Jugend egal

Schreckt der Umgang mit Lena Schilling den Nachwuchs ab, in die Politik zu gehen? Es ist schwer belegbar. Sicher ist, dass Parteien selbst sehr viel Schaden anrichten.

von Politische Analyse - Jugend egal © Bild: Privat

ANALYSE

Wenn eine 17-Jährige sähe, wie Medien über Lena Schilling berichten, werde sie sich nicht mehr politisch engagieren wollen, meint die Grünen-Abgeordnete Sibylle Hamann. Tatsächlich? In Äußerungen vieler Vertreter der Ökopartei schwingt diese Botschaft mit. Ob es so ist, ist schwer belegbar. Belastbare Daten lassen jedoch den Schluss zu, dass Jungen die Lust auf Politik längst vergangen ist. Und dass Politik selbst dazu beiträgt.

Wie die Grünen mit Lena Schilling und den Vorwürfen umgegangen sind, sie habe Unwahrheiten über ehemalige Bekannte und Journalisten verbreitet, wird in ihren eigenen Reihen kritisch gesehen. Die Äußerung von Parteichef Werner Kogler, bei den Geschichten handle es sich um "Gefurze", hat den Wirbel und damit auch den Druck auf Schilling vergrößert. Er hat sie daher selbst bedauert. Signal an Junge: Sie holen dich zwar im Wissen, dass du vielleicht angreifbar bist, schützen dich im Falle des Falles aber nicht, sondern machen die Sache schlimmer.

Das leitet über zu einem grundsätzlichen Problem: Junge werden von Parteien nicht so sehr in die erste Reihe gestellt, um ihre Anliegen zu hören und sie gerne auch aufmüpfig sein zu lassen, sondern vor allem, um durch sie ein bisschen jünger zu wirken. Im Alltag haben sie sich "Message Control" zu unterwerfen. Ein Ergebnis davon ist, dass es mehr Karrieristen als Leute in die Politik zieht, die aus Überzeugung für etwas kämpfen.

Die Entfremdung zwischen Parteien und Jungen ist groß. ÖVP und FPÖ erklären Asyl und Integration zu den größten Herausforderungen. Die SPÖ legt den Fokus darauf, bei Sozialem bewahrend zu wirken. Die Jungen sehen jedoch bei Zukunftsfragen von Klima über Pflege bis Bildung Handlungs- wie Reformbedarf. Das hat die Ö3-Jugendstudie bestätigt. Grüne, die sich zumindest ums Klima kümmern, haben sich hier am wenigsten vorzuwerfen. Auch ihnen macht jedoch zu schaffen, dass nur 14 Prozent der Jungen finden, dass ihre Anliegen von der Politik gut vertreten werden: Sie können sich nicht durchsetzen.

Die Tendenzen sind verhängnisvoll: Selbst mit dem damals 33-jährigen Sebastian Kurz hat die ÖVP bei der Nationalratswahl 2019 eher Ältere als Jüngere angesprochen. Das zeigt, dass es nicht auf die Person, sondern auf den Inhalt ankommt. Wichtiger: Für seine Partei gibt es rein strategisch kaum einen Grund, das zu korrigieren: Der Anteil der Jungen sinkt, sie sind nicht wahlentscheidend.

Und so entwickeln sie eben ihre eignen Formen, sich politisch zu engagieren. Die relativ meisten, nämlich 42 Prozent, halten es für wirkungsvoll, sich in sozialen Medien zu positionieren – nicht wählen zu gehen oder bei einer Partei mitzumachen.

BERICHT

Klimapolitik: Bereitschaft schwindet

Die Grünen werden im Nationalratswahlkampf darauf hinweisen können, im Rahmen der Regierungsbeteiligung die CO2-Bepreisung durchgesetzt zu haben. Allein: Sie ist kaum spürbar. Zunächst wurde Diesel um neun Cent pro Liter teurer und Benzin um 8,2 Cent. Das war 2022. Seither geht es von Jahr zu Jahr leicht nach oben. Noch handelt es sich um nicht einmal das Doppelte, also weit weniger als 20 Cent. Bei den großen Preisschwankungen, die es an den Tankstellen seit geraumer Zeit gibt, fällt das nicht auf. Vor allem aber erhält der durchschnittliche Haushalt durch den ebenfalls steigenden Klimabonus noch länger mehr ausbezahlt als ihn die Bepreisung kostet. Dabei sollte dieser Bonus vor allem ein Ausgleich sein, der hilft, die Belastung zu bewältigen.

Das "Institut für Höhere Studien" (IHS) ist nach einer Untersuchung zum Schluss gekommen, dass es notwendig wäre, die CO2-Bepreisung "stark anzuheben", damit ein größerer Lenkungseffekt damit einhergeht und auf Verbrennungsmotoren verzichtet wird. Voraussetzung dafür wäre "politischer Wille und darüber hinaus gesellschaftlicher Mut", so die Autoren: Aufgrund von bereits jetzt häufiger werdenden Extremwetterereignisse und klimakrisenbedingter Schäden wäre es jedoch "kurzsichtig und riskant", davon abzusehen.

Nichts spricht dafür, dass das ankommt. In Zeiten multipler Krisen und Herausforderungen schwindet jegliche Bereitschaft zu Reformen. Nach der kommenden Nationalratswahl wird es im Hohen Haus keine Mehrheit für ambitionierte Klimapolitik geben. Schon die bestehende CO2-Bepreisung wird von SPÖ und FPÖ abgelehnt. Und in der ÖVP hadert man damit, sich in einer Phase der Stärke unter Sebastian Kurz mit den Grünen darauf eingelassen zu haben. Unterm Strich gilt die Maßnahme trotz Ausgleichs als unpopulär.

ZAHL

Keine 50 Prozent für ein starkes EU-Parlament

Sehr viele Österreicher scheinen schon auf den ersten bundesweiten Urnengang zu warten, um durch eine Stimme für eine bestimmte Partei ein Signal setzen zu können. Seit 2019 hat es keinen mehr gegeben. Seither ist viel geschehen, hat sich auch innenpolitisch einiges aufgestaut, was raus muss. Das ist eine Erklärung dafür, dass die Wahlbereitschaft im Hinblick auf die EU-Wahl am 9. Juni groß ist. Anders formuliert: Es ist nicht nur auf ein Bedürfnis zurückzuführen, europapolitisch mitzureden.

Das kann man so sagen, weil die Aufmerksamkeit, die den meisten Spitzenkandidaten geschenkt wird, überschaubar und ihr Bekanntheitsgrad denn auch bescheiden ist. Fast die Hälfte der Wähler kennen sie nicht, stellte der TV-Sender "Puls 24" ein Monat vor dem Urnengang fest. Einzig Lena Schilling (Grüne) hat es in die Schlagzeilen geschafft, und das unfreiwillig, aufgrund der Vorwürfe, die gegen sie erhoben werden.

Bezeichnend ist außerdem, dass die Wählerschaft alles in allem mit dem begrenzten Einfluss leben kann, den das Europäische Parlament hat. So kann es keine Gesetzesinitiativen setzen. Laut jüngster Eurobarometer-Befragung wollen nur 43 Prozent der Österreicher, dass ihm eine größere Rolle zukommt. Ganze 32 Prozent wünschen sich gar eine noch kleinere Rolle. Der Rest sieht keinen Änderungsbedarf. Jüngere sind eher für eine Stärkung, Ältere für eine Schwächung.

Das deckt sich mit den Vorstellungen davon, was die EU sein soll. Zugespitzt formuliert: Zu einer staatsähnlichen Union würde ein Parlament mit allen Kompetenzen gehören. Wer hingegen Wert auf nationale Souveränität legt, "muss" das ablehnen, dem geht der Einfluss des Parlaments schon jetzt zu weit. Im europäischen Vergleich ist dieses Lager in Österreich groß. Es wird vor allem durch die FPÖ vertreten.

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Johannes Huber, Journalist und Blogger zur österreichischen Politik, www.diesubstanz.at