Warum spielt man
die „Drei Schwestern“?

Heinz Sichrovsky über eine brauchbare, aber entbehrliche Tschechow-Produktion

von
Leben - Warum spielt man
die „Drei Schwestern“?

Im Feuer, das die trostlose russische Garnisonsstadt an der Wende zum 20. Jahrhundert vernichtet, glimmt schon die bevorstehende Revolution. Das Bürgertum, einst eine dynamische Komponente des gesellschaftlichen Wandels, ist ermattet. Nicht nur die Schwestern Olga, Mascha und Irina, auch die Männer stehen am Ende ihrer Träume, ein böses, proletenhaftes Weib hat das Kommando über das Haus an sich gerissen. Die von Tschechow beschworene Lebenslangeweile zum Schweben zu bringen und damit in Spannung zu verwandeln, ist eine der größten Herausforderungen der Theaterkunst. Giganten wie Peter Zadek, Peter Stein und Luc Bondy haben sich daran abgearbeitet und die größten Schauspieler ihrer Gegenwart auf die erträumbare Höhe ihres Könnens geführt. Matthias Hartmann probierte es zuletzt, immerhin, mit gigantenbesetzter Knallkomik.

Das Burgtheater bietet David Bösch auf, den Berufsjugendlichen vom Dienst, und das ist auch schon das Konzept. Die wankenden gesellschaftlichen Verhältnisse werden durch ein Normhaus aus dünner Plastikfolie symbolisiert (Bühne: Harald B. Thor). Und Bösch arrangiert mit einem sehr jungen, ambitionierten Ensemble eine grundsympathische, eindimensionale, wie für das Theater der Jugend gefertigte Aufführung. Wo die Arbeit großer Regisseure erst begonnen hat, gibt sich diese Produktion schon zufrieden. Wo andere in atmosphärische Tiefen vordrangen, bewirtschaftet Bösch munter die Spitze des Eisbergs. In seiner Geheimnislosigkeit ist das zumeist ungeheuer banal und manchmal entsprechend langweilig.

Unter den titelgebenden Damen erreicht vor allem Katharina Lorenz als Olga das Format einer Tschechow-Tragikomödin. Die äußerst schätzenswerten Kolleginnen Aenne Schwarz (Mascha) und Marie-Luise Stockinger (Irina) leisten Imponierendes, ohne über Abbilder einer verwaschen heutigen Wirklichkeit hinauszugelangen. Philipp Hauß (Andrej), Fabian Krüger (Werschin), Dietmar König (Kulygin) und Falk Rockstroh (Tschebutykin) beweisen auf gutem Niveau, dass die Zeiten, in denen man am Haus aus einen Reichtum unverwechselbarer Könner wählen konnte, vorbei sind. Stefanie Dvorak ist eine äußerst definierte Bissgurn und Elisabeth Augustins Anfissa tatsächlich von einem Hauch des Tschechow-Geheimnisses umgeben.

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