventuell im Zusammenhang mit mehrheitlich gelangweilten Festwochenbilanzen - gelesen.

Anno 2020 und 2021 hatte Mijnheer Slagmuylder noch mit pandemischen Verwerfungen argumentiert. Aber die Ausgabe 2022 glich (wie schon die des Einstandsjahres 2019) einer unscharfen Erstreckung der Wiener Tanzwochen auf Basis internationaler Tourneepläne. Auch Konturen des Steirischen Herbstes anno 2006 bis 2017 waren erkennbar. Nur nicht so pointiert und - für die damalige Zeit - kreativ wie in den Intendantinnenjahren der nunmehrigen Wiener Kulturstadträtin Kaup-Hasler. Die schätze ich, ich habe es selten verborgen, sehr, werfe ihr aber einen Fehler im Amtsverständnis vor: Die von ihr ernannten Führungskräfte bedienen zwar den Geschmack der Amtsinhaberin, verfehlen aber mehrheitlich den Bedarf des Publikums. Wie das Beispiel des Volkstheaters unter dem Kaup-Hasler'schen Überraschungs-Coup Kay Voges belegt.

Gegen das Publikum wiederum mauert eine Blase mit ihren bedeutungslos gewordenen Instrumentarien. Reifere Mitbürger wie ich erinnern sich noch, was das Berliner Theatertreffen einmal war: Atemlos erwarteten die großen deutschsprachigen Bühnen, Regisseure und Schauspieler mit ihrem Publikum die Nominierungen zum jährlichen Elitetreffen der dramatischen Kunst. Die dafür gefällten Entscheidungen flossen auch in die Jahresumfrage der Zeitschrift "Theater heute" ein. Deren Abnehmerkreis bestand zwar schon damals aus den von ihr Rezensierten. Aber die führenden Kritiker des Sprachraums wählten dort jährlich unter allseitiger Aufmerksamkeit die herausragenden Leistungen der Saison!

Heute ist das Theatertreffen ein von keiner Öffentlichkeit mehr wahrgenommener Obskurantenaufmarsch mit verbindlicher Regisseurinnenquote. Und was die führenden Theaterkritiker betrifft, die einst, von der Aura der Angst und des Respekts umflossen, die Sprachräume bereisten: Die gibt es nicht mehr, weil die einschlägige Berichterstattung auch in so genannten Qualitätsmedien bis zur Unkenntlichkeit verzwergt wurde. Keine Zeitung ließe ihren Restkritiker heute noch für Wochen vom Schreibtisch, zur Jury qualifizieren sich (mit Ausnahmen) deshalb in erster Linie Personen mit Tagesfreizeit.

Nun hat mich ein verwünschtes Schicksal daran gehindert, "humanistää", die offenbar tatsächlich höchst geglückte Jandl-Produktion des Volkstheaters, zu sehen. Ich gönne ihr die Einladung zum Theatertreffen auch von Herzen. Aber dass das Volkstheater, via "Theater heute" für fünf unbesuchte Produktionen siebenfach ausgezeichnet, das zweitbeste Bühnenunternehmen des Jahres gewesen wäre, und der Jandl samt liebenswertem Protagonisten das Beste an verfügbarer Theaterkunst: Werden Sie mir übelnehmen, wenn ich hier ein Blasenproblem diagnostiziere?

Das Volkstheater und die Festwochen sind indes nicht die einzigen Problemfälle. Das unbemerkt gebliebene Leitungskollektiv der Kunsthalle muss sich vorerst bloß der Neuausschreibung stellen. Aber die inspiriert, ja brillant programmierende Direktion der Theatergruppe Werk X wurde schon zugunsten Namenloser abgesetzt. In zwei Jahren legt dann der Dirigent Walter Kobéra unter Zwang die Leitung der Neuen Oper Wien zurück. Dieses Leuchtturmunternehmen der freien Opernszene war einem zugekauften städtischen Gremium über Nacht nicht mehr innovativ genug (wobei dort auch Personen amtieren, die sich vergebens den Kopf darüber zermartern, warum der schwarze Mann mit dem Stock im Orchestergraben auf die schwarzen Männer mit den Geigen losgeht). Sollten sich nun etwa Kobéra oder die abgewürgten X-Werktätigen um die Festwochen bewerben: Meine Unterstützung plus Zusicherung der ausgelobten 160.000 Euro Jahresgehalt hätten sie.

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