„Rigoletto“ an Wiener Staatsoper:
Skandale mit glücklichem Ausgang

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Bühne - „Rigoletto“ an Wiener Staatsoper:
Skandale mit glücklichem Ausgang

Tatsächlich sind an diesem vor allem außerkünstlerisch dramatischen Premierenabend sogar zwei Skandale zu vermerken: Der erste, ernstere betrifft den insgesamt fade und unsensibel agierenden Dirigenten Myung-Whun Chung. Nicht nur, dass er den großartigen, aber hörbar erkrankten Titeldarsteller Simon Keenlyside in der heiklen „Cortigiani“-Arie in Forte-Exzesse hetzte, die sich alsbald verheerend auswirkten. Als sich dann zu Ende des zweiten Aktes im fordernden Duett mit Gilda die Folgen zeigten und Keenlyside die Bühne verlassen musste, unterbrach Chung nicht etwa, sondern nötigte den vom Virus und dem Dirigenten Bezwungenen, für qualvolle stimmlose Minuten auf die Szene zurückzukehren. Den zweiten Skandal generierten zwei Buh-Rufer, die Keenlyside für seinen löwenmutigen Einsatz auch noch mit Missfallensbekundungen tangierten (Anmerkung des Verfassers: In meiner Stehplatzzeit hätten sie am Rand der handgreiflichen Zurechtweisung gebuht).

© Michael Poehn

Auf der Bühne entwickelte sich die lang erwartete Premiere von Verdis „Rigoletto“ nicht annähernd so fesselnd. Dem unerheblichen Dirigat stand Pierre Audis ebensolche Inszenierung gegenüber. In allerlei halbmodernistischem Gerümpel (Christof Hetzer) – die desolaten Umgangsformen am Hof von Mantua werden mittels Verlegung auf eine Art Müllhalde suggeriert – finden die nämlichen Altbackenheiten statt, die man schon anlässlich der letzten, vorletzten und vorvorletzten „Rigoletto“-Inszenierung erduldet hat: Gilda (schönstimmig und ausdrucksvoll: Erin Morley) ringt die Hände und dreht die Augen gen Himmel; Piotr Beczalas fabulöser Herzog, hier als schmuddeliger Schlurf maskiert, mimt den Draufgänger; Maddalena (schätzenswert: Elena Maximova) präsentiert den linken Oberschenkel wie praktisch jede Rollenvorgängerin seit der Uraufführung; nur Ryan Speedo Greens Sparafucile ist stimmlich und auratisch derart belanglos, dass die Standesvertretung der Meuchelmörder gegen diesen Exponenten einschreiten müsste.

© Michael Poehn

Keenlyside schließlich, der schon die Haupt- und die Generalprobe abgesagt hatte, bewegte und begeisterte ungeachtet seiner hörbaren Beeinträchtigung einneunzehntel Akte lang. Den dritten Akt übernahm – souverän, stimmmächtig und habituell ein idealer Falstaff – der Italiener Paolo Rumetz, dem dafür stürmische Ovationen gebühren.

(Heinz Sichrovsky)

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