Vom Flugzeug aus sieht man, warum Marrakesch auch "die rote Stadt" genannt wird. Einfache, rote Lehmbauten prägen das Stadtbild, wie Champignons wachsen jetzt auch Satellitenschüsseln auf den flachen Dächern.
Nicht nur rot, sondern bunt sahen die Hippies Mitte der Sechziger Jahre ihr damaliges Mekka: Für sie war es die "Stadt der vier Farben": blau der Himmel, weiß die schneebedeckten Berggipfel, rot die Mauern der mittelalterlichen Befestigungsanlagen - und grün der früher üppig wachsende Palmenhain. Unter den Blumenkindern erlebte die marokkanische Stadt ihre touristische Blütezeit: Bob Dylan, Cat Stevens, Yves Saint Laurent, Mick Jagger – sie waren alle dort und aßen Couscous, rauchten Gras und bummelten durch die Souks, die orientalischen Basare.
Mitte der Siebziger Jahre machte der "alte", konservative König Hassan II. dem "unsittlichen" Benehmen der Hippies ein Ende und verschärfte die Einreisebedingungen. Heute, unter dem Regime von dessen Sohn, König Mohammed VI., ist der Tourismus weiterhin schwach, auch wenn wieder zahlreiche Busse – meist aus Agadir – Reisende zum berühmten Platz Djemaa el Fna bringen.
Die "sanfte Revolution": Zu Besuch bei Künstlern
Die Angst vor dem Regime ist in Marrakesch deutlich zu spüren, selbst für politisch wenig affine Besucher des Landes. Die Menschen sind zwar vordergründig freundlich, die Sehnsucht nach dem Ende der Fremdbestimmtheit aber teilweise in aller Deutlichkeit zu spüren.
Die wenigen geduldeten Künstler des Landes, wie Mahi Binebine, versuchen dieser brodelnden Stimmung Ausdruck zu verleihen, ohne dabei beim König in Ungnade zu fallen. Binebine ist einer der berühmtesten Schriftsteller und Maler Marokkos. Sein Bruder Aziz verbrachte eine lange Zeit im Gefängnis - er war am gescheiterten Putschversuch von Skhirat 1971 beteiligt
Wenn Binebine über den Staat spricht, gefrieren die freundlichen Lachfalten um seine Augen, das Blitzen in seinen Augen wird stärker und die Ironie in seinen Antworten macht es schwierig festzustellen, wann das Gesagte ernst zu nehmen ist.
In seinen Bildern dominieren die Farben Weiß, Rot und Blau – nicht umsonst diejenigen der französischen Flagge. Als Begründung meint der kritische Künstler: "Sehen Sie, Rot und Blau sind wirklich nicht teuer.
" Auch in der Kunst scheint die so genannte "sanfte Revolution" stattzufinden, die Binebine zu beschreiben versucht: "Der wirkliche 'Arabische Frühling' ist, dass wir keine Angst mehr haben.
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Schleier als Frage der Diskretion?
Wir treffen auch die Designerin Nesryn El Maskoune, die uns Einblicke in die Frauenwelt Marrakeschs gibt. "Wenn sich die Frauen scheiden lassen, kommen sie zu mir und lassen sich Ärmel und Röcke kürzen ", schildert die junge, unverschleierte Frau. Unverschleiert ist deshalb wichtig zu erwähnen, weil der Schleier immer noch – oder schon wieder? – zum Stadtbild gehört. El Maskoune beunruhigt das: "Heute gibt es viel mehr Extreme, es gibt wieder mehr Frauen, die verschleiert sind. Ich bin sehr traurig darüber, denn in keinem Extrem ist man glücklich ." Zu ihren Auftraggebern gehören aber auch moderne Frauen, für sie designt sie bisweilen auch Kaftans, die traditionellen Gewänder aus Seide, in der "Mini"-Version, die kurz unterm Knie endet.
"Der Schleier ist eine Frage der Diskretion ", erklärt wiederum Designer M. Hicham Lahlou, "die Frauen möchten keine Eifersucht provozieren ". Damit ist nicht nur die der Männer gemeint, sondern auch die der Geschlechtsgenossinnen. "In Marokko glaubt man an den bösen Blick, der Unglück bringt ."
Später, unterwegs in den Labyrinthen der Souks, ist uns klar, dass man als Tourist Gutes daran tut, nicht an ebensolchen zu glauben. Nicht selten hinterlassen die wütenden Worte eines erfolglosen Händlers einen bitteren Beigeschmack.
Spirituelles Zuhause
Die berühmten Märchen aus Tausendundeine Nacht, die uns aus unserer Kindheit in Erinnerung geblieben sind, werden greifbar, wenn man durch die verwinkelten Gassen Marrakeschs schlendert. Hinter bescheidenen Mauern kann man prunkvolle Riads mit riesigen wunderschön verzierten Sälen und geheimnisvollen Gärten entdecken, die einem den Atem stocken lassen. Und schnell wir einem klar, warum die Blumenkinder von damals in Marrakesch ihr spirituelles Zuhause suchten…
Hoteltipps
Villa des Orangers : Ein sehr zentral gelegenes 5-Sterne-Haus, mit einem traumhaft schönen Hof mit Pool und sehr schönen Zimmern. www.villadesorangers.com
Ksar Char-Bagh: Etwas außerhalb gelegen, ist dieses Ressort ein Geheimtipp, in dem auch Hollywoodstars absteigen. Mit einer zauberhaften Gartenanlage mit Pool. www.ksarcharbagh.com
La Maison Arabe: Hier fühlt man sich wie im Märchen – besonders schön für Hochzeiten und feierliche Anlässe! www.lamaisonarabe.com
Hinkommen:
Die Swiss International Airlines fliegen ab 400 Euro zwei Mal wöchentlich von Wien über Zürich nach Marrakesch bzw. zwei Mal wöchentlich von Wien über Genf nach Marrakesch. Buchbar auf swiss.com und auf www.travel.at. Der Zeitunterschied zu Österreich beträgt minus eine Stunde.