Salzburger Festspiele:
Die unbekannte Buhlschaft

Miriam Fussenegger übernimmt die prominenteste Nicht-Rolle der Theatergeschichte

Die Schlagzeilen - und solche trägt ein Ereignis dieser Beschaffenheit in Österreich allemal - waren von eher diagnostischer als euphorischer Beschaffenheit. "Die Buhlschaft, die keiner kennt", las man, als im Jänner die traditionell diskutierteste Nichtigkeit des Theaterjahrs verlautbart wurde.

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Leben - Salzburger Festspiele:
Die unbekannte Buhlschaft

"I denk ma, des stimmt ja. Wieso soll i mi dann drüber ärgern?", weist die Schauspielerin Miriam Fussenegger sich aufdrängende Vermutungen von sich. Sie ist Oberösterreicherin, 25 Jahre alt und seit einem halben Jahr quasi auf Verdacht eine sehr prominente Person. In wenigen Wochen könnte sich diese Prominenz zur Bürde auswachsen: Die Buhlschaft ist eine Art First Lady der Salzburger Festspiele, auch was ihren operativen Anteil am jährlichen "Jedermann" betrifft. Aus den knapp 30 Sätzen etwas wie eine Rolle zu formen, ist ein kühnes Ansinnen an das eigene Talent. Das Anforderungsprofil schien lange festgeschrieben: Die Buhlschaft hatte möglichst prominent zu sein und unter gellenden Schreien über eine marmorne Treppe zu entweichen, ohne dabei ihre medienpräsente Robe in Unordnung zu bringen.

»Das Schicksal hat mich für diese Rolle vorgeschlagen, da konnte ich nicht widerstehen«

Nun aber verpasste der Salzburger Intendant und Schauspielchef Sven-Eric Bechtolf seinen zahlreichen Widersachern im Feuilleton eine vertrackte Rechercheaufgabe: Wer ist Miriam Fussenegger? Gewiss, man hat sie bei den vorjährigen Festspielen schon in der zweiten Reihe der "Dreigroschenoper" gesehen. Doch die Kritik war derart damit ausgelastet, sich über die Operettenästhetik des Gebotenen zu entsetzen, dass es für die gesangssichere Lucy kaum zur Erwähnung reichte. Sie habe schon eine Zeit lang überlegt, die Buhlschaft anzunehmen. "Wie geh ich mit der medialen Aufmerksamkeit um? Ich bin ja mal gespannt, ob sich meine Erwartungen mit denen der Öffentlichkeit decken. Aber das Schicksal hat mich für diese Rolle vorgeschlagen, da konnte ich nicht widerstehen", sagt sie in manierismenfreiem Oberösterreichisch. "Und eines ist klar: Wenn man das in diesem Alter angeboten bekommt, nimmt man es an. Mit dem konfrontier ich mich, und jetzt mach i des."

"Scheues Reh und Urkraft"

"Ich habe keine Sorgen um sie", sagt die Burgschauspielerin Regina Fritsch, ihre Lehrerin am Reinhardt-Seminar. "Sie ist zu bodenständig, als dass ihr das Ganze schaden könnte." Die junge Dame aus der 3800-Einwohner-Gemeinde Luftenberg im Unteren Mühlviertel war in schönem Rohzustand ans Seminar gekommen. Die Künste zählten nicht viel in der Informatikerfamilie, die Tochter folgte durch Zufall einer Volksschulfreundin an ein musisches Gymnasium in Linz. Dort debütierte sie mit zehn Jahren in der Rolle eines alten Mannes, "und da bin ich draufgekommen, dass ich eine kleine Rampensau bin".

Sie wusste die Aura zarter Urwüchsigkeit zu kultivieren. "Sie macht es sich nicht leicht und hinterfragt sich ständig", sagt Regina Fritsch. "Sie hat zwei Seelen. Einerseits ist sie ein scheues Reh, andererseits eine eruptive Urkraft der Sonderklasse."

"Die Regina hat mir beigebracht, dass man auf der Bühne sein und atmen muss, das ist das Schwierigste und Leichteste zugleich", sagt Miriam Fussenegger, die sich als "Fan vom subtilen Ton" deklariert, aber auch ein Faible für den Klamauk einbekennt. Ehe sie der ihr über Umwege bekannte Schauspieler Michael Rotschopf für die Salzburger "Dreigroschenoper" empfahl, entfaltete sich die Karriere an abgelegenen Nebenschauplätzen. Sie spielte Ödön von Horváth im Kulturhaus Bruckmühle und den früh verstorbenen Radikalpoeten Werner Schwab in einem Musterhaus des Eigenheimcenters "Blaue Lagune". Am kleinen Wiener Kosmos-Theater erinnert man sich an einen mehrere Rollen umfassenden Auftritt in Katja Brunners Radikaldrama "Die Hölle ist auch nur eine Sauna": Mit fulminanter Stimmwucht habe die fragile Person einen Punk-Porno-Song gestemmt und sei die Beste des Abends gewesen. Dazu kamen Aufgaben in "Soko Donau" und im oberösterreichischen Landkrimi "Der Tote am Teich", dessen Regisseur Nikolaus Leytner ihre instinktsichere Kamerapräsenz rühmt.

Spiel vom Ende der Liebe

Davon zur Buhlschaft beim Elitefestival umzuschalten, ist eine Herausforderung. "Man muss an die Rolle mit Ernst herangehen, aber das Aufsehen, das darum gemacht wird, steht in keinem Verhältnis zur Größe und ist ein Nebenprodukt. Diese Haltung werde ich transportieren", sagt sie und wendet sich der Gestalt zu. Von der Buhlschaft werde erwartet, dass sie, wie bei einer indischen Witwenverbrennung, dem Millionär Jedermann in den Tod folgt.

"Sie ist das Opfer des Klischees von der flatterhaften Frau, die sich nach dem nächsten betuchten Mann umschaut. Aber eher geht es um etwas Zeitloses: wie Liebe funktioniert und endet und dass Liebe, Streit und Trennung nebeneinander existieren können. Das kennen wir doch alle", sagt die Schauspielerin, die in einer festen Beziehung lebt. Und ja, sie sei aufgeregt. "Gleichzeitig versuche ich mir immer wieder zu sagen, dass es halt viel Illusion ist, eine große Inszenierung, aber auch ein großes Spiel." Und das lässt sich in 30 Sätzen darstellen? "Sag i halt amal ja", antwortet Miriam Fussenegger.

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