Warum es krank macht,
Dinge aufzuschieben

Deutsche Psychologen haben sich dem Phänomen der Prokrastination gewidmet

Offene Rechnungen bezahlen, die Wohnung oder das Haus putzen, den Kontrolltermin beim Zahnarzt vereinbaren: Unliebsame Aufgaben dieser Art verschiebt doch jeder gerne einmal. Übertreiben sollte man es mit der Prokrastination, so der Fachbegriff für das Aufschieben, jedoch nicht. Verschiedene negative Auswirkungen bis hin zu Arbeitslosigkeit und Krankheit können die Folge sein.

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Dinge aufzuschieben © Bild: © Corbis. All Rights Reserved.

Wissenschaftler der Universität Mainz haben sich dem Phänomen der Prokrastination im Rahmen einer breiten Studie angenommen und dabei unter anderem herausgefunden, dass besonders jüngere Männer dafür anfällig sind, als unangenehm empfundene Aufgaben wieder und wieder vor sich herzuschieben. Schüler und Studenten prokrastinieren dabei deutlich häufiger als ihre in einer Berufsausbildung oder überhaupt schon im Erwerbsleben stehenden Altersgenossen.

Die Konsequenzen werden dabei jedoch kaum bedacht, dabei können sie durchaus ernst sein – und vor allem weit über den stetig größer werdenden Berg unerledigter Aufgaben hinauswachsen. "Die Repräsentativerhebung zeigte, dass Menschen, die Tätigkeiten häufig aufschieben, seltener in Partnerschaften lebten, häufiger arbeitslos waren und über ein geringes Einkommen verfügten", fasst Studienleiter Manfred Beutel die zentralen Ergebnisse zusammen.

Geringere Lebenszufriedenheit

Damit jedoch nicht genug: Laut der im Fachmagazin "PLOSOne" veröffentlichten Erhebung, für die die Forscher 2.527 Personen im Alter von 14 bis 95 Jahren befragten, geht ausgeprägtes Prokrastinieren auch mit Stress, Depression, Angst, Einsamkeit und Erschöpfung einher. Als Fazit dieser Einzelsymptome wiesen die intensiven Aufschieber auch allgemein eine geringere Lebenszufriedenheit auf als diejenigen, die ihre Pflichten eher hinter sich bringen.

Doch wenn sich Prokrastinieren so negativ auf das Wohlbefinden auswirkt, warum tun es die Betroffenen dann trotzdem? Ganz einfach: Weil sich die Konsequenzen erst langfristig zeigen, während einer ungeliebten Pflicht aus dem Weg zu gehen, kurzfristig klarerweise positiv empfunden wird. Außerdem ist Prokrastination laut den Ergebnissen ein erlerntes Verhalten, das unmittelbar durch die Vermeidung unangenehmer Tätigkeiten verstärkt wird. Zusätzlich werden die Ersatz-Tätigkeiten häufig unmittelbar positiv wahrgenommen, ob es nun Fernsehen ist, Freunde treffen oder auch Sport.

Fehlende Struktur, fehlende Sicherheit

Aber nicht nur diese persönlichen Faktoren bringen einen Menschen zum Prokrastinieren, auch die häufig fehlende fixe Struktur während eines Studiums kann ihren Teil beitragen. Und schließlich ist auch das Verschwinden von in der Familie erlernten, vermeintlich simplen Sicherheiten wie der Planbarkeit des kommenden Erwerbslebens nicht außer Acht zu lassen.

Behandelt werden kann fortgeschrittenes Prokrastinieren häufig nur mehr in einer Klinik. Studienleiter Beutel und sein Team haben dafür auch ein spezielles Behandlungsangebot entwickelt. "Im stationären Rahmen und der damit verbundenen Struktur dienen aufeinander abgestimmte einzel- und gruppentherapeutische Behandlungselemente der Überwindung der Prokrastination und damit verbundenen, oft tiefgreifenden Entwicklungsblockaden", erklärt der Therapeut seinen Ansatz. Dadurch könne der Teufelskreis aus Aufschieben, Vermeidung, Versagensgefühlen, Erschöpfung und Depression aufgearbeitet werden.

Kommentare

Oberon
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"....warum tun es die Betroffenen dann trotzdem?" Ich denke, umgekehrt wird ein Schuh draus. Wem es schlecht geht, wer depressive Verstimmungen hat oder sich sonst schwach fühlt, dem mangelt es auch an Antrieb, irgendwas zu tun. Auch wenn er weiß, dass es wichtig ist und - eigentlich - erledigt gehört.
Meiner Meinung nach ist die Krankheit schon vorher da, dann erst kommt die.........

Oberon
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.... Reaktion darauf. Aber ich bin kein Psychologe... ist nur ein bisschen Einfühlungsvermögen.

Natürlich gibt's auch Leute, die schon immer nachlässig in ihrer Lebensführung waren. Daran wird sich im Erwachsenenalter wohl nichts mehr ändern.

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