Von Kreisky zu Kern?

Die Polemik um den „Schuldenkanzler“

von Peter Pelinka © Bild: NEWS

Kaum hatte Kanzler Kern vor zwei Wochen in der „FAZ“ eine Änderung der europäischen Wirtschaftspolitik gefordert – durch Erhöhung öffentlicher Investitionen sollte die Wirtschaft angekurbelt und die Arbeitslosigkeit gesenkt werdenŠ –, prasselte ein ideologisches Donnerwetter auf ihn ein. Vize Mitterlehner erkannte „Tendenzen eines realen Sozialismus“, Finanzminister Schelling nannte Kern einen „linken Ideologieträger“. Andere Polemiken erinnerten an „Schuldenkanzler Kreisky“, obwohl Kern auf den christdemokratischen EU-Kommissionspräsidenten Juncker und dessen Forderung nach einer Verdoppelung des EU-Investitionsfonds verweist. Bezeichnend für die intellektuelle Flachheit heutiger Politik: Statt erfreut zu sein, dass ein österreichischer Kanzler in einer führenden deutschen Zeitung ein Startsignal für eine europäische Diskussion gibt, die zwischen Keynesianern und Neoliberalen angesichts dramatischer Arbeitslosenzahlen längst geführt wird, reagiert man mit simpler Parteipolemik. Das ist nichts Neues: Schon in den Siebzigerjahren richteten sich die Angriffe der ÖVP gegen „Schuldenkanzler Kreisky“ und dessen berühmten Satz, ihm bereiteten „ein paar Milliarden Schulden weniger schlaflose Nächte als ein paar hunderttausend Arbeitslose mehr“. Der Historiker Walter Iber hat diese Sichtweise auf einem „Zeitgeschichtetag“ nun relativiert. Auch die (ÖVP-)Finanzminister Kamitz und Schmitz hätten nach 1945 die Staatsschulden erhöht, vor allem, um soziale Sicherungssysteme auszubauen. Und der deutsche Ökonom Achim Truger verwies im „Standard“ darauf, dass künftige Generationen nicht nur Schulden zu bezahlen hätten, sondern von klugen Investitionen (etwa in Bildung) auch entsprechend profitierten. Kreiskys Finanzminister Androsch nennt die 70er noch heute ein „höchst erfolgreiches Jahrzehnt“: „Wir hatten nie mehr als 62.000 Arbeitslose und geringe Inflationsraten, haben 300.000 Arbeitsplätze geschaffen und 400.000 Wohnungen gebaut.“ Und prinzipiell: „Wer zu wenig Schulden macht, verpasst die Zukunft. Wer zu viel Schulden macht, belastet die nachfolgenden Generationen zu hoch. Schulden muss man sich leisten können, die Frage ist, wofür.“

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