Die größten Vatikan-Skandale

Welche bedeutenden Affären bisher den Heiligen Stuhl erschüttert haben

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Rom - Die größten Vatikan-Skandale

1. Der Mafia-Skandal

Bereits Ende der 1970er Jahre gab es einen Mafia-Finanzskandal, in den unter anderem die Vatikanbank IOR (Istituto per le Opere di Religione) verwickelt war. Der Mafia-Rechtsanwalt Michele Sindona und der Generalmanager der Banco Ambrosiano, Roberto Calvi, sollen mit Hilfe des Ex-IOR-Direktors und Erzbischofs Paul Casimir Marcinkus Gelder unterschlagen und für die Mafia gewaschen haben. Außerdem sollen Millionenbeträge in die Schweiz und auf die Bahamas transferiert worden sein. Calvi hat am 18. Juni 1982 in der City of London Suizid begangen. Ermittlungen haben später bestätigt, dass Mafia-Geld über IOR-Konten gewaschen wurde.

Doch die genauen Hintergründe dieser Affäre sind bis heute nicht ganz geklärt.

2. Der Enimont-Skandal

Ende der 2000er stand das IOR erneut unfreiwillig im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit. Der ehemalige Vatikan-Finanzexperte Monsignore Renato Dardozzi, der den Skandal um die Banco Ambrosiano untersucht hatte, hinterließ dem Enthüllungsjournalisten Gianluigi Nuzzi nach seinem Tod Tausende Geheimdokumente, die er über die Jahre in die Schweiz geschmuggelt hatte. Nuzzi wertete die Akten aus und veröffentlichte 2009 sein Buch "Vatikan AG", das zum Bestseller wurde.

Basierend auf den Geheimdokumenten Dardozzis zeichnete Nuzzi ein Sittenbild des IOR in den neunziger Jahren aus Geldwäsche, Schmiergeldern und geheimen Nummernkonten, die angeblich unter anderem 60 Millionen Euro des siebenmaligen Ex-Staatspräsidenten Giulio Andreotti von der ehemaligen katholischen Volkspartei Democrazia Cristiana enthielten. Bedeutendster Fall des Komplexes war der des Unternehmens "Enimont", von dem aus Bestechungsgelder an praktisch alle damaligen Spitzenpolitiker geflossen war. Die Vatikanbank wusch die Gelder dabei über ein kompliziertes Stiftungssystem weiß. Der damalige Präsident der Vatikanbank, Angelo Caloia, musste nach den Enthüllungen nach über zwanzig Jahren an der Spitze der "Weißen Finanz" seinen Posten räumen.

Im September 2010 beschlagnahmte die italienische Finanzpolizei 23 Millionen Euro von einem IOR-Konto und leitete gegen Caloias Nachfolger Ettore Gotti Tedeschi Ermittlungen wegen Geldwäsche ein, die aber im März 2014 endgültig eingestellt wurden.

3. Sexueller Missbrauch in der Kirche

Das wohl größte Skandalthema, das den Vatikan bereits seit den 90er-Jahren in regelmäßigen Abständen mit neuen Enthüllungen heimsucht, ist der Komplex des sexuellen Missbrauchs. Jahrzehntelang wurden Minderjährige von Priestern, Ordensmitgliedern und Angestellten katholischer Einrichtungen im großen Stil missbraucht, die Zahl der Opfer wird weltweit auf über 100.000 geschätzt.

Die ersten Fälle wurden in den Neunzigern in Irland und den USA bekannt, 1995 kam die Affäre auch in Österreich an. Kardinal Hans Hermann Groer musste wegen Missbrauchsvorwürfen zurücktreten, die 1998 schließlich auch kirchlich als zutreffend bestätigt wurden. In den vergangenen Jahren wurden weitere Fälle quer durchs Land bekannt, mit die größte Aufmerksamkeit bekamen Übergriffe im Internat des Privatgymnasiums des Klosters Mehrerau in Vorarlberg und des Stiftsgymnasiums Kremsmünster in Oberösterreich.

Im Jänner 2014 wurden Vertreter des Vatikans sogar erstmals vor den Kinderrechtsausschuss der Vereinten Nationen zitiert, um sich zu rechtfertigen.

4. Der Vatikan und die Homosexualität

Nach außen hin hat Homosexualität in der Kirche keinen Platz - und unter den ohnehin zölibatär lebenden Priestern und sonstigen geistlichen Würdenträgern schon überhaupt nicht. Doch die Praxis ist eine andere: Im Herbst 2013 musste Papst Franziskus gar die Existenz einer regelrechten "Homo-Lobby" im Vatikan eingestehen.

Es gibt im Kirchenstaat also Seilschaften schwuler Geistlicher, die sich gegenseitig protegieren - und Gerüchten zufolge sogar für den Rücktritt Papst Benedikts XVI. mitverantwortlich sein sollen. Zuvor war die Existenz einer solchen Seilschaft jahrelang vehement bestritten worden.

Anfang Oktober diesen Jahres outete sich schließlich der erste ranghohe Priester als homosexuell. "Ich bin glücklich, schwul zu sein", gab Krzysztof Olaf Charamsa zu Protokoll. Das wäre schon bei einem gewöhnlichen Priester ein Skandal gewesen, bei Charamsa greift der Begriff jedoch zu kurz. Der Pole ist nicht nur Mitglied der Glaubenskongregation, sondern auch Theologie-Professor an der päpstlichen Universität Gregoriana. Noch nie zuvor hatte sich ein so hochrangiger Geistlicher geoutet.

5. Der Vatileaks-Skandal

Von 2011 bis 2012 hat der päpstliche Kammerdiener Paolo Gabriele vertrauliche Vatikan-Dokumente an die Medien weitergegeben - vor allem an Nuzzi. Dabei ging es um Vorwürfe der Korruption und der Günstlingswirtschaft im Vatikan sowie Kritik an der IOR.

Gabriele ist schließlich aufgrund der Weitergabe der Dokumente am 6. Oktober 2012 von einem vatikanischen Gericht zu 18 Monaten Haft verurteilt worden. Nuzzi hatte die Dokumente zuvor in seinem Enthüllungsbuch "Seine Heiligkeit" veröffentlicht. Das Buch berichtete von heftigen Machtkämpfen an der Kirchenspitze, sogar von einem Mordkomplott gegen den Papst, sowie von düsteren Geldwäsche-Geschäften der Vatikanbank IOR. Als die Dokumente veröffentlicht wurden, spekulierten Beobachter, innervatikanische Flügelkämpfe seien die wahre Ursache für den Vertrauensbruch gewesen. Nuzzis Buch hatte weltweit für Schlagzeilen gesorgt.

6. Der neue Vatileaks-Skandal

Anfang November 2015 hat es im Zuge einer Affäre um entwendete Dokumente zwei Festnahmen gegeben.Der spanische Prälat Lucio Angel Vallejo Balda und die 2013 von Papst ernannte Vatikanberaterin Francesca Chaouqui sollen den italienischen Enthüllungsjournalisten Gianluigi Nuzzi und Emiliano Fittipaldi geheime Dokumente über Finanzmissstände im Vatikan zugespielt haben. Den Verdächtigen drohen nun bis zu acht Jahre Haft.

Die beiden Enthüllungsjournalisten haben, basierend auf den geleakten Dokumenten, jeweils ein Buch veröffentlicht. In den Büchern geht es um die Misswirtschaft und Intransparenz bei den vatikanischen Finanzen. "In diesem Buch erzähle ich von Franziskus Kreuzweg bei der Umsetzung von Reformen in der Kurie. Das Buch enthüllt die dramatische Lage, die Jorge Mario Bergoglio von Josef Ratzinger geerbt hat, eine Situation, die mit obskuren Geschäften, Privilegien und Missbrauch zu tun hat. Bücher, die mit unbestreitbaren Dokumenten Wahrheiten erzählen, werden befürchtet", sagte Nuzzi im Interview mit der Tageszeitung "Il Fatto Quotidiano".

Auch der Journalist Emiliano Fittipaldi prangert in seinem neuen Werk "Avarizia" (Geiz) die Finanzmissstände im Vatikan an. Riesige Reichtümer, Verschwendungen, Benefizgelder, die nicht für Arme verwendet werden, sondern auf Konten angesammelt oder für Ausgaben der Kurienmitglieder verschwendet werden - darüber schreibt der Journalist in seinem Buch.

Kommentare

Oberon
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Tatsache ist, die kath. Kirche hinkt hinter der Zeit her, eine Modernisierung ist dringend nötig.
* Homosexualität. Darauf extra(!) stolz zu sein, wie der sich geoutete polnische hochrangige Geistliche klingt für mich so, als müsse er es sich beweisen, dass er normal ist. Jeder ist so, wie er ist und eine
Erklärung ist daher unnötig und unglaubwürdig!
* sexueller Missbrauch in der Kirche. ...

Oberon
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... Wäre ich nicht schon sehr lange aus der Kirche ausgetreten,
spätestens nach Bekanntwerden dieses Skandals hätte ich es getan. Daher - "schwarze Schafe" unter der Priesterschaft aus der Kirche entfernen und nicht, wie so oft, in entlegene Gegenden des Landes verweisen.
Mit ihrer oft angewandten Vertuschungstaktik hat sich die kath. Kirche keinen Gefallen getan, aber da drauf zu kommen, ....

Oberon
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... bedarf es Einsicht.
Wie viele Skandale kann und will sich die kath. Kirche noch leisten?

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