Schlaganfall: Architekt Harry Seidler im Alter von 82 Jahren in Australien gestorben

Emigrierter Österreicher hatte Büro in Sydney Größtes Anliegen war sozialer Wohnbau

Schlaganfall: Architekt Harry Seidler im Alter von 82 Jahren in Australien gestorben

Der am 25. Juni 1923 in Wien geborene Sohn eines Textilfabrikanten emigrierte 1938 mit seiner Familie zunächst nach England. 1949 eröffnete er ein Architekturbüro in Sydney und wurde zu einem der bekanntesten Architekten Australiens. Seidler war unter anderem Schüler von Walter Gropius, Marcel Breuer und Joseph Albers. Sein erstes in Sydney realisiertes Gebäude gilt heute als Markstein, mit dem die moderne Architektur in Australien Einzug hielt. Er baute zahlreiche Hochhäuser für die Skyline von Sydney. Für Wien baute er erst in den 1990er Jahren und entwarf unter anderem den "Wohnpark Neue Donau" und das "Hochhaus Neue Donau". Seidlers großes Anliegen war der soziale Wohnbau.

Seidlers Frau Penelope würdigte den verstorbenen Architekten als "passionierten Australier", dessen "Genie international gewürdigt wurde". Seidler sei ein "liebender Mann und Vater gewesen und wird sehr vermisst werden". Als "großen Verlust für Australien" bezeichnete der Gründer und Präsident des australischen Architekten-Verbands, Glenn Murcutt, den Tod von Harry Seidler. "Harry führte die Kunst in die Architektur ein", meinte Murcutt im australischen Rundfunk, "sein Tod bedeutet beinahe das Ende einer bemerkenswerten Ära in diesem Land."

Als "Meister der Moderne", der bei den besten der Welt gelernt hatte, würdigte der Präsident des Royal Australian Institute of Architects, Bob Nation, den Verstorbenen. "Als Pionier und Fürsprecher der Moderne übte er einen signifikanten Einfluss auf die Architektur und Architekten Australiens aus." "Mit Harry Seidler verliert die Architekturwelt einen ihrer Großen, um den vor allem auch Wien trauert", sagte der Wiener Planungsstadtrat Rudi Schicker (S).

Nicht immer beliebt waren Seidlers Bauten in Australien: Gleich sein erstes gebautes Haus in Sydney löste vor mehr als fünfzig Jahren eine Welle von Protesten aus. Heute ist das Gebäude, ein Museum im Besitz der Stiftung für historische Häuser von New South Wales, ein Markstein. Auch der "Blues Point Tower", ein Apartement-Block in Sydneys Hafen, war umstritten. Dennoch wurde er mit seinem am Bauhaus geschulten Bauten zu einem der berühmtesten Architekten Australiens.

An Ruhestand hat Seidler auch in hohem Alter nie gedacht. "Pension ist ein Fremdwort für mich", meinte er. "Mein Standard ist mein ehemaliger Chef Oscar Niemeyer, der arbeitet noch mit 96 wie der Teufel". Architektur müsse mit den technologischen Errungenschaft der Zeit gehen, sagte Seidler. Die Architektur der Postmoderne war ihm ein Dorn im Auge, und überhaupt "ist Mode ein Feind der Architektur". Sein großes Anliegen war der soziale Wohnbau: "Der ist in Wien wirklich vorbildlich, das wissen die Wiener aber leider oft nicht zu schätzen."

2003, zu seinem 80er, erschien das Buch "The Grand Tour. Reise um die Welt mit dem Blick des Architekten", das er auch in Wien präsentierte. Und im Vorjahr wartete seine Heimat Australien mit einer skurrilen Überraschung auf: Da kam Seidler drauf, dass Australien ihn in den 1980ern versehentlich wieder ausgebürgert hatte. Zur Begründung verwiesen die Behörden darauf, dass ihm damals ehrenhalber die österreichische Staatsbürgerschaft wieder verliehen wurde, die ihm zuvor von den Nazis entzogen worden war. Die Entscheidung der Ausbürgerung wurde rückgängig gemacht. Seidler war Träger des höchsten Grades des australischen Verdienstordens. (apa/red)