"Der Kalte Krieg hat Hochkonjunktur"

Sebastian Kurz über die Ukraine-Krise, den IS-Terrorismus und den Song Contest

Seit rund einem Jahr ist Sebastian Kurz (28/ÖVP) als jüngster Außenminister der Welt im Amt. Seither musste er erleben, "dass der Kalte Krieg, wie wir ihn aus den Geschichtsbüchern kennen, Hochkonjunktur hat". Die Ukraine-Krise sei bedrohlich, weil sie vor der Haustür Österreichs abläuft und das "Blockdenken" fördert. Unmittelbar sei der IS-Terrorismus aber gefährlicher, so Kurz im APA-Gespräch.

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Interview - "Der Kalte Krieg hat Hochkonjunktur"

"Ganz besonders stolz" ist der ÖVP-Jungpolitiker darauf, dass Österreich heuer wieder stärker zum Ort des internationalen Dialogs geworden ist, etwa durch die Iran-Atomgespräche, "die die weltweite Aufmerksamkeit auf Österreich und auf Wien gelenkt haben". Die Austragung des Eurovision Song Contest in Wien sieht Kurz als "große Chance für uns". Er will auch internationale Gäste, darunter die frühere EU-Außenbeauftragte Catherine Ashton, zum Musikevent einladen.

Bei Ihrem Amtsantritt vor einem Jahr machten Sie weltweit Schlagzeilen als jüngster Außenminister. Sie wollten diese zusätzliche Aufmerksamkeit für die österreichischen Anliegen nutzen. Können Sie ein Beispiel dafür nennen, wo Ihnen das gelungen ist? Auf welchen außenpolitischen Erfolg Ihres ersten Amtsjahres sind Sie besonders stolz?
Kurz: Wir haben uns im ersten Jahr neben den unvorhersehbaren Schwerpunkten wie der Ukraine-Krise und dem Kampf gegen den IS-Terror natürlich vor allem auf jene Region fokussiert, die für uns ganz besonders wichtig ist. Das ist der Westbalkan, die Region, mit der wir kulturell, historisch, wirtschaftlich aber auch menschlich am meisten verbunden sind, wo wir starke Interessen haben. Da ist es uns im ersten Jahr sehr gut gelungen, diese Länder auf ihrem Weg in die EU zu begleiten.
Ganz besonders stolz bin ich darauf, dass es uns gelungen ist, Österreich als Ort des Dialogs ein Stück weit stärker zu positionieren als das in der Vergangenheit der Fall war. In diesem einen Jahr ist uns da durchaus etwas gelungen, wenn ich an die Konferenzen gegen Atomwaffen oder für Landlocked Developing Countries denke. Aber natürlich auch an die Iran-Atomverhandlungen, die die weltweite Aufmerksamkeit auf Österreich und auf Wien gelenkt haben.

Wird es im kommenden Jahr ähnliche Initiativen geben?
Kurz: Natürlich, wir sind uns unserer Verantwortung als neutrales Land bewusst. Ich glaube, ein neutrales Land hat da nicht nur besondere Privilegien, sondern auch die Verantwortung, einen Beitrag zu leisten. Nicht nur bei friedenserhaltenden Missionen der UNO zum Beispiel, sondern vor allem auch als Ort des Dialogs und von Verhandlungen. Daher stehen auch kommendes Jahr wieder einige Konferenzen an, die wir nach Wien holen konnten. Und wir haben natürlich auch das Angebot an die Iran-Atomverhandler gestellt, dass wir zur Verfügung stehen, dass die Verhandlungen, die ja fortgesetzt werden, weiterhin in Österreich stattfinden können.

Die Ukraine-Krise und der Kampf gegen den Jihadismus bestimmen die Weltpolitik. Welcher dieser beiden Konflikte ist mittelfristig bedrohlicher für Österreichs Sicherheit?
Kurz: Ich glaube, die beiden Konflikte kann man nicht miteinander vergleichen. In der Ukraine gibt es Gefechtshandlungen, es gibt Separatisten im Kampf gegen das ukrainische Militär. Es ist sicherlich bedrohlich für uns, einen Konflikt in einem Land zu haben, das in unserer Nachbarschaft liegt. Man muss sich vorstellen, die Ukraine ist von Wien ungefähr so weit entfernt wie Vorarlberg. Es ist bedrohlich zu erleben, dass der Kalte Krieg, wie wir ihn aus den Geschichtsbüchern kennen, Hochkonjunktur hat. Dass das Blockdenken zurück ist, und dass sich hier die EU und Russland gegenüberstehen in einem politischen, aber auch darüber hinausgehenden Konflikt. Das ist natürlich etwas, das uns politisch, wirtschaftlich, aber auch in unseren Sicherheitsinteressen prägt.
Die unmittelbare größere Sicherheitsbedrohung sehe ich im Moment aber doch durch den IS-Terror, durch das Konzept des individuellen Jihads, wo jeder Einzelne als Einzeltäter ein Sicherheitsrisiko sein kann. Wir glauben, dass der Krieg im Irak und in Syrien weit entfernt ist, aber wir müssen uns bewusst sein, dass es mehrere Tausend "Foreign Terrorist Fighters" gibt, die sich aus Europa den Terroristen im Irak und in Syrien angeschlossen haben. Die dort vergewaltigen, morden und versuchen, religiöse Minderheiten auszulöschen, die teilweise aber nach Europa zurückkehren wollen.
Jeder Einzelne, der hier nicht verhaftet wird, jeder Einzelne, der es schafft, unbemerkt zurück zu kommen, ist ein massives Sicherheitsrisiko für unsere EU und auch für uns in Österreich. Wir sind da keine "Insel der Seligen".

Österreich hat auch versucht, im Ukraine-Konflikt zu vermitteln. War es nicht weltfremd, der Ukraine inmitten eines Krieges die Neutralität schmackhaft machen zu wollen?
Kurz: Es ist eine souveräne Entscheidung der Ukraine, in welche Richtung sie sich dann entwickeln möchte. Aber es ist durchaus legitim eine Meinung zu haben, und die haben wir. Wenn sich die Ukraine für die Neutralität interessiert und uns um Expertise bittet, dann ist es auch durchaus legitim, dass wir Neutralitätsexperten in die Ukraine schicken und hier beratend zur Seite stehen.
Zu unserer Meinung stehe ich zu 100 Prozent und die kann gerne kritisiert werden. Ich bin überzeugt davon, wir haben nichts davon, wenn in der Ukraine mit der NATO geliebäugelt wird, obwohl klar ist, dass es keine NATO-Perspektive für die Ukraine im Moment gibt. Es mag sein, dass Russland wenig Interesse daran hat, dass sich Länder wie die Ukraine in unmittelbarer Nachbarschaft Russlands wirtschaftlich, politisch, positiv entwickeln und vielleicht ein Kontrast und Erfolgsbeispiel zu Russland sein können.
Da gibt es aber meiner Meinung nach keinen Verhandlungsspielraum. Wenn sich ein Land für Freiheit, Rechtstaatlichkeit und Demokratie entscheidet, dann ist das aus unserer Sicht der richtige Weg, und der ist zu 100 Prozent zu unterstützen, egal ob Russland das gut findet oder nicht.
Die zweite Frage ist die wirtschaftliche Frage. Es gibt das Konzept der Eurasischen Zollunion und es gibt auf der anderen Seite die Europäische Union. Das sind zwei Blöcke, die sich gegenüber stehen. Und da glaube ich doch, dass wir alle etwas davon haben, wenn man sich auch Gedanken macht, wie man diese Blöcke langfristig auflösen und vielleicht ein Stück weit zusammenführen kann. Wie es gelingen kann, dass es kein Entweder-Oder gibt für die Ukraine, für Georgien und Moldau. Wie es gelingen kann, dass diese Länder sowohl näher an die Europäische Union rücken, gleichzeitig aber auch wirtschaftlich mit Russland kooperieren.
Der dritte Bereich ist ein sicherheitspolitischer Bereich. Und das ist die Frage, wie entwickelt sich die Ukraine, hat sie eine Perspektive in der NATO oder nicht. Und da gibt es klare Interessen Russlands.

2015 wird der 60. Jahrestag der Unterzeichnung des Staatsvertrags gefeiert. Wollen Sie dazu die Außenminister der vier Signatarstaaten nach Wien einladen?

Kurz:
Wir werden das ordentlich feiern, nicht nur mit einem Rückblick, sondern natürlich auch mit einem Ausblick, wo die Reise für Österreich weiter hingehen soll. Es ist nicht daran gedacht, unbedingt die Außenminister einzuladen, sondern wir werden das in einer modernen Art und Weise thematisieren. Und wir wollen vor allem die österreichische Bevölkerung erreichen. Ich glaube, 60 Jahre, das ist ein Jubiläum, wo man sich mit seiner Geschichte und seiner Zukunft auseinandersetzen sollte.
Darüber hinaus wird 2015 für uns ein sehr intensives Jahr werden. Ich werde das Jahr mit einer Reise in einige Länder des Westbalkans starten, um unsere große Westbalkan-Konferenz am 27. August vorzubereiten.
Darüber hinaus haben wir - Gott sei Dank - Ende des Jahres 2014 den Zuschlag bekommen für den OSZE-Vorsitz im Jahr 2017. Eine Organisation, die insbesondere aufgrund der Ukraine-Krise wieder in den Mittelpunkt des Geschehens gerückt ist. Hier werden wir natürlich ab dem nächsten Jahr auf Hochtouren unsere Vorsitztätigkeit im Jahr 2017 vorzubereiten beginnen.

Wien wird kommendes Jahr den Eurovision Song Contest austragen. Welche Aktivitäten plant das Außenministerium in diesem Zusammenhang? Wie gefällt es Ihnen, dass Conchita Wurst zum Aushängeschild für ein weltoffenes Österreich geworden ist? Ist dieses Image überhaupt berechtigt?
Kurz: Also, wenn wir in Österreich nicht weltoffen sind, dann sind wir definitiv auf dem falschen Weg. Wir sind ein kleines Land. Wir leben vom Export. Wir sind eine Tourismusnation. Insofern setzen wir uns natürlich im Integrationsbereich, aber auch in unserer Arbeit im Außenministerium dafür ein, Österreich ein Stück weit weltoffener zu machen.
Da gibt's meiner Meinung nach ganz viele Facetten. Toleranz in dem Bereich, in dem Conchita Wurst tätig ist, ist einer davon. Dass wir den Song Contest gewonnen haben, freut mich, glaub ich so wie jeden anderen Österreicher auch. Und dass der Song Contest in Wien stattfinden wird, ist natürlich eine große Chance für uns.
Wir unterstützen den ORF mit unseren Botschaften überall, wo uns das möglich ist. Einerseits im Kontakt mit den teilnehmenden Ländern, andererseits aber natürlich auch in der Bewerbung des Song Contest in den Ländern, in denen wir mit unseren Botschaften vertreten sind. Wir haben natürlich auch Gäste eingeladen zum Song Contest. Unter anderem wird zum Beispiel Catherine Ashton, die ehemalige Hohe Repräsentantin der Europäischen Union und jetzt nach wie vor Verhandlerin mit dem Iran, beim Song Contest teilnehmen. Und das freut uns natürlich sehr.

Kommentare

christian95 melden

Vor der EU wurde unser Steuergeld im eigenen Land investiert und damit Arbeitsplätze und Wohlstand geschaffen. Heute schicken wir es nach Brüssel, zu den Schuldenländern und auf dem Balkan (Hypo). Das Heer ist kaputt, Polizeistationen werden geschlossen, die Pensionen sind unsicher, haben Rekordfarbeitslosigkeit, oftmals können nicht einmal die Schulen saniert werden.
2/3 haben JA zur EU gesagt

christian95 melden

Welche "Vorteile" wir durch die EU haben verschweigen uns solche Typen.
Denn sämtliche dieser angeblichen "Vorteile" hat die Schweiz ohne EU auch. Die Schweiz steht wirtschaftlich viel besser da, hat weniger Arbeitslose und haben auch noch eine niedrigere Steuerquote....

Dieser Selbstdarsteller spricht von Erfolgen!!! Wie dumm muss man sein für solche Aussagen??? Hat noch Null für Österreich geleistet!!!Wozu sein Monstewrgehalt??? Steuernverschwender dazu!!!

Mcintosh52 melden

Der Idiot meint wir haben nur Vorteile durch die EU...
wo lebt der wahnsinnige ?

christian95 melden

Für Hahn, Fischler & Co (alle ÖVP) brachte die EU schon Vorteile.

Der Bubi macht schon wieder den Mund auf. Was er erreicht hat ist das alle nach Österreich schmarotzen kommen. Es kostet unser Geld. Aber das er etwas bewegt davon ist er so weit weg wie wir vom Mond. Rücktrittsreif !!!!

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