Schlepper-Schiffe versenken?

EU-Pläne stoßen im betroffenen Land auf Skepsis und Ablehnung

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Flüchtlinge - Schlepper-Schiffe versenken?

Zunächst einmal will die EU versuchen, sich mit Satelliten, Aufklärungsschiffen, Flugzeugen oder Drohnen ein möglichst genaues Bild von der Lage an der libyschen Küste zu verschaffen. Dabei könnten auch Mobiltelefone und andere Kommunikationsmittel der Schlepper abgehört werden. Im nächsten Schritt will die EU dann die von Menschenschmugglern genutzten Boote beschlagnahmen oder sogar zerstören. Damit würde ihr Geschäftsmodell angegriffen.

"Keine gute Idee"

"Keine gute Idee", meinte der UNO-Botschafter der international anerkannten libyschen Regierung, Ibrahim al-Dabashi, am vergangenen Freitag gegenüber dem US-amerikanischen Journal "Foreign Policy". "Es wird sehr schwierig sein, Fischerboote und Schmugglerboote voneinander zu unterscheiden. Für die Fischer könnte das katastrophal werden."

Wo will die EU zugreifen?

Militäreinsätze könnte es gegen Schiffe geben, die auf hoher See fahren, aber auch gegen solche, die direkt an der Küste Libyens unterwegs sind, dort ankern oder in Häfen liegen. Über das Bürgerkriegsland werden nach Schätzungen der EU 80 Prozent des illegalen Menschenschmuggels im Mittelmeer organisiert. Im Idealfall werden Schiffe angegriffen, bevor sie Migranten an Bord genommen haben.

Dabei kontrolliert Dabashis Regierung gar nicht die Küsten, von denen aus die Flüchtlingsschiffe in See stechen. Libyen ist derzeit tief gespalten. Die eher weltliche, international anerkannte Regierung sitzt weit im Osten, in Tobruk und Al-Bayda. Im Westen mit den Hauptschmuggelhäfen Sabratha, Zuwara und Al-Khums haben diverse Milizen das Sagen. Sie sind mit der islamistischen Gegenregierung in der Hauptstadt Tripolis verbunden.

Der Diplomat des Tobruk-Kabinetts artikuliert allerdings eine Stimmung, die für die Bürger aller Landesteile charakteristisch zu sein scheint. "Das zeigt nur, wie diese EU-Politiker auf die Souveränität unseres Landes pfeifen", meint etwa der 35-jährige Hassan Al-Kib aus Tripolis. "Die Aktion wird ihnen außer hohen Kosten nichts bringen", fügt er hinzu.

"Koordinator" für Schmuggeloperationen

Der 39-jährige Murad al-Zuwari arbeitet als sogenannter "Koordinator" für Schmuggeloperationen in Zuwara, 90 Kilometer westlich von Tripolis. "Da gibt es Menschen mit ganz verschiedenen Aufgaben", erklärt er den komplexen organisatorischen Hintergrund dieses Geschäfts. "Der eine wirbt die 'Kunden' an, die nach Europa wollen. Ein anderer vermietet sein küstennahes Landwirtschaftsgebäude als temporäres Quartier. Und dann ist da der Typ, der die Strippen zieht, der das Geld einsammelt und dann am Tag X sagt: 'Das Boot ist bereit, geht zum Strand!'"

So läuft es ab

Meist steigen die Flüchtlinge in Schlauchboote, die sie zu einem weiter draußen vor Anker liegenden Schiff bringen. Häufig hat es der Schlepper-Chef Fischern abgekauft. In seiner Kalkulation ist der Kaufpreis ein Abschreibposten. Er geht von vornherein davon aus, dass der Kahn bei der Aktion verloren geht.

Sinken der Schiffe einkalkuliert

Das Sinken der heillos überfüllten Schiffe ist zynischerweise einkalkuliert. Denn es erhöht den Druck auf die italienische Küstenwache, die Flüchtlinge zu retten, um nicht erneut eine Katastrophe mit 800 Toten wie im Vormonat hinnehmen zu müssen. Sinkt ein Schiff nicht, treibt es nach der Rettung der Flüchtlinge auf dem offenen Meer. Beauftragte des Schlepperrings holen es bei Gelegenheit zurück nach Libyen. Es kann dann noch einmal verwendet werden und zusätzlichen Profit für die Schlepper abwerfen.

Die Drahtzieher dieses schmutzigen Geschäfts wären idealerweise das Ziel kühner Zugriffsaktionen von Militärkommandos williger EU-Staaten. Schlafen sie unruhig seit dem Bekanntwerden der EU-Pläne? Zuwari lacht auf. "Das sind Menschen mit grausamen Herzen", kontert er. "Sie lassen sich nicht von ihrem Treiben abbringen, so lange jemand bereit ist, dafür viel Geld zu bezahlen."

Kommentare

higgs70
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Es ist und bleibt Unfug. Wenn sich an den Gründen der Flucht nichts ändert, werden sie trotzdem kommen, irgendein Weg findet sich. Man hat, zumindest was Afrika betrifft, ein halbes Jahrhundert weggesehen und jetzt kumulierts. Und wenn wir die Probleme nicht bald vor Ort angehen, werd ma halt alle miteinander im Chaos versinken. Entwicklungshilfe rettet Menschenleben, unter Umständen auch das eigene, aber wir ziehen lieber Mauern hoch bis wir nicht mehr handlungsfähig sind.
Die, die da flüchten können nichts dafür, die ignoranten Idioten sitzen auf unserer Seite des Zauns und wer nichts abgeben will wird alles verlieren, ist aber nicht in die Schädel reinzukriegen.
Entweder wir helfen denen im eigenen Land oder sie kommen uns besuchen, that´s it.

Ivoir
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Ich bin jedenfalls überzeugt, mit "Schifferl versenken" wird das Problem nicht gelöst. Die Kriterien und Förderungen für Entwicklungshilfe werden nach jeder Wahl geändert und bestehende Projekte sind dem Verfall geweiht. Durch diese dauernde Umstrukturierungen werden die Hilfen von den Betroffenen nicht mehr ernst genommen.

Ivoir
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Das System ausnutzen soviel und solange es geht hat sich deswegen bei den Hilfesuchenden breit gemacht. Nachhaltigkeit hat an Bedeutung verloren. Kaum ein Projekt wird bis zum letztendlichen Erfolg begleitet. Führen wir nun also Krieg gegen die Flüchtlinge und lamentieren gegen die Vertreiber. Eine Gewissenserforschung täte allen einmal ganz gut.

Ivoir
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Würden wir für die Schaffung besserer Lebensbedingungen in den betroffenen Ländern die gleichen Stärken aufwenden wie für die Aversion gegenüber Flüchtlingen würden sich viele wieder glücklich auf den Heimweg machen. Aber wir müssen diesen Menschen auch zeigen, daß wir es wirklich damit ehrlich meinen.

higgs70
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So ist es. Aber bis jetzt hat man Entwicklungshilfe wohl mit Wirtschaftsinvestitionen für sich selbst verwechselt. Und dann solls auch noch Staaten geben ( man weiß wer gemeint ist), die die Studiengebühren für ausländiische Studenten exorbitant erhöhen, das dann selbst großzügig erlegen und es in die Quote der Entwicklungshilfe einrechnen. Jämmerlich wenns mich fragen.
Und mit dem Rest der Entwicklungshilfe ists halt auch oft so, man fördert was einen fördert.

Und zwei Sachen sind auch nicht zu vergessen. Erstens, der Kolonialismus hat gewachsene Strukturen vernichtet und idiotische Grenzen gezogen und Afrika wurde z.T. mit Systemen zurückgelassen, die nicht Fisch und nicht Fleisch sind. Zweitens ist dieses Zeitalter nur dem Namen nach vorbei, denn sowohl Europäer, als auch Amis und Chinesen machen nach wie vor Einfluss zum eigenen Nutzen geltend (Rohstoffe!) und nicht wenige korrupte Politiker werden von Industriestaaten gestützt.

Und m.E. ließe es sich am Besten lösen wenn jeder Industriestaat ein seiner Größe entsprechendes "Entwicklungsland" schultert für dessen Wohl und Wehe er verantwortlich ist. Das Ganze wäre zeitlich limitiert, auf Partnerschaft aufgebaut und würde ermöglichen, Spezialisten im Lande auszubilden, die dann in einem schleichenden Prozess selbst in Positionen hineinwachsen. Und gerade vor kleineren westlichen Staaten hätte man wohl kaum irgendwelche Ängste. Überdies wäre es auch im Geberland leichter zu erklären, denn wenn wir eine höhere Alphabetisierungsrate in "unserem" Entwicklungsland hätten als etwa die Schweizer in "ihrem", ist der sportlich-patriotische Effekt einmal sinnvoll eingesetzt.
Ist aber nur eine private Vorstellung, da gibts sicher noch bessere Ansätze.
Auf jeden Fall kann ich meine Verantwortung in einer Welt,in der alle fünf Sekunden ein Kind verhungert, leider nicht so aufs Lokale beschränken wie ich möchte, auch Unterlassung kann Schuld bedeuten. Und mit hungernden Kindern wanderte ich auch.

christian95 melden

Wie wollen die Bonzen aus Brüssel "Schlepperboote" und "keine Schlepperboote" unterscheiden. Bald werden sie eine weitere Vorschrift erlassen, jedes Boot muss gekennzeichnet sein "Wir sind Schlepper" oder "Wir sind keine Schlepper". Und unser junger Außenminister ist sofort mit lobenden Worten dabei....

Nudlsupp melden

Typisch blauer Parteilemming. Immer gegen alles. Kommen Flüchtlinge, sind Sie dagegen. Sucht man Wege den Flüchtlingsstrom einzudämmen, sind Sie natürlich auch dagegen. Das erinnert mich an die Verwaltungsreform, die HC seit Jahren predigt. Steiermark hat einen mutigen Schritt in die richtige Richtung gemacht. Wer war dagegen, natürlich die F. Lächerlicher geht es ja echt nicht mehr.....

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...und diese Politik möchte Sie, daß gewählt wird. Also von großem Sachverstand zeugt das wahrlich nicht.

Eloy melden

@Nudlsupp: SIE verstehen das nicht. Als alle für Beitrittsverhandlungen mit der Türkei waren, war das Genie Haider dagegen, als dann viele dagegen waren war das Genie Haider plötzlich dafür.
Wir haben das politische Genie dieses einzigartigen Politikers nicht erkannt. Aber vielleicht schickt der Herrgott uns einen weiteren Messias der uns durch das Tal der Finsternis geleitet.

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Ja, der Jörgerl, Gott hab in Selig, hat ja Diktatoren-Clans wie die Gadaffis zu seinen persönlichen Freunden gezählt. Da war noch nix mit Daham statt Islam. Da war bei ihm der Islam daham :-) Aber von diesen Genies gibt es mehr. Wie z.B.: unser toller HC, der seit Jahren mit der Verwaltungsreform die Welt retten will, und wenn sie wie in der Steiermark dann umgesetzt wird,....

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dann sieht er es plötzlich doch wieder anders. Sagenhaft finde ich, wieviele bildungsfremde blaue Parteilemminge es immer noch in diesem Land gibt, die das nicht mal ansatzweise durchschauen.

christian95 melden

Geht´s noch?
Unsere Politiker überschlagen sich mit der suche nach Unterkünften für diese armen Menschen. Die Bonzen aus Brüssel wollen nun sogar Flüchtlingsschiffe versenken???

christian95 melden

Man stelle sich vor einen so unmenschlichen Vorschlag hätte die FPÖ gemacht. Da wäre was los - aber nicht nur in Österreich, sondern in ganz Europa!
Wenn aber so etwas vom konservativen Junker & Co kommt wird so etwas schweigen zur Kenntnis genommen!!!

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Es gibt einen kleinen Unterschied. Alle außer der F. denen das wertlose Menschenmaterial nichts wert ist, versenken die Schiffe natürlich ohne die Flüchtlinge drauf. Bei den blauen Parteilemmingen wäre ich mir da nicht mehr so sicher.

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