"Così fan tutte": Ein
wahres Festspielwunder

Ein fulminantes Ensemble und eine brillante Dirigentin schreiben mit einer Pandemie-bedingt reduzierten Fassung der Daponte-Oper Salzburger Festspielgeschichte.

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Salzburger Festspiele - "Così fan tutte": Ein
wahres Festspielwunder

Diese Produktion von Mozarts „Così fan tutte“ bei den Salzburger Festspielen ist ein Wunder. Dafür gibt es mehrere Gründe: erstens, weil sie überhaupt stattfinden konnte, denn bis Ende Mai war es Corona-bedingt ungewiss, ob es die 100. Ausgabe der Festspiele überhaupt geben kann. Als das geklärt war, erarbeiteten die Dirigentin Joana Mallwitz und der Regisseur Christof Loy eine auf 140 Minuten klug gekürzte Fassung der drei Stunden währenden Daponte-Oper. Denn wegen der Sicherheitsmaßnahmen darf es in diesem Festspielsommer bei den Aufführungen keine Pausen geben.

Das eigentliche Wunder aber manifestiert sich in der Aufführung selbst. Loy verlegt die Geschichte von zwei jungen Paaren aus dem Neapel des 18. Jahrhunderts in eine unbestimmte Zeit. Johannes Leiacker hat mit seiner weißen Bühne ein schlichtes, aber passendes Ambiente geschaffen. Eine Wand mit zwei Flügeltüren und eine Treppe, die direkt zum Orchester führt, bieten das ideale Experimentierfeld für den betagten Don Alfonso. Der fordert zwei junge Offiziere auf, die Treue ihrer Partnerinnen zu testen. Die jungen Männer geben vor, in den Krieg zu ziehen, verschaffen sich aber mithilfe von Don Alfonso und Despina, dem Hausmädchen, Zutritt ins Haus der beiden jungen Frauen. Sie geben sich als wohlhabende Ausländer aus, die bereit wären, für die Liebe in den Tod zu gehen. Loy gibt sich nicht damit ab, die beiden jungen Männer mit Bärten oder wie oft bei der „Così“ üblich mit anderen dümmlichen Verkleidungen unkenntlich zu machen, sondern setzt auf die Fantasie des Publikums, eine kluge Personenführung und zurecht auf sein erstklassiges Ensemble. Wer dieses hört und meint, es gäbe heute keine Chance auf ein Mozart-Ensemble, irrt.

Elsa Dreisig ist eine Fiordiligi wie aus dem Bilderbuch. Da fehlt nichts: sie singt mit Ausdruck, artikuliert präzise und hat auch darstellerisch nicht wenig vorzuweisen. Ihre Arie „Per Pietà“ ist ein Ereignis, virtuos dabei das Solo-Horn. Marianne Crebassa zeigt die Doraballa mit wohldosierter Intensität, Andrè Schuen triumphiert mit seinem wohlklingenden Bassbariton und überzeugt auch als Darsteller. Bogdan Volkov komplettiert als Ferrando mit seiner präzisen Stimmführung achtbar. Johannes Martin Kränzle ist ein glaubwürdiger Don Alfonso. Lea Desandre setzt als Despina auf Zurückhaltung. Die gekürzte Fassung funktioniert, manche scharfe Schnitte geben dem gesamten einen gewissen Esprit. Zum Beispiel, wenn Despina die Melancholie des „Soave sia il vento“ jäh mit dem Geklapper eines Topfs unterbricht.

Ein weiteres Argument, diese Produktion ein Wunder zu nennen, liefert Dirigentin Joana Mallwitz. Sie macht jede Diskussion über Originalklang obsolet und demonstriert mit den Wiener Philharmonikern wie atemberaubend Mozart auch ohne die Rauheit alter Instrumente klingen kann. Sie setzt auf kristalline Transparenz und scharfe Akzentuierungen. Wenn am Ende die Paare einander wieder in alter Ordnung gegenüberstehen, artikuliert sich deren Verstörung in der Musik. Das schmerzt, das überwältigt. Bei dieser Aufführung geht es nicht mehr darum, dass nach monatelangem Lockdown gespielt wird, sondern um das Wie. So schreibt man Festspielgeschichte.