Großer und kleiner Pirat

Klar machen zum Ändern ist das Motto der Partei, aber ist sie nicht längst gekentert?

von Piratenpartei Spitzenkandidaten © Bild: APA/GERT EGGENBERGER

NEWS.AT: In Berlin sind die Piraten seit 2011 im Abgeordnetenhaus vertreten. Wie verträgt sich die Idee der Basisdemokratie mit der täglichen Arbeit als Politiker?

Fabio Reinhardt: Wir haben drei verschiedene Möglichkeiten das Feedback der Piraten-Community zu nutzen. Die erste Möglichkeit ist, wenn jemand einen Vorschlag gemacht hat der viel Zustimmung erhält und wir das einfach umsetzen. Zweitere Möglichkeit: Man fragt selbst als Abgeordneter bei der Community nach, weil man sich unsicher ist bezüglich der politischen Entscheidung. Die dritte Variante ist selbst einen Vorschlag einzubringen und zu sehen, ob er eine Mehrheit findet oder Gegenvorschläge kommen, die vielleicht besser sind.

NEWS.AT: Wie geht es den Piraten aktuell in Deutschland? Einerseits sind sie in etlichen Bundesländern in die Abgeordnetenhäuser eingezogen, andererseits wird ja viel von einer Krise ihrer Partei gesprochen…

Reinhardt: Die Partei selbst liegt in Berlin in Umfragen stabil bei sechs bis acht Prozent Zustimmung. Das ist zwar weniger als wir schon hatten, aber die aktuellen Werte sind immer noch das zwei bis dreifache der Bundespartei. Wir spüren den Bundestrend, aber bekommen nicht das Feeedback, dass wir schlechte Arbeit leisten. In Bezug auf die deutschen Bundestagswahlen wird allerdings auch ein sehr gutes Wahlergebnis in Berlin nicht reichen. Aber wir können unseren Teil beitragen. Wir haben beispielsweise den Vorsitz im Ausschuss, der das Desaster um den Berliner Flughafen aufarbeitet. So können wir auf Erfolge verweisen und zeigen, dass wir unsere Ideen auch umsetzen können.

Philip Pacanda
© NEWS.AT/DST Philip Pacanda von der Piratenpartei Österreichs
»Ich gehe in jeden Ausschuss«

NEWS.AT: Herr Pacanda, Sie sind Abgeordneter in Graz - einer von zwei Abgeordneten, welche die Piratenpartei österreichweit stellt. Wobei ihr Kollege in Innsbruck sich ja rasch abgespalten hat, Sie in Graz offensichtlich nicht. Was ist der Unterschied?

Philipp Pacanda: Der große Unterschied ist sicher, dass wir viel mehr Zeit hatten. Wir haben uns seit 2011 auf den Grazer Wahlkampf vorbereitet und hatten somit fast ein Jahr Zeit. Dadurch kannten wir uns besser und hatten auch ein größeres Team, aus dem wir auswählen konnten.

NEWS.AT: Was kann der Pirat aus Deutschland den Kollegen in Österreich beibringen?

Reinhardt: Beibringen gar nichts, aber im Wahlkampf kann ich mit Rat und Tat beistehen und persönlich etwas spenden, um den Wahlkampf zu unterstützen. Außerdem haben wir ja bereits erfolgreiche Wahlkämpfe geführt und können unser Wissen hier weitergeben.

NEWS.AT: Im Grazer Gemeinderat sind Sie der einzige Pirat. Wie ist die tägliche Arbeit als Piraten-Abgeordneter?

Pacanda: Als Abgeordneter bin ich aktuell Besucher in jedem Ausschuss, was eine große Herausforderung ist. Nicht nur wegen der Vielfalt an Ausschüssen, sondern weil der Grazer Gemeinderat darauf nicht ausgerichtet ist und Ausschüsse oft gleichzeitig stattfinden. Aber ich versuche an allen Ausschüssen teilzunehmen. Im Kontrollausschuss bin ich außerdem stimmberechtigt. Dort hätten wir den Vorsitz gefordert, aber die anderen Fraktionen wollten ihn uns nicht geben. Wichtiger ist es aber ohnehin, die Informationen von Bürgern und Bürgerinitiativen in die Ausschüsse hineinzutragen.

» Plötzlich steht man mit einem Mandat da«

NEWS.AT: Gibt es einen Widerspruch zwischen einem Anspruch, die Welt zu verändern, der vielleicht mehr die Basis interessiert, und den oft sehr partikularen Problemen, die im Gemeinderat besprochen werden?

Pacanda: Es gibt sicher nicht die Situation, dass sich für ein Thema gar niemand interessiert. Aber es gibt sehr viele Bürgerinitiativen, die in ihrem Bereich Know-how haben und diese finden bei uns ein sehr gutes Ohr und in Folge auch Sprachrohr für ihre Anliegen.

Reinhardt: Man gründet eine Partei weil man gewisse Vorstellungen hat, wie man die Welt verändern will und plötzlich steht man da und hat ein Mandat. Da fragt man sich natürlich, was man jetzt konkret machen will. Aber wir haben in Berlin schon ein Jahr vor der Wahl begonnen, uns damit zu beschäftigen, wie wir die politische Gestaltung angehen wollen. Dadurch gelingt es uns sehr konsensual unsere politischen Projekte umzusetzen.

PAcanda und Reinhardt
© NEWS.AT/DST Philip Pacanda und Fabio Reinhardt

NEWS.AT: Welches Feedback bekommen sie in Graz auf ihre politische Arbeit und warum haben Sie sich entschlossen für den Nationalrat zu kandidieren?

Pacanda: In Graz bemerken wir, dass es einen Zustrom gibt und mehr Menschen ihre Arbeit aktiv einbringen wollen oder wegen einem Problem auf uns zukommen. Wir hören auch von vielen, dass sie sich nicht getraut haben, uns zu wählen und sich das nun aber eher trauen. Ich bin auf der Bundesliste auf Platz zwei und auf der Landesliste auf Platz eins für die Nationalratswahlen gereiht. Wobei man dazu sagen muss, dass das nicht die finalen Listenplätze sind. Wir machen im Sommer eine Bundesgeneralversammlung, bei der wir die Liste neu gestalten. Das ist aktuell ein erster Vorschlag, aber es gibt die Möglichkeit für weitere Personen zu kandidieren.


NEWS.AT: Wie ist ihre Erfahrung in Deutschland. Wie führt man Wahlkämpfe mit sehr begrenzten finanziellen Mitteln?

Reinhardt: Im Vergleich zu den anderen Parteien haben wir wirklich sehr wenig finanzielle Mittel. Das war auch ein Problem, das wir plötzlich durch die mediale Öffentlichkeit, die Aufmerksamkeit und die Umfragewerte einer Bundestagspartei hatten. Aber wir hatten weder die Mittel noch die Erfahrungen und das war natürlich auch ein Problem, weil Erwartungen aufgebaut wurden, die wir so kaum erfüllen konnten. Daraus haben wir gelernt. Nun versuchen wir einen möglichst dezentralen Wahlkampf. So ist es jeder Region möglich eigene Schwerpunkte im Wahlkampf zu setzen.

»Die Piraten bleiben eine weltweite Bewegung«


NEWS.AT: Die Piratenpartei Österreich ist in bundesweiten Umfragen aktuell kaum messbar. Warum tut man sich den Nationalratswahlkampf überhaupt an? Sollte man nicht versuchen, vor Ort Strukturen aufzubauen und dann erst einen Nationalratswahlkampf zu starten?

Pacanda: Das passiert ohnehin und das schließt sich ja nicht aus. Andererseits sind wir auch in Graz nicht aufgeschienen und hatten trotzdem Erfolg. Man darf also Umfragen auch nicht zu ernst nehmen. Es dauert seine Zeit bis man überall durchgedrungen ist. Auch bei uns war kein mediales Interesse nach einem Anfangshype vorhanden. Aber die Arbeit auf der Straße oft kombiniert mit Aktionen oder unsere Überwachungszonen-App - das war erfolgreich. Ich bin guter Dinge, dass das auch bei den Nationalratswahlen gelingt.

NEWS.AT: Aber ist das nicht auch riskant? Scheitert die Partei bei den Wahlen, steigt die Angst der Wähler ihre Stimme bei ihnen zu verschenken…

Reinhardt: Das ist eine Frage des Durchhaltevermögens. Natürlich gibt es Wähler, die sich durch negative Umfragen demotivieren lassen. Die Bereitschaft, Engagement zu zeigen, sinkt dann. Aber zumindest in Österreich, wo es die Piratenpartei seit 2006 gibt, zeigte sich, dass die Partei den langen Atem hat.

Pacanda: Selbst wenn es nicht funktioniert, bleiben die Piraten eine weltweite Bewegung. In einigen Jahren ändert sich das vielleicht schon. Die Bewegung wird nicht stumm werden. Unabhängig vom Wahlergebnis.

Reinhardt: Es gibt wohl etwa 60 Piratenparteien weltweit und internationale Konferenzen. Es geht nicht nur um Wahlen. Das ist zwar wichtig, um Feedback für die eigene Arbeit zu bekommen, Mandate sind aber eher ein Bonus.

»Wir wollen ins Parlament einziehen«

NEWS.AT: Die Öffentlichkeit hat oft den Eindruck, dass die Piraten nicht besonders freundlich miteinander umgehen und zugleich kann man Ihnen dabei dank der großen Transparenz wunderbar zusehen. Wie geht man damit um?

Reinhardt: Das ist ein Problem das man auch nicht kleinreden sollte. Bei anderen Parteien ist der Umgang miteinander oft noch viel unfreundlicher, aber es läuft versteckter ab. Aber wir müssen trotzdem daran arbeiten. Um ein aktuelles Beispiel zu nennen: Das berühmte „Piratengrillen“, bei dem Kandidaten von der Basis in die Mangel genommen wurden. Da hat sich gezeigt, dass Viele von den Umgangsformen abgeschreckt werden, vor allem Frauen. Deshalb haben wir inzwischen eine strenge Moderation, die darauf achtet, dass Sexismus und direkte Unterstellungen unterlassen werden. Das zeigt Erfolg, beispielsweise bei unserer Liste in Berlin für die Bundestagswahl: Die ersten vier Plätze sind alle von Frauen besetzt. Da sind wir also auf einem guten Weg.

Pacanda: Da können wir auch noch viel lernen. Das „Kandidatengrillen“ ist durch gewisse Mediationen sicher schon sehr viel besser geworden. Auf Streitereien sollte man aber auch nicht verzichten, weil sich daraus oft auch gute Gespräche ergeben. Aber Verbesserungspotential gibt es. Im Forum beispielsweise gibt es jetzt die Möglichkeit des Hoch- und Runter-Votens von Beiträgen als Selbstregulationsinstrument.

NEWS.AT: Für eine breite Öffentlichkeit ist die Piratenpartei immer noch „Die Partei mit dem Internet“ Wie möchte man sich thematisch weiterentwickeln?

Reinhardt: Ich denke wir sind da auf einem guten Weg. Die Kontrollfunktion mit dem Berliner Flughafen wird inzwischen beispielsweise stark mit uns assoziiert. So gelingt Stück für Stück eine Verbreiterung. Aber mir ist es sehr recht, wenn wir am Schluss immer noch als die wahrgenommen werden, die sich mit dem Internet auskennen. Denn es gibt schlimmere Vorwürfe.
Pacanda: Die neuen Medien sind ein ganz wichtiges Thema, das neue Möglichkeiten bietet. Beispielsweise wenn es um Transparenz geht. Uns gibt es aber genauso auch offline und in Graz ist das Feedback, das ich bekomme, eher auf konkrete Sachpolitik und die thematische Positionierung und nicht auf das Internet-Thema.


NEWS.AT: Was sind die Ziele für das heurige Wahljahr und wäre auch eine Koalitionsbeteiligung denkbar?

Pacanda: Ein sicherer und stabiler Einzug in das Parlament wäre das Ziel. Bei den kommenden Landtagswahlen in Salzburg und Tirol versuchen wir noch, die nötigen Stimmen zu organisieren, um in allen Bezirken antreten zu können.

Reinhardt: Auch wir wollen in den Bundestag einziehen und somit zumindest fünf Prozent bekommen. Eine Regierungsbeteiligung von uns ist schwer vorstellbar. Die Koalitionsverhandlungen müssten beispielsweise transparent ablaufen. Eine konstruktive Mitarbeit, beispielsweise die Tolerierung einer Minderheitenregierung, wäre leichter vorstellbar.

Kommentare

Früher hat man Piraten an der Rah ...........

meisterproper

immer eine noch bessere Perspektive als die Grünen.

Über die Piraten kann man doch nur lachen. Rauchverbot nach irischem Vorbild fordern und kiffen soll erlaubt werden. Das nennt man ein Paradoxum. Denn sie wissen nicht was sie tun;-)
Und weltweite Bewegung, in Österreich gibt es ca. 80 aktive, die sich beteiligen, an dem verbotenem Liquid Feedback(Die Entwickler haben den Piraten untersagt den Namen weiter zu nutzen)

Seite 1 von 1