Salzburger Festspiele: "Jedermann"-Premiere

Puppen, Tanz und Maskerade. Buhlschaft mit dem Rad gestürzt.

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    Fotoprobe des Schauspiels "Jedermann"

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Das britisch-amerikanische Regieduo Julian Crouch und Brian Mertes hat die zweite Auflage ihres Mysterienspiels von Hugo von Hofmannsthal in leicht überarbeiteter Version auf die nächtliche Bühne vor dem Dom gebracht. Und der Vorjahreserfolg scheint sich fortzusetzen. Die ästhetisch eher biedere und mit wohlüberlegtem Pathos ausgestattete Inszenierung, die kraftvollen Bilder, die Masken, die Tanzeinlagen, die intensiv ins Geschehen verwickelte Livemusik und nicht zu letzt die in vielen Rollen überzeugende Besetzung beeindrucken heuer nicht weniger. Diese Regie hat sich von der Arbeit des Vorgängers Christian Stück endgültig emanzipiert, obwohl sie dramaturgisch durchaus noch ein paar Längen hat und an ein paar Stellen mehr Tempo vertragen könnte. Das Premierenpublikum war trotzdem begeistert, der Applaus herzlich und berührt.

Crouch und Mertes haben den Spielcharakter des "Jedermann" betont. Sie lassen das Stück mit einem Umzug vor dem Festspielhaus beginnen und ebenso enden. Man wandert also mit dem Ensemble Richtung Domplatz, um sich dort belehren zu lassen. Über die Untreue Guter Gesellen (Patrick Güldenberg berührt nicht), über dicke und dünne Vettern (virtuos komödiantisch: Hannes Flaschberger und Stephan Kreiss) und die Unberechenbarkeit des Mammon (sehr stark: Jürgen Tarrach als Geld scheißender Grobian). Und die Allgegenwart des Todes (hager, gnadenlos und sprachgewaltig: Peter Lohmeyer), der Jedermann vor den Richter führt.

Obonyas "Jedermann"

In der Hauptrolle auch heuer Cornelius Obonya. Er gibt den reichen Mann ohne Zynismus, ohne Genusssucht und ohne Brutalität. Obonyas "Jedermann" ist eine realistische, alltägliche Figur. Ein Mann in den besten Jahren, dem Reichtum und der Macht verfallen, gegenüber seiner super-erotischen Buhlschaft aber unsicher, fast nervös. Obonya trug an vielen Stellen ein wenig zu dick auf und wirkte nicht wirklich locker. Eine Spur weniger von allem täte diesem "Jedermann" gut. Andererseits: Obonya füllte die Figur des "Jedermann" hervorragend, wo es um Zweifel, Angst und Veränderung geht.

Auch "Buhlschaft" Brigitte Hobmeier ging aufs Ganze. Lasziv, selbstbewusst, frei und sexy sind ihre Bühnenattribute. Ihr Kleid ist feurig rot, und Kostümbildnerin Olivera Gajic hat heuer auf den "Nackt-Effekt" verzichtet. Strapse an gespreizten Beinen gibt es dennoch zu sehen, nicht einmal ein außerplanmäßiger Sturz mit dem Fahrrad hat die Schauspielerin bremsen können - eine Schrecksekunde.

Emotionaler Höhepunkt

Emotionaler Höhepunkt dieser katholischen Sterbe- und Läuterungsshow ist die Szene der guten "Werke". Grandios wie Sarah Victoria Frick mit einer mageren Puppe spielt als wäre es ihr eigener, durch "Jedermanns" Ignoranz verkümmerter Körper. Dabei setzt Frick nicht auf den üblichen, hochdramatischen Schwächezustand, sondern auf Witz, mädchenhafte Koketterie und liebevolle Zuversicht. "Teufel" Simon Schwarz, der zu Recht nicht versteht, warum er "Jedermanns" Seele nicht kriegt, klettert vergebens auf Fassaden, flucht, sprüht Feuer und verkrümelt sich am Ende amüsant in die Unterwelt.

Farbloser Fritz Egger als Schuldknecht

Bleiben ein grobschlächtiger und doch farbloser Fritz Egger als Schuldknecht, eine tadellose Katharina Stemberger als dessen "Weib", eine nette, artige Julia Gschnitzer als "Jedermanns Mutter", eine laute, wilde "Köchin" Sigrid Maria Schnückel, ein unscheinbarer Johannes Silberschneider als "armer Nachbar", ein sprachlich nicht besonders deutlicher Hans Peter Hallwachs als "Glaube" und die 13-jährige Florentina Rucker als "Gott". Und das Ensemble 013.

Die Einbeziehung der Musik ins dramaturgische Geschehen ist im Salzburger "Jedermann" exemplarisch geglückt. Elf Salzburger Musiker spielen in Kostümen auf der Bühne, gehen und fühlen mit, wild jazzig, sanft und lyrisch, klangmalerisch verspielt oder zum Tanzen, Blödeln und Akklamieren. Die Kompositionen stammen überwiegend von Martin Lowe und Ko-Regisseur Julian Crouch, die den theatralisch guten, bildhaft starken und emotional passagenweise intensiven Salzburger "Jedermann" damit auch musikalisch zu einem Ereignis machen.

Weitere Infos

"Jedermann" von Hugo von Hofmannsthal. Premiere der Wiederaufnahme bei den Salzburger Festspiele auf dem Bühne vor dem Salzburger Dom. Regie: Brian Mertes und Julian Crouch. Bühne, Masken, Puppen und einige der Kompositionen: Julian Crouch. Kostüme: Olivera Gajic, Choreografie: Jesse J. Perez. Mit Cornelius Obonya als Jedermann, Brigitte Hobmeier als Buhlschaft, Peter Lohmeyer als Tod, Simon Schwarz als Teufel, Patrick Güldenberg als Guter Gesell, Jürgen Tarrach als Mammon, Sarah Victoria Frick als Werke, Hans Peter Hallwachs als Glaube, Fritz Egger als Schuldknecht, Katharina Stemberger als Schuldknechts Weib, Julia Gschnitzer als Jedermanns Mutter, Sigrid Maria Schnückel als Köchin, Johannes Silberschneider als armer Nachbar, Hans Peter Hallwachs als Glaube und Florentina Rucker als Gott. Es musiziert das Ensemble 013. Bis zum 29. August wird das Stück insgesamt 14 Mal gegeben, Karten gibt es noch für den 20., 22. und 27. Juli, sowie für den 3., 6. und 25. August. www.salzburgfestival.at.

Buchtipp: Kürzlich ist eine aktualisierte Neuauflage eines 2001 erschienenen Buches über die Geschichte der Salzburger "Jedermann"-Inszenierungen erschienen. Andres Müry: "Jedermann darf nicht sterben", Verlag Anton Pustet, 224 Seiten, zahlreiche Fotos, 22 Euro)

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