Gewerkschaft für Prostituierte

Genf: Prostituierte gründen eigene Gewerkschaft - Auch in Österreich notwendig?

In der Schweizer Stadt Genf haben sich 150 Prostituierte zusammengeschlossen, um eine eigene Gewerkschaft zu gründen. Möglicherweise wird die Gewerkschaft, die sich unter anderem gegen Mietwucher und Lohndumping einsetzen will, sogar bald in den Schweizer Gewerkschaftsbund aufgenommen. In Österreich ist es wohl noch lange nicht so weit.

von Prostituierte in einem Wiener Laufhaus in Arbeitskleidung © Bild: Deak Marcus E. / News

Für Renate Blum von der Organisation „LEFÖ“, die sich für die Rechte von Migrantinnen und migrantischen Sexarbeiterinnen einsetzt, ist neben Genf auch Deutschland ein Vorbild für Österreich. Die Dienstleistungsgewerkschaft VERDI engagiert sich dort seit Jahren für die Rechte von Sexarbeiterinnen und hat einige arbeits- und sozialrechtliche Verbesserungen durchgesetzt. In Österreich fühlt sich am ehesten die GPA (Gewerkschaft der Privatangestellten) zuständig, die seit langem versucht, auch prekär Beschäftigte zu organisieren. Die Bemühungen um die Vertretung der Interessen von Sexarbeiterinnen seien, laut Blum, einige Jahre sehr intensiv verfolgt worden und einige Forderungen von „LEFÖ“ auch aufgegriffen worden. Seit einiger Zeit sind diese Bemühungen jedoch wieder eingeschlafen: „Es waren in erster Linie einige engagierte Einzelpersonen, die sich diesem Thema angenommen haben. Seit es diese nicht mehr gibt, ist der Kontakt etwas eingeschlafen.“

Prekäre Arbeitsbedingungen

Die Arbeitsbedingungen in der Sexarbeit sind prekär. Neben dem Dauerthema Menschenhandel, sind Scheinselbständigkeit und das Fehlen einer adäquaten gesetzlichen Absicherung wichtige arbeitsrechtliche Probleme dieser Berufsgruppe. Bis vor kurzem hatten Prostituierte nicht einmal die Möglichkeit ihren Lohn einzuklagen. Da ihr Gewerbe als sittenwidrig angesehen wurde, hatten sie keine Möglichkeit erbrachte Leistungen gesetzlich einzuklagen. Das hat sich erst am 18. April 2012 durch ein neues Höchstgerichts-Erkenntnis geändert. Wie sich die Gesetzesänderung nun auswirken wird, werden erst die kommenden Monate ergeben, erklärte Blum.

In Vorarlberg ist Prostitution bis heute überhaupt verboten. Sie darf nur in bewilligten Bordellen ausgeführt werden und diese gibt es nicht. Die gesamte Sexarbeit findet deshalb im Verborgenen statt. Auch in anderen Bundesländern ist Prostitution nur in Bordellen gestattet, während sie in Wien, Niederösterreich und dem Burgenland zum Teil auch außerhalb dieser Einrichtungen stattfinden darf. Aber wo Prostitution erlaubt ist, kann sie nicht als Gewerbe angemeldet werden. Als „Neue Selbstständigkeit‘“ ist sie laut dem Verein „soph!e - Bildungsraum für Prostituierte“ nicht ausübbar.

Außerhalb des erlaubten Rahmens sind Sexarbeiterinnen häufig mit hohen Verwaltungsstrafen konfrontiert, wenn sie ihrer Arbeit nachgehen.
In den letzten Jahren hat sich der Schwerpunkt der Prostitution zunehmend in den Bereich migrantischer Arbeit verlagert. Für diese kommen neben den Schwierigkeiten des Arbeitsrechtes, noch Probleme mit dem Fremdenrecht hinzu. Etwa 95 Prozent der in Bordellen und am Straßenstrich tätigen Sexdienstleisterinnen sind Migrantinnen. Besonders häufig aus Bulgarien, Rumänien und Ungarn.

Viele Pflichten, wenig Rechte

Wer der Sexarbeit nachgeht, muss zu wöchentlichen Pflichtuntersuchungen erscheinen. In Wien und dem Burgenland müssen sich Sexdienstleisterinnen außerdem persönlich melden. Angestellt können sie als Prostituierte aber nicht werden. Die einzige Möglichkeit zu einer Versicherung zu kommen, ist als Selbständige über die SVA. Das ändert aber nichts daran, dass sie voll steuerpflichtig sind.

Aktuell gilt es vor allem abzuwarten, wie sich das Höchstgerichtserkenntnis, dass Prostitution nicht mehr sittenwidrig ist, auswirken wird. Sollte es in allen arbeitsrechtlichen Bereichen Anwendung finden, dürfte sich die Arbeitssituation von Prostituierten deutlich verbessern. Denn auch ein Zugang zu Krankengeld, zur Arbeitslosenversicherung und anderen Sozialleistungen, für die Sexdienstleisterinnen mit ihren Steuern ja beitragen, wäre dann möglich.

Kaum Nachfrage nach Beratung

Andrea Schober von der GPA stellte klar, dass bislang noch nie Prostituierte die Beratungsstellen der Gewerkschaft für arbeitsrechtliche Beratungen in Anspruch genommen hätten. Zwar würde die GPA prinzipiell auch prekär Beschäftigte und neue Selbständige vertreten und somit auch Prostituierte, aber der Zugang zum Milieu sei ein sehr schwieriger. Schober geht davon aus, dass viele arbeitsrechtliche Probleme innerhalb der Szene geklärt werden und deshalb kaum jemals Hilfe von außen in Anspruch genommen wird. Das Problem sei, dass die Arbeitsbedingungen im Gewerbe insgesamt so schlecht seien, dass die arbeitsrechtlichen Probleme meist die geringsten seien. Eine tatsächliche Selbständigkeit, gebe es nur selten, in Wirklichkeit handelt es sich meist um eine Schein-Selbstständigkeit die häufig von Zuhältern kontrolliert werde.

Allerdings würde die GPA häufig mit Vereinen wie LEFÖ zusammenarbeiten, um gemeinsam an einer Besserstellung von Sexarbeiterinnen zu arbeiten. Wenn sich Sexarbeiterinnen an die GPA wenden würden, könnten sie außerdem sehr wohl behilflich sein. Beispielsweise in der Beratung, bei der Einklagung von vorenthaltenem Lohn, oder in zivil- und arbeitsrechtlichen Prozessen. Renate Blum von LEFÖ betonte, dass es jedenfalls das Ziel sein müsse, eine tatsächliche Selbstständigkeit herbeizuführen. Wofür sich in erster Linie die arbeits- und sozialrechtlichen Probleme verbessern müssten.

Eine eigene Gewerkschaft ist wohl noch weit entfernt, allerdings gibt es bereits diverse Maßnahmen der Selbstorganisation. Auf sexworker.at ist beispielsweise ein Forum aktiv, das Sexdienstleisterinnen über ihre Rechte informiert und den Gedanken- und Ideenaustausch in diesem Bereich fördert. Auch der Verein „LEFÖ“, das Bildungszentrum „soph!e“ und viele andere tragen zu dieser Selbstermächtigung bei.

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