"Eine Ohrfeige für alle Homophoben"

So und ähnlich lauten die überschwänglich positiven Reaktionen auf den Wurst-Sieg

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Schneller als Ostermayer im Gratulieren war NEOS-Spitzenkandidatin zur Europa-Wahl, Angelika Mlinar. Sie feierte in einer Aussendung bereits vor Beginn des Finales Conchita Wurst als Siegerin. Sie habe durch ihr eindrucksvolles Auftreten auch eine neue Debatte angestoßen, dass es gerade in einem europäischen Gesangswettbewerb deutlich mehr Respekt und Toleranz braucht. "Ich bewundere ihren Mut und ihre Entschlossenheit im Auftreten gegen Homophobie", so Mlinar. "Es ist schön, dass alle europäischen Bürgerinnen und Bürger die Gelegenheit erhalten, über ihren Tellerrand zu schauen. Die Menschen in Russland und Weißrussland, die für Menschenrechte, Gleichberechtigung und Demokratie kämpfen, sollen wissen, dass sie auf dieses weltoffene Europa zählen können." Aus Russland gab es heute Nacht übrigens fünf Punkte für Conchita Wurst.

Heinz Fischer gratuliert

Auch Bundespräsident Heinz Fischer meldete sich via Facebook zu Wort: "Ich gratuliere Conchita Wurst zu ihrem Sieg beim Eurovision Song Contest! Das ist nicht nur ein Sieg für Österreich, sondern vor allem für Vielfalt & Toleranz in Europa. Dass sie ihren Sieg all jenen widmete, die an eine Zukunft in Frieden & Freiheit glauben, macht ihn doppelt wertvoll. Ein schöner Tag für Österreich! Herzliche Gratulation!", so der Präsident auf seiner Facebook-Seite.

Freude bei Böhm trotz Kosten

Kosten hin, Kosten her, auch bei ORF-TV-Unterhaltungschef Edgar Böhm überwiegt klar die Freude über den Sieg Österreichs. "Ich bin ja schon das 20. Mal bei einem Song Contest und habe viele Enttäuschungen erlebt. Und jetzt überwiegt natürlich eine Riesenfreude, nach 48 Jahren wieder einmal den Song Contest zu gewinnen! Dass das natürlich eine Riesenaufgabe ist, ist völlig klar. Das weiß ich von Kollegen, schließlich war ich auch in die Vorbereitung in Düsseldorf 2011 eingebunden. Das ist ein Riesentschoch und eine Riesenverantwortung. Aber wenn es auch kleine Länder wie Dänemark geschafft haben, eine solche große Veranstaltung auf die Beine zu stellen, dann werden wir es auch schaffen", so Böhm.

Wrabetz: "Österreich ist toleranter geworden"

Auch ORF-Generaldirektor Alexander Wrabetz zeigte sich nach der Show äußerst erfreut. Der Sieg von Conchita Wurst bewirke jedenfalls etwas in der Alpenrepublik: "Österreich ist toleranter geworden heute Abend." Conchita Wurst habe ganz Europa nicht nur mit ihrer tollen Stimme überzeugt, sondern auch ein Zeichen für Toleranz und Akzeptanz gesetzt.

Neue Stimme für Österreich

"Conchita Wurst hat mit ihrem Erfolg Österreich eine neue starke Stimme in Europa gegeben", betonte ORF-Fernsehdirektorin Kathrin Zechner in einer Aussendung: "Was für eine unvorstellbar großartige Nacht. Conchita Wursts fulminanter Song, ihre starke Performance und ihre unglaubliche Persönlichkeit haben Österreich in Europa in den letzten Wochen eine neue starke Stimme gegeben und wohl auch neues Selbstverständnis. Danke. Dieser Erfolg gehört ihr. Ich freue mich sehr für sie und ihr Team. Danke Europa, das den persönlichen, künstlerischen und gesellschaftlichen Wert des österreichischen Beitrags erkennt."

Markus Spiegel "überwältigt"

Als Produzent von Falco hat Markus Spiegel die Blütezeit der österreichischen Popmusik mitgeprägt, als Juror bei der ORF-Castingshow "Starmania" 2007 niemand geringeren als Tom Neuwirth eine große Karriere vorausgesagt. Nach dem großen Triumph zeigte sich Spiegel "überwältigt", freute sich auf die Austragung in Österreich und appellierte an den ORF, die Talentschmiede "Starmania" wieder auf den Schirm zu holen.

Russland wirbt um Respekt

Nach scharfer Kritik aus Russland an der Eurovision Song Contest -Teilnahme von Wurst hat die Delegation des Riesenreichs um Respekt geworben. "Ob er einen Bart hat oder keinen Bart, ob er Mann ist oder Frau - das ist unwichtig, es ist ein Wettbewerb", sagte "Pop-Papst" Filipp Kirkorow am Sonntag im Staatsfernsehen. Wursts Siegerlied sei sehr schön, so Kirkorow.

"Historischer Sieg"

Es gebe Siege beim Songcontest und historische Siege: "Der von vergangener Nacht fällt in letztere Kategorie", schrieb die "Irish Times" (Onlineausgabe) nach dem Triumph von "Austria's bearded lady" (Österreichs bärtiger Dame). Von Medien im englischsprachigen Raum gab es viel Lob für den Song und die Performance, auch da wurde hingewiesen auf die gesellschaftspolitische Bedeutung.

Conchita habe viel Kritik von Konkurrenten aus Russland, Weißrussland und der Ukraine hinnehmen müssen, hieß es auf dem Onlineportal "Sky News". "Sogar in ihrer Heimat hat sie der Chef der rechtsgerichteten FPÖ als 'lächerlich' bezeichnet." Aber in der Nacht habe die Sängerin die Zuschauer überzeugt. Ihr Song "Rise Like A Phoenix" sei eine "klassische europäische Powerballade", urteilte die "Irish Times", von Wurst mit beachtlichem Können und emotionaler Überzeugung vorgetragen.

Mutter froh, dass Conchita und nicht Hitler Österreich repräsentiert

Auf das geballte, via Twitter geäußerte Lob wies das britische Blatt "Independent" hin. Eine Mutter habe geschrieben: "Ich bin so froh, dass meine Kinder in einer Zeit leben, in der Conchita und nicht Hitler Österreich repräsentiert."

Ironisch und mit durchaus derben Humor analysierte der Journalist Euan Ferguson für die englische Tageszeitung "The Guardian" den Bewerb. "Österreich hat abgesahnt", hieß es in seiner Kolumne. Gesungen habe Wurst "eine Bond-Hymne mit dem Titel, wenn meine Notizen korrekt sind, 'Rise Like A Penis'". "Es war nicht schlecht, aber ich freu mich so, dass es Putin und seinesgleichen den Finger zeigte", so Ferguson.

Auch CNN war der Sieg von Wurst ausführliche Berichte wert. "Österreichs Conchita Wurst gewinnt Eurovison während Spannungen zwischen Russland und Ukraine", titelte der Nachrichtensender. Tom Neuwirth habe Wurst - "was auf Deutsch Wurst heißt, aber auch 'wen kümmert es'" - in seinem Teenageralter geschaffen, um gegen Diskriminierung zu Kämpfen, klärte CNN seine Online-Viewer auf.

"Ergreifendster Beitrag dieses Jahr"

Die Berichte über Conchitas Bart würden nicht annähernd dem "vielleicht ergreifendsten Eurovisionsbeitrag dieses Jahres" gerecht werden", bloggte die britische U-Bahn-Zeitung "Metro". "Das ist diese Art von Lied, die einen James Bond Film zieren könnte, und man kann sich leicht vorstellen, wie Shirley Bassey es unter der Dusche, wenn nicht sogar auf der Bühne, schmettert."


Selbst in Amerika wird man Conchita Wurst nun kennen. Denn sogar dem einflussreichen Branchen-Magazin "Variety" war der Songcontest einen Online-Bericht ihres London-Korrespondenten mit einem großen Foto der Siegerin wert.

Weitere Stimmen aus aller Welt:

Kopenhagen/Rom/Wien (APA) - "Il Fatto quotidiano" (Rom)

"Eine Drag Queen mit Bart erobert den Eurovision Song Contest in Kopenhagen und erweist sich als echter Star des Songwettbewerbs. Conchita Wurst ist zur wahren Königin der Bühne geworden!"

"TMNews":

"Der Eurovision-Wettbewerb 2014 hat eine einzige unbestrittene Königin, Conchita Wurst, eine Drag Queen, die mit ihrem exzentrischen Aussehen und dem Vollbart den Protest homophober Gruppen in Russland ausgelöst hat. Conchita Wurst, die sich nicht als Transsexueller, sondern als Gender-neutral bezeichnet, ist eine tolle Sängerin. Die Mischung aus langen Haaren und männlichem Bart weckt eine bestimmte Verwirrung im Publikum. Österreich schüttelt das Sisi-Image ab."

"La Repubblica" (Rom):

"Hohe Absätze, Schmetterling-Wimpern und dichter Bart: Mit Conchita Wurst erobert Österreich zum ersten Mal seit 1966 den Eurovision Song Contest. Thomas Neuwirth, der erst vor drei Jahren zu Conchita Wurst geworden ist, siegt im Finale in einem bunten, feierlichen Klima, in dem viele österreichischen Fahnen wehen. Conchita Wursts Triumph ist ein Sieg im Europa der Toleranz und des Respekts, wie auch der österreichische Kulturminister Josef Ostermayer kommentiert hat."

Kopenhagen/Wien (APA) - "Berlingske Tidende" (Kopenhagen):

"Österreich lieferte einen Höhepunkt 'second to none'. Wer kann Tränen, Diva-Kleidern und einem Bart widerstehen - und Wursts Botschaft, dass der Sieg allen gehört, die sich 'Frieden und Freiheit' wünschen?"

"Ilta-Sanomat" (Helsinki):

"Sie ist nicht mehr eine bärtige Frau, sie wurde zur Königin Europas erhoben. Schön, dass auch die Finnen Österreich die meisten Punkte gaben."

"Aftenposten" (Oslo):

"Eine Ohrfeige für alle Homophoben in Europa".

"Sydsvenskan" (Malmö):

"Die Wurst war nicht zu stoppen. (...) 'Rise like a Phoenix' stieg auf und brachte Österreich wieder auf die Songcontest-Landkarte zurück."

"Göteborgs-Posten" (Göteborg):

"Was für ein Liebes-Schock! Conchita Wurst aus Österreich gewann über ganz Europa mit ihrer mächtigen Ballade."

"Svenska Dagbladet" (Stockholm):

"Schon im Semifinale war die Publikumsunterstützung für Conchita Wurst beispiellos. Am Samstag fegte sie dann alle mit sich. (...) Ich glaube, ich habe noch nie einen vergleichbaren Applaus in der Geschichte des Songcontests gehört."

Hype in sozialen Medien

Auch Prominente und ehemalige Song Contest-Teilnehmer deklarieren sich am Tag nach Conchita Wursts Sieg als Fans und teilen der bärtigen Diva über soziale Medien ihre Glückwünsche aus. Folgend eine Auflistung an Social-Media-Reaktionen.

Lena Meyer-Landrut (deutsche Song Contest-Gewinnerin 2010): "Herzlichen Glühstrumpf Conchita Wurst"

Eric Papilaya (Österreichs Song Contest-Vertreter 2007, scheiterte im Halbfinale): "Scheinbar interessiert sich sogar ganz Europa für österreichische Musik! haha"

Alf Poier (Wurst-kritischer Kabarettist, Österreichs Song Contest-Vertreter 2003, schaffte Platz 6): "Gratuliere Conchita! - Auch wenn Dein Beitrag nicht nach meinem Geschmack war. - Aber Platz 1 für Österreich ist sensationell. So viel Fairness muss sein! - Hut ab! Und noch etwas. Egal welche Meinung ich auch immer vertrete - ich hab keine Lust darauf von der Politik als Propaganda-Maskottchen missbraucht zu werden. In diesem Sinne - a guate nocht!"

Cascada (deutsche Song Contest-Vertreter 2013): "Eine talentierte, bärtige Lady hat gerade der Intoleranz in den Arsch getreten! Whohoooo! Nicht schlecht, Eurovision!"

Michael Niavarani (Kabarettist): "Hab soeben erfahren, dass wir den Song Contest gewonnen haben! Bravo! Conchita Wurst! Ich bin begeistert! H. C. Strache wurde bereits in Frauenkleidern gesichtet, er hofft ja mal eine Wahl zu gewinnen..."

Peter Rapp (ORF-Urgestein der TV-Pop-Moderation): "Daumendrücken hat geholfen! 1967 war ich in der Hofburg dabei, als Sandy Shaw mit 'Puppet On A String' gewann. (Im Jahr vorher hatte Udo Jürgens gewonnen). Und heute? Jedes Mal, wenn die 'kleinen' Punkte gezeigt wurden, war in den letzten Jahrzehnten klar, dass Austria wieder keinen Punkt bekommt. Diesmal war es immer nur die Frage: Werden es 8 oder 10 oder wieder 12 Punkte. Was für ein herrliches Gefühl. Den Abend werde ich lange nicht vergessen! ... Das ist ja heute wie Silvester! Habe ein Lächeln im Gesicht bei dem Gedanken, wie die Mitarbeiter in den Society-Redaktionen wie die Bienen umherschwirren und an Texten arbeiten wie 'Wir haben es schon kommen gesehen!' 'Wir haben es gleich gesagt!' 'Wir sind Song Contest!' - Hier noch ein Wort, dass ich sonst nie poste: 'Grins!'"

Global Kryner (Österreichs Song Contest-Vertreter 2005, im Semifinale gescheitert): "Das war großartig, Conchita! Du bist uns Global Krynern eine mehr als würdige Nachfolgerin! 2015 kommt der Songcontest aus Wien. Das hatten wir eigentlich für 2006 schon geplant gehabt ..."

Armin Wolf (ZiB 2-Anchorman): "Echt, jetzt: Wie kommen die ORF-Zwangsgebührenzahler dazu, sich mit einem Songcontest-Triumph zwangsbeglücken zu lassen?"

Stefan Petzner (Ex-Politiker und Udo-Jürgens-Fan): "Was wir bei der fußball wm niemals erleben werden, passiert beim song contest: Österreich ist im Finale ! Congrats Chonchita!"

Franz Joseph Moped (Kabarettist/"Gebrüder Moped"): "Für Bischof Laun der schlimmste Tag seit der Kreuzigung".

Thomas D (ein Viertel der Fantastischen Vier): "Ich hab Tränen in den Augen, so schön war das! Gratulation Conchita Wurst!"

Florian Scheuba (Kabarettist/Autor): "Wir sollten in dieser Stunde des Triumphes auch nicht auf den großen Verlierer des heutigen Abends vergessen: Wladimir Putin."

Jan Böhmermann (deutscher TV-Moderator/Komiker): "Ein österreichischer Außenseiter mit Bart erobert Europa und Deutschland ist begeistert. Mal wieder!"

Rudolf Fußi (PR-Berater): "Heinisch-Hosek muss noch ein paar Ganztagsschulen 'verschieben', dann geht das schon mit dem Song Contest 2015"

Gerald Fleischhacker (Kabarettist/Radiomoderator - zum Songcontest 2015): "Okay, wo mach mas? - Die Hypo Alpe Adria hat einen schönen Saal."

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