Gibt es eine Seele?

Wir wollen glauben, dass die Seele nach dem Tod weiterlebt. Wie realistisch ist das?

Der Tod ist eine Zumutung. Darum wollen wir gerne glauben, dass wenigstens unsere Seele weiterlebt. Aber gibt's die überhaupt? Und wenn ja, wo ist sie?

von Seele © Bild: istockphoto

Genau 21 Gramm wiegt die Seele. Zu dieser Erkenntnis kam die Wissenschaft Anfang des 20. Jahrhunderts. Der Arzt Duncan MacDougall hatte damals in den USA Sterbende auf die Waage gelegt. Der erste Mann, der dem Experiment zugestimmt hatte, ein Tuberkulosekranker, wurde im Moment seines Hinscheidens genau um diese 21 Gramm leichter. Das musste doch der ersehnte Beweis für die Existenz einer Seele, die nach dem Tod den Körper verlässt und weiterlebt, sein. Doch leider ist diese Zahl zwar anschaulich, hilft auf der Suche nach der Seele aber nicht weiter. Denn spätere Tierversuche kamen zu dem Ergebnis, dass der Körper im Moment des Todes einfach eine bestimmte Menge Wasser verliert. In einem Fall 21 Gramm, manchmal auch mehr oder weniger.

Das Bedürfnis nach Glauben

"Die Gedanken über ein Leben nach dem Tod sind menschheitsalt", sagt der Religionswissenschaftler Adolf Holl. "Schon im alten Ägypten gibt es Darstellungen, in denen der Körper des Toten liegen bleibt und eine Art Vögelchen aus dem Kadaver flattert." Ein Hinweis auf einen Seelenglauben, sagt Holl. "In Ägypten wurden daher unglaubliche Energien aufgewendet, um dem Tod ein Schnippchen zu schlagen." Davon zeugen die Pyramiden und das Tal der Könige. Das Christentum mit Tod und Auferstehung prägte und prägt ebenfalls die Vorstellung der Menschen. Selbst jene, die sich von der Amtskirche abgewendet haben, wollen zumindest daran weiter glauben. "Auf der Soll-Seite des Seelenglaubens steht der Wunsch nach Verlässlichkeit", sagt Holl. "Auf der Haben-Seite reicht es nur für ein ,Da muss es doch etwas geben'. Das ist zwar eine Leerformel, aber dahinter steckt ein Rest von Glaubensbedürfnis."

»Es ist eine unendliche Kränkung für den Menschen ist, dass er sterben muss.«

Warum kann der Mensch das Lebensende nicht akzeptieren? "Weil es eine unendliche Kränkung, Erniedrigung und Gemeinheit für den Menschen ist, dass er sterben muss", sagt Stephan Doering, der Leiter der Klinik für Psychoanalyse und Psychotherapie an der Medizinischen Universität Wien. "Dem kann kein Mensch gleichgültig gegenüberstehen. Das ist eine Grundkonstante unseres Lebens. Je nachdem, wie sicher sich jemand seiner Lebensfreude und seines Lebens ist, beschäftigt ihn die Angst vor dem Nichtmehrdasein. Der Wunsch, dass da noch etwas anderes kommt. Wenn einer mit sich und der Welt im Reinen ist, kann er einen relativen Frieden schließen und sagen: 'Na gut, das Leben ist vorbei.' Wenn vieles ungeklärt bleibt, bei Schuldgefühlen oder Verzweiflung über Versäumtes ist es noch schwerer erträglich, dass es vorbei sein soll."

Berichte aus dem Jenseits

So klammert man sich an alles, was als Hinweis auf eine Seele durchgehen kann. Hoffnung auf ein Jenseits lassen Nahtoderlebnisse aufkommen. Die Berichte von Menschen, die ein solches gehabt haben, ähneln sich. Oft erzählen sie von einem Tunnel, an dessen Ende ein helles Licht auf sie gewartet hätte, von Glücksgefühlen, dem Ablaufen eines Lebensfilms. Manche erinnern sich auch daran, dass sie die Bemühungen der Ärzte, ihr Leben zu retten, beobachten konnten - quasi über sich selbst schwebend. Seelenbeweis oder ein Streich des Bewusstseins? Die Medizinische Universität Wien war in den vergangenen Jahren an einer internationalen Studie beteiligt, bei der Patienten, die nach Herzstillstand wiederbelebt werden mussten, visuellen und akustischen Tests unterzogen wurden, um mögliche Hirnrestfunktionen während des Herzstillstands zu untersuchen. Dabei wurden über Computer Zufallsmuster an Stellen des Raumes generiert, die man vom Bett aus nicht sehen konnte, über sich schwebend aber hätte sehen können.

»Merkwürdig, aber nicht ganz von der Hand zu weisen.«

Roland Beisteiner von der Uniklinik für Neurologie war bei dieser Studie dabei: "Bisher konnte noch in keinem Fall eine Wahrnehmung von objektiv dokumentierten, aber nicht aus der Bettposition erhältlichen Informationen nachgewiesen werden. Dies spricht stark für Störungen der Hirnfunktion bei der Aufgabe, das eigene Körperschema in die Raumumgebung zu integrieren - etwa in Zuständen teilweiser Versorgung des Gehirns mit Sauerstoff während der Reanimation." Er verweist auf Olaf Blanke von der ETH Lausanne, der nachgewiesen hat, dass vergleichbare Eindrücke durch gezielte elektrische Stimulation bestimmter Hirnregionen experimentell hervorrufbar sind. Psychiater Stephan Doering erklärt: "Bei Nahtoderfahrungen dürfte es sich um rein intrapsychische Phänomene handeln, bei denen das Gehirn eben noch nicht ganz tot ist. Wenn jemand einen Herzstillstand hat und nicht mehr atmet, ist das Gehirn eben noch teilweise aktiv." Nahtodähnliche Eindrücke können Menschen laut Doering auch bei traumatischen Erlebnissen haben, in denen keine Lebensgefahr besteht. "Merkwürdig, aber nicht ganz von der Hand zu weisen", nennt Holl solche Berichte.

Spirituelle Dimension der Seele

Wo wäre die Seele im Körper, wenn es sie gibt? "Das ist und bleibt eine Glaubensfrage", sagt Doering. "Es geht ja schon damit los, was man überhaupt als Seele bezeichnet. Der Begriff hat immer diese spirituelle Dimension. Aber auch wenn man den wissenschaftlicheren Begriff der Psyche verwendet, muss man sagen: Die Psyche hat eine andere Qualität als alles, was wir mit den Naturwissenschaften beweisen können. Eigentlich ziehen wir bis heute nur Analogieschlüsse. Wir sehen: Im Hirn ist etwas kaputt, und dann funktioniert eine psychische Funktion nicht mehr. Oder: Die psychische Funktion verändert sich durch die Psychotherapie, und wir können veränderte Hirnaktivität nachweisen. Es gibt sicherlich ein enges Verhältnis der Seele zum Gehirn. Der Trend in der Forschung geht allerdings dahin, zu sagen, dass der ganze Körper im Grunde auch ein Teil des psychischen Erlebens ist. Es verändert sich die Psyche, wenn ich einen Arm oder ein Bein verliere oder eine Frau eine Brust."

Die Grenze der Erkenntnis

Die Frage des Lebens nach dem Tod sei wohl eine, "die wir naturwissenschaftlich nicht beantworten können und es gar nicht versuchen sollten", meint Doering. Er hält es mit dem "naturwissenschaftlichen Glauben" des Philosophen Karl Jaspers. Der sagt, dass wir mit wissenschaftlichen Mitteln bis an eine Grenze kommen können, an der wir erkennen müssen, dass es dahinter Dinge gibt, die wir nicht verstehen. Die Welt hört nicht an der Grenze der Erkenntnis auf. Genau an dieser Grenze rütteln manche Quantenphysiker, die an einen universellen Quantencode glauben, in dem alles, ob lebendig oder tot, eingebunden ist -was für ein Leben nach dem Tod spräche. "Das ist blanker Unsinn", sagt dazu der österreichische Quantenphysiker Anton Zeilinger. Spätestens hier gewinnt der Realitätssinn des Diesseits.

Kommentare

Kann ein Mensch seine Seele beeinflussen ? wenn man von einer guten oder bösen Seele spricht, oder ist die Seele ein vorgegebenes Etwas ? ist sie trainierbar, im weitesten Sinne wie ein Muskel ? alles Fragen die wir nicht beantworten können. Drum lassen wir es wie es ist, es bleibt uns ja nichts anderes übrig.

Lynxx

Man kann auch die Existenz in diesem irdischen Leben als Demütigung und Kränkung ansehen, und daß die Seele den als Käfig empfundenen irdischen Körper nicht bereits vor dessen Ableben verlassen darf. Man sollte auch die Frage danach stellen, was vor diesem irdischen Leben war, wo die Seele war, bevor sie in den Körper des ungeborenen Kindes eingehaucht wurde, anstatt nur die Frage nach dem Danach.

Lynxx
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Die immaterielle Seele wird vom materiellen Körper wie von einem Magnetfeld festgehalten; je mehr der Körper an Energie und Lebensfähigkeit verliert (im Schlaf, bei schwerer Krankheit, im Koma), desto schwächer wird die Bindung der Seele an ihn, und desto freier kann sie sich bewegen. Bei Funktionsunfähigkeit des Körpers wird die Bindung der Seele an ihn abgebrochen.

anitaelli melden

Dieser Gedankengang ist gut nachvollziehbar!

Lynxx
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Irgendwo im Netz ist darüber zu lesen, daß die Existenz einer unsterblichen Seele wissenschaftich erwiesen sei, nämlich durch den Nachweis, daß zwei völlig unterschiedliche Systeme sich gegenseitig beeinflussen können, also kann die immaterielle Seele den materiellen Körper beeinflussen und umgekehrt. ...

neusiedlersee melden

Endlich eine vernüfntige Meinung: Die Seele ist immateriell. Wie auch Gott kein Wesen ist und schon gar nicht einen Namen hat. Seele, Gott und Geist sind Schwingungen, die sich im Universum befinden und sich vermutlich mit unendendlich hoher Geschwindigkeit bewegen. Da das nicht beweisbar ist, kann man dafür auch die Lichtgeschwindigkeit annehmen.






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