Sexuelle Aufklärung: Tipps für Eltern

Wie sage ich es meinem Kind? Auch noch im 21. Jahrhundert bereitet diese Frage vielen Eltern Kopfzerbrechen. Dabei ist eine altersgerechte sexuelle Aufklärung maßgeblich für eine gesunde Entwicklung des Kindes.

von Eine Mutter liest ihrem Kind etwas aus einem Buch vor. © Bild: iStockphoto.com/pixelfit

Inhaltsverzeichnis

Was ist sexuelle Aufklärung?

Vom Moment seiner Geburt an ist der Mensch ein sexuelles Wesen. Schon Babys genießen Körperkontakt, untersuchen die mütterliche Brust und erkunden ihre eigenen Genitalien. Wobei sich die kindliche Sexualität klar von der Erwachsener unterscheidet. Dieser Unterschied muss den Kindern im Zuge der Aufklärung vermittelt werden, um nicht zuletzt unangemessenen Erfahrungen bis hin zu sexualisierter Gewalt so gut als möglich vorzubeugen.

Sexuelle Aufklärung ist im besten Fall ein auf das Alter und den Entwicklungsstand des Kindes abgestimmter, fortwährender Prozess. Informiert wird dabei über die primären und sekundären Sexualorgane und deren Funktion, ebenso wie über Werte und Haltungen hinsichtlich der Sexualität. Weitere wichtige Aspekte sind die Themen Verhütung, Schwangerschaft, Homosexualität sowie sexuell übertragbare Krankheiten. Ebenso von Vorteil ist es, die Kinder über mögliche Anlaufstellen bei Problemen zu informieren.

Sexuelle Aufklärung sollte weder oberflächlich behandelt noch bis zur Geschlechtsreife aufgeschoben werden. Ebenso wenig sollten die Eltern als engste Bezugspersonen des Kindes die Verantwortung an Freunde, Lehrkräfte oder die Medien abgeben.

Warum ist sexuelle Aufklärung wichtig?

In der Werbung werden vermeintlich perfekte Körper präsentiert, in Film und Fernsehen mehr oder weniger explizite Sex-Szenen gezeigt. Das Internet und die Sozialen Medien tun ihr Übriges. Kinder und Jugendliche kommen heute fast nicht um die Konfrontation mit sexuellen Inhalten umhin. Diese wiederum prägen die Art und Weise, wie sie ihren eigenen Körper und ihre eigene Sexualität wahrnehmen. Hier liegt es an den Eltern, die Kinder über Falschinformationen aufzuklären und ihnen dabei zu helfen, die gewonnenen Eindrücke richtig einzuordnen.

Im besten Fall stärkt eine umfassende Sexualerziehung die positive Selbstwahrnehmung des Kindes. Sie fördert die körperliche und emotionale Gesundheit sowie die soziale Rollenfindung des Heranwachsenden und hilft ihm, die Grenzen festzulegen, die Außenstehende nicht überschreiten dürfen. Wobei sich sexuelle Aufklärung natürlich nicht als einmaliges Gespräch, sondern vielmehr als wiederkehrender Teil der Erziehung versteht. Fühlt sich das Kind gut und umfassend informiert, muss es schließlich auch nicht auf TikTok und Co. als Informationsquelle zurückgreifen.

Wann ist der richtige Zeitpunkt zum Aufklären?

Die Aufklärung kann bereits in der frühen Kindheit beginnen. Spätestens aber, wenn ein Geschwisterchen unterwegs ist oder die ersten "Doktorspiele" auf dem Plan stehen, tauchen beim Kind erste Fragen auf. Mit diesen geben sie in der Regel selbst den Zeitpunkt und die Themen vor. Für eine gesunde Entwicklung des Kindes ist es wichtig, deren Fragen wahrheitsgetreu zu beantworten, wobei die Erläuterungen natürlich auf das jeweilige Alter des Kindes abgestimmt sein sollten.

0 bis 3 Jahre

Ob bei der Körperpflege oder beim Zubettbringen - Kinder lernen, dass Berührungen angenehm und ein Teil des Lebens sind. Eltern können dieses Empfinden unterstützen, indem sie ihrem Kind im Alltag ganz bewusst Nähe und Liebe schenken. Auch wenn die Berührungen innerhalb der Familie naturgemäß keine sexuelle Konnotation haben, sind die in frühester Kindheit erlebten Gefühle Basis für ein späteres gesundes Sexualverhalten.

Schon ab dem zweiten Lebensjahr erkennen Buben und Mädchen die geschlechtlichen Unterschiede. Spätestens dann, wenn es die Sprache zulässt, stellen sie diesbezügliche Fragen. In der Regel besteht die erste Aufgabe der Eltern darin, die Geschlechtsorgane zu benennen und die Unterschiede zu erklären. Verniedlichende Wörter sind dabei nicht notwendig. Meist sind es nur die Erwachsenen, die hier Scham empfinden. Kinder stehen den korrekten Bezeichnungen recht unvoreingenommen gegenüber.

3 bis 6 Jahre

Wenn Mamas Bauch wächst oder ein Spielkamerad ein Geschwisterchen erwartet, folgen meist erste konkrete Fragen. Manchen Eltern verschlägt es ob deren Klarheit die Sprache: Kinder sind sehr unbefangen und erwarten ebenso unbefangene, offene und ehrliche Antworten. Die Aufgabe der Eltern ist es, kindgerecht zu erklären, wie Babys gezeugt werden, welche Körperteile dafür notwendig sind und wie die Geburt vonstatten geht.

Ab einem bestimmten Alter stehen auch die sogenannten Doktorspiele auf dem Plan. Mit deren Hilfe kann das Kind die geschlechtsspezifischen Unterschiede kennenlernen. Die Kinder sollten für dieses Verhalten keinesfalls gerügt werden. Gleichzeitig sollten die Eltern ihnen verständlich machen, dass sie ihren nackten Körper, nicht aber den von anderen untersuchen und berühren dürfen.

Zur sexuellen Erziehung gehört auch, das Kind darüber aufzuklären, dass Geschlechtsverkehr den Erwachsenen vorbehalten ist, es einen Unterschied zwischen liebevoller Nähe und sexuellen Handlungen gibt, man "Nein" sagen darf und soll, wenn diese Grenze überschritten wird, und die Grenzen der anderen ebenso akzeptiert werden müssen.

6 bis 9 Jahre

Spätestens, wenn die Kinder eingeschult werden, sollten sie über Anatomie und Physiologie der inneren und äußeren Geschlechtsorgane Bescheid wissen. Denn in der Schule wird Sexualität immer wieder Thema sein. Ist das Kind nicht ausreichend aufgeklärt, besteht die Gefahr, dass es sich von derartigen Gesprächen verunsichern lässt oder Magnet von Spott und Hohn wird.

In den Industrieländern setzt die Pubertät der Kinder zunehmend früher ein. Während sich bei Mädchen im Alter von rund neun bis zehn Jahren erste Anzeichen bemerkbar machen, ist dies bei Buben in der Regel ab etwa elf Jahren der Fall. Deshalb sollten Eltern das Gespräch suchen und die Entwicklung vom Kind zum Erwachsenen erläutern.

Mädchen sollten wissen, dass sich Vulva, Scheide und Schamlippen vergrößern, die Brust wächst, die Körperkonturen rundlicher werden und die Menstruation einsetzt. Burschen müssen darüber informiert werden, dass Hoden, Hodensack und Penis an Größe zunehmen, bei sexueller Erregung Samenflüssigkeit aus dem Penis treten kann, die Körperbehaarung zu sprießen beginnt und die Statur breiter wird.

Da die Bedeutung der Privatsphäre für den Nachwuchs nach und nach zu- und der elterliche Einfluss abnimmt, empfiehlt es sich, die Zeit vor der Pubertät für die sexuelle Aufklärung zu nutzen. Wobei Eltern diese Aufgabe keinesfalls der Schule überlassen sollten. Oft traut sich das Kind nicht, im Rahmen des Sexualunterrichts Fragen zu stellen.

ab 10 Jahren

Mit dem Eintritt in die Pubertät steigt das sexuelle Interesse des Kindes, gleichzeitig entwickelt sich dessen Fortpflanzungsfähigkeit. Informationen über geeignete Verhütungsmethoden, sexuell übertragbare Krankheiten und Schwangerschaft dürfen in diesem Alter daher nicht zu kurz kommen.

Gleichzeitig nutzen die Heranwachsenden zunehmend Online-Medien als Informationsquelle. Eltern sollen und können dies auch gar nicht unterbinden, jedoch unter Kontrolle behalten. Wobei es mit einer Kindersicherungs-App bei weitem nicht getan ist. Die Eltern sollten stets ein offenes Ohr für ihr Kind haben und ihm dabei helfen, die gewonnenen Eindrücke richtig einzuordnen und zu verarbeiten.

ab 12 Jahren

Während die Kinder zu Jugendlichen heranwachsen, entwickeln sie ein ausgeprägtes Schamgefühl. Den meisten ist es peinlich, mit ihren Eltern über Sexualität zu sprechen. Eine gute sexuelle Aufklärung bis zu diesem Alter lohnt sich demnach. Zum einen, weil die Jugendlichen wissen, dass sie bei Fragen und Unsicherheiten jederzeit auf die Eltern zukommen können. Zum anderen, weil sie dann bereits über viel Wissen verfügen, sodass sie nicht auf möglicherweise fragwürdige Quellen zurückgreifen müssen.

Ziel der sexuellen Erziehung während der Pubertät ist es, den Jugendlichen ihre Verantwortung vor Augen zu führen: Die eigenen Grenzen sowie die der anderen müssen klar abgesteckt und eingehalten werden. Wichtig sind außerdem praktische Hilfestellungen wie z.B. ein "Pillen-Plan" oder eine "Kondom-Benutzungs-Übung". Auch hier ist Offenheit der Schlüssel, um Kinder vor ungewollter Schwangerschaft, sexuellem Missbrauch oder sexuell übertragbaren Krankheiten zu schützen.

Wie sexuelle Aufklärung am besten funktioniert

Aufklärung sollte keine Einbahnstraße sein: Um herauszufinden, auf welchem Wissens- und Entwicklungsstand die Kinder sind, können die Eltern auf deren Fragen mit Rückfragen reagieren. Nicht selten ergibt sich daraus ein konstruktives Gespräch, mit dem Missverständnisse ausgeräumt und Sachverhalte richtiggestellt werden können. Spezielle Broschüren (BZgA), Apps (Erasmus+-Projekt) oder Internetseiten (loveline.de, queer-lexikon.net) können Eltern helfen, Kinder und Jugendliche altersgerecht und richtig aufzuklären.

Ein elterlicher Vortrag führt bei den Heranwachsenden meist zu Scham und Belustigung, daher sollte sexuelle Aufklärung idealerweise in den Alltag eingebunden stattfinden. Eltern sollten die Fragen der Kinder altersgerecht und wahrheitsgemäß beantworten. Das hilft dabei, dass Kinder das Thema Sexualität nicht tabuisieren, sich ernst genommen fühlen und auch in dieser Hinsicht Vertrauen in die Eltern entwickeln.

Fazit

Die sexuelle Aufklärung ist ein Teil der ganzheitlichen Erziehung. Sie beginnt mit der Geburt des Kindes und endet nach der Pubertät. Neben der Information über Geschlecht, Fortpflanzung und Verhütung umfasst sie auch Themen wie Vertrauen, sexuelle Selbstbestimmung, Verantwortung und Lust an Sexualität.

Für viele Eltern sind derartige Gespräche befremdlich. Die altersgerechte, ehrliche und direkte Aufklärung, welche in einem Dialog erfolgt, ist jedoch die beste Voraussetzung für eine gute Persönlichkeits- und eine normgerechte Geschlechtsentwicklung. Oftmals entstehen Gespräche, wenn Kinder oder Jugendliche Fragen stellen. Haben der Nachwuchs oder die Eltern Hemmungen, können Broschüren, Internetseiten oder Apps helfen. Die sexuelle Aufklärung ist ein Privileg, das sich Eltern nicht durch Medien, Lehrkräfte oder Freunde absprechen lassen sollten.