Der Sonne entgegen

Zwei Piloten wollen mit Solarflugzeug Erde umrunden. Ist das die Zukunft des Reisens?

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Leben - Der Sonne entgegen

Der Wetterbericht für Hawaii für die nächsten Tage: zunächst noch strahlender Sonnenschein, dann sind Regenschauer angesagt. Für den Durchschnittshawaiianer, den Surfer oder den Urlauber reicht so viel Information auch schon. Die beiden Piloten André Borschberg und Bertrand Piccard müssen es ein wenig genauer wissen. Irgendwann in den nächsten Tagen wird ihr Flugzeug Solar Impulse 2 wieder in die Lüfte steigen. Ziel: USA. Wo genau, hängt vom Wetter ab.

Denn zum Fliegen brauchen sie Sonne - viel Sonne. Das Leichtflugzeug, in dem die beiden abwechselnd sitzen, wird nur durch die Kraft der Sonne angetrieben, deren Energie für die Nacht in hochentwickelten Batterien gespeichert. Borschberg und Piccard wollen damit die Welt umrunden. Gegen alle Zweifel. Und trotz aller technischen Probleme, die ein Pionierprojekt mit sich bringt. Start war im März 2015 in Abu Dhabi. Seit Juli 2015 saßen sie mit ihrem Flugzeug auf Hawaii fest, weil sich die Batterien auf dem fünf Tage langen Rekordflug von Japan hierher überhitzt hatten. Im Winter war dann die Sonneneinstrahlung auf der Nordhalbkugel zu schwach, um das Flugzeug zu fliegen. Gut, es gibt schlimmere Orte, um zu überwintern. Doch neun Monate Stillstand, wenn man schon die Weltsensation geliefert haben will, sind schon sehr lang. Auch wenn man diese Zeit nützen muss, um 20 Millionen Euro für Reparatur und Weiterflug aufzutreiben.

Ob man bei solchen Problemen auch einmal ans Aufgeben denkt? Die Antwort von Bertrand Piccard: "Würde man ein Fußballteam fragen, ob es zur Halbzeit aufgeben will? Bei Solar Impulse wissen wir, dass Erforschung und Abenteuer nicht nur darin bestehen, die Flagge zu hissen, wenn man erfolgreich war, sondern auch darin, mit Zweifeln, Verspätungen und Problemen umzugehen.“ Die beiden Piloten sehen sich nicht einfach als Abenteurer: "Wir sind Forscher und keine Wagehälse“, sagt Piccard. "Das Ziel ist es, sicher auf der anderen Seite zu landen. Unser Team besteht aus Meteorologen und Ingenieuren, die Simulationstools einsetzen, um uns dabei zu unterstützen, die richtigen Entscheidungen zu treffen und nicht - wie manche Pioniere vor achtzig Jahren - im Meer zu versinken.“

Als Forscher wollen sie beweisen, dass es auch ohne fossile Kraftstoffe, im Fall des Flugzeuges Kerosin, geht: "Und es geht nicht nur um Solarenergie. Ungeachtet seines Namens verfolgt das Projekt Solar Impulse das Ziel, alle Lösungen voranzutreiben, die zu Energieeinsparungen und einer sauberen Energieproduktion führen. Unser Zugang ist ein aeronautisches Abenteuer, das niemand für möglich hielt, unter extremen Bedingungen durchgeführt, um so positive Gefühle und konstruktive Lösungen in die laufenden Diskussionen einzubringen, die derart mit Problemen überladen sind, dass sie oft zu Entmutigung, Pessimismus, ja sogar Fatalismus führen“, sagt Piccard. "Wir sind fünf Tage und Nächte lang über das Wasser geflogen und konnten zeigen, dass wir ein nachhaltiges Leben im Cockpit führen können, und das Potenzial enthüllen, das in diesen Technologien steckt“, erklärt André Borschberg. Der Flug zeige, dass diese Technologien auch im Alltag eingesetzt werden können, ergänzt Bertrand Piccard.

Was der Solarflug bringt

Tatsächlich werden sich die Erkenntnisse aus dieser Weltumrundung wohl in allen möglichen Lebensbereichen niederschlagen. Einer der Hauptsponsoren von Solar Impulse etwa ist der Lift- und Rolltreppenkonzern Schindler. Der Nutzen war wechselseitig. Einerseits floss Know-how von Schindler in die Entwicklung der haardünnen Solarzellen, andererseits entstand ein solarbetriebener Aufzug. Dieser bekommt seine Energie über Photovoltaikanlagen, der Überschuss wird für die Nacht und für Schlechtwetter gespeichert. Zudem tüftelt man nun am Leichtbau von Aufzügen.

Peter Schnieper, Vorsitzender der Geschäftsleitung von Schindler, erwartet Innovationen: "Trotz Verwendung von Wänden mit Wabenstruktur und Kunststofftragmitteln ist immer noch viel Stahl und damit Masse in einem Aufzug. Das bedeutet hohen Energiebedarf. Hier neue Möglichkeiten zu finden, und das bei mindestens dem gleichen Sicherheitsniveau, ist eine der Herausforderungen, die mit dem Wissen von Solar Impulse 2 radikaler angegangen werden können.“

Peter Biermayr vom Institut für Energiesysteme und Elektrische Antriebe der TU Wien schätzt den "Demonstrationscharakter solcher Projekte. Die Öffentlichkeit ist ja ein bisschen abgestumpft von Debatten über erneuerbare Energien.“ Gelingt eine spektakuläre Weltumrundung, bringe das wieder Sympathien. Dass irgendwann tatsächlich Passagierflugzeuge mit Sonnenenergie fliegen, hält er für undenkbar. "Bedenkt man das Gewicht eines Flugzeugs und die Leistung, die beim Start nötig ist, reichen Solarzellen auf Tragflächen keinesfalls aus. Das ist, wie wenn Sie auf einen zwei Tonnen schweren SUV ein Solarpanel schrauben. Damit könnten Sie bestenfalls das Autoradio betreiben.“ André Borschberg ist optimistischer: "Wir sehen für die nahe Zukunft keine solarbetriebenen Verkehrsflugzeuge am Himmel, wir sollten uns aber an die Vergangenheit erinnern. Hätte man sich im Jahr 1903, als es den Gebrüdern Wright gelang, ihr Flugzeug über eine Strecke von 200 Metern zu lenken, vorstellen können, dass es Lindbergh 24 Jahre später schaffen würde, den Atlantik zu überqueren? Er war damals alleine an Bord. Bereits dreißig Jahre später beförderten Passagierflugzeuge 200 Personen und bewältigten dieselbe Strecke in acht Stunden.“ Und wer weiß jetzt schon, was in hundert Jahren für Reisende "normal“ sein wird?

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