Rot bis in den Tod

Julia Ortner über zwei recht unterschiedliche Sozialdemokraten und ihre Karrieren nach der Politik

von Julia Ortner © Bild: News/Ian Ehm

Alfred Gusenbauer wollte keine Uniform. Für den jungen SJ-Linken waren die beliebten Blauhemden aus der DDR in den Achtzigerjahren zu sehr Revolution. „Der Wille, sich durch das Aussehen vom Bürgertum zu unterscheiden, ist kleinbürgerlicher Linksradikalismus“, dozierte Gusenbauer damals gerne, erzählte sein Weggefährte Alois Reisenbichler einmal im „Profil“. Umgelegt auf Verhaltensweisen könnte man sagen: Auch den Willen, sich durch die berufliche Tätigkeit vom Bürgertum zu unterscheiden, hat der Ex-SPÖ-Chef hinter sich gelassen – nun wurde bekannt, dass er Aufsichtsratschef des Glücksspielkonzerns Novomatic wird.

Ein Linker mitten in der umstrittenen Branche, das regt viele auf. Auch wenn man beim erfolgreichen Berater und Lobbyisten Gusenbauer nicht originär sozialdemokratische Tätigkeitsbereiche gewohnt sein müsste, er berät nicht nur Bau- oder Immobilienbranche, sondern auch den autoritären kasachischen Präsidenten Nursultan Nasarbajew. Was darf ein Sozialdemokrat nach der Politik machen? Die großen Geschäfte, egal mit wem oder was?

Der Rote Gusenbauer trägt einen großen Widerspruch in sich: Er kommt von unten, er hat sich durch Partei und Bildung hochgearbeitet, er ist ein Ideologe mit viel theoretischem Hintergrund aus den Werken Karl Marx’ oder Otto Bauers. Er weiß, was im Kontext seines Denkens richtig und falsch, passend und unpassend ist. Wer an den „neuen Menschen“ geglaubt und soziale Gerechtigkeit vertreten hat, kann das nicht stimmig mit Tätigkeiten in Branchen oder für Politiker vereinen, die mit dem sozialdemokratischen Menschenbild null zu tun haben – leider, das geht sich nicht aus. Egal, ob der harte Abschied von der Politik oder die Enttäuschung über undankbare Genossen Gusenbauers Metamorphose mitbedingt haben mögen.

Doch auch ein anderes Modell Sozialdemokrat hat jetzt einen neuen Job und viele ätzen: Nur geschoben, typisch Versorgungsposten! Josef Ostermayer, bis Mai Kanzleramtsminister, wird einer von vier Vorständen der Sozialbau AG, das ist Österreichs größter privater Bauträger, mit SPÖ-Nähe.

Anders als Gusenbauer war Ostermayer nie ein großer Ideologe oder linker Prediger. Er agierte über Jahre als pragmatischer Stratege und Problemlöser des Kabinetts Faymann. Vor seiner Regierungszeit war er Geschäftsführer des Wohnfonds Wien, davor leitender Jurist in der Mietervereinigung. Dass Ostermayer ein fähiger Manager ist, gesteht ihm selbst die politische Konkurrenz zu – auch im Wohnbaubereich, wo er sich auskennt.

Und ganz ehrlich: Wer Werner Faymann acht Jahre lang durch die Stürme des Kanzlerlebens gelotst hat, der hat was drauf und ist nicht auf einen Versorgungsposten angewiesen.

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