Die Legende im Talk

Der-Ex-Beatle spricht mit NEWS über sein neues Album. Plus: O-Töne zum Anhören!

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© Video: NEWS.AT

Eric Clapton und Stevie Wonder assistieren, die nächste Tournee ist in Planung. Im Sommer soll McCartney zur Eröffnung der Olympischen Spiele und zum 60. Thronjubiläum der Queen aufspielen. „I am a fan of the Queen“, sagt der von der Majestät eigenhändig Geadelte. „Mir ist es lieber, sie repräsentiert Großbritannien als David Cameron.“ Im Londoner Hotel „The Hempel“ stellte Sir Paul McCartney vor 45 ausgewählten Journalisten aus der ganzen Welt sein Opus vor. NEWS war dabei. Lässig, in rosa Hemd, schwarzem Jackett und schwarzer Hose, betrat er den Raum und wirkte kaum gealtert. Eine Rose zur Begrüßung nahm er lächelnd an. Man sprach über die Beatles, Älterwerden, Kinder und Österreich.

NEWS: Wie halten Sie sich in Form?
McCartney: Sex and Drugs. Nein, das meine ich natürlich nicht. Man muss lieben, was man tut. Das ist das große Geheimnis. Und ich hatte solch ein Glück. Die Leute fragen mich oft: „Warum treten Sie nicht in den Ruhestand? Sie haben doch alles gemacht!“ Aber was soll ich denn sonst tun? Zuhause vor dem Fernseher sitzen? Oder auf Pferde wetten? Voriges Jahr und im Jahr zuvor hatten wir eine tolle Zeit auf unserer Tour. Wir traten auch in Sudamerika auf, und es war wie damals bei Beatlemania. Total verrückt. Wenn man auf die Bühne kommt und das Publikum schreit einem entgegen, dann will man nur spielen, so gut fühlt sich das an. Es ist wie eine Droge, toll, totales Glück. Das wurde man doch nie aufgeben! Wenn die Leute wollen, dass ich aufhöre, müssen sie mich schon von der Bühne tragen. Aber dann wurde ich schreiend protestieren. Andererseits staune ich selbst, dass ich alles so machen kann wie früher. Viele Kollegen mussten ihre Songs in eine tiefere Tonart transponieren, als sie alter wurden. Klopf auf Holz, ich musste das noch nie. Ich weiß nicht, warum, und ich will auch gar nicht darüber nachdenken. Ich empfinde immer noch so eine unschuldige Freude, wenn ich auftrete. Außerdem hatte ich nie etwas anderes tun können. Maximal, dass ich Englischlehrer geworden wäre. Da wäre ich sicher gut gewesen. Aber ich hatte das Glück, dass ich mit den Beatles zusammenkam. Und das war viel aufregender.

NEWS: Gibt es Bands, die an die Beatles heranreichen?
McCartney: Es gibt heute viele junge Bands, die spielen können. Aber die Beatles waren ganz besonders. Das kann ich jetzt sagen, denn wir haben ja aufgehört. Das Timing hat gepasst, wir konnten alles zum ersten Mal machen. Die Jungen haben es heute viel schwerer. Es ist kaum möglich, noch einmal etwas wie die Beatles zu machen: noch einmal vier Leute zu finden, die so aufeinander abgestimmt sind wie wir. Jeder von uns hatte seine eigene Karriere machen können. John Lennon und The Quarrymen, das hatte gut funktioniert, weil John so cool war. Aber auch George, Ringo und ich hatten es geschafft. Was dann mit uns vier passiert ist, war magisch. Coldplay, The Foo Fighters sind gut, und ich wünsche den Jungen Glück. Aber niemand wird je so gut sein wie die Beatles.

NEWS: Weshalb singen Sie jetzt Lieder aus den Dreißiger- und Vierzigerjahren?
McCartney: Ich bin ja mit diesen Liedern aufgewachsen. Ihr Stil hat mich seit der Kindheit fasziniert. Mein Vater hat uns diese Lieder zuhause auf dem Klavier vorgespielt. Ich lag auf dem Teppich und horte zu. Als ich dann selbst Lieder schrieb, erkannte ich, dass jeder einzelne der alten Songs ein kleines, edles Juwel ist, feinstes Handwerk. Ich war fasziniert von Cole Porter und Gershwin. Dann kam der Rock ’n’ Roll, und ich traf John. Als wir unsere ersten Lieder schrieben, gingen wir in Richtung Rock ’n’ Roll. Aber diese Musik aus der Ara von Fats Waller war unser Ausgangspunkt. Unsere Lieder waren geprägt davon. Wenn man die Songs der Beatles analysiert, erkennt man das genau. Denken Sie an „Here, There And Everywhere“. Wir dachten, es wäre nett, wenn wir für unsere Songs so etwas wie kleine Einleitungen schreiben. Wir konstruierten einen richtigen Aufbau. Und in der Mitte sollte etwas sein, das zu anderen Akkorden hinführt. Das gab es beim Rock ’n’ Roll nie. Und das hat unsere Musik so besonders gemacht.

NEWS: Weshalb nahmen Sie diese Musik erst jetzt auf?
McCartney: Ich wollte es schon lange, aber immer kamen mir andere zuvor. Rod Stewart hat die bekanntesten Lieder wie „The Way You Look Tonight“ gestohlen. Wir suchten Songs, die nicht jeder kennt. Von Harold Arlens „It’s Only A Paper Moon“ habe ich schon einmal eine Instrumentalversion mit John und The Quarrymen gemacht. Das hatte ich komplett vergessen. Jetzt habe ich wieder mit tollen Musikern zusammengearbeitet. Es war fast wieder wie damals bei den Beatles. Mit Leuten wie Stevie Wonder und Eric Clapton zu spielen gibt eine Menge Energie. Und der Titel „The More I Cannot Wish You“ betrifft mich selbst. Der ist sehr gefühlvoll, da spricht ein Vater zu seiner kleinen Tochter, und ich erziehe gerade eine achtjährige Tochter. Und Enkelkinder hab ich auch.

NEWS: Ihre große Tochter Mary hat Sie für das Album fotografiert.
McCartney: Ja, meine Kinder sind sehr talentiert. Es ist höchst angenehm für mich, mit ihnen zu arbeiten. Mary ist eine ausgezeichnete Fotografin und Stella eine tolle Designerin.

NEWS: Komponieren Sie heute noch so leicht wie früher?
McCartney: Das neue Lied „My Valentine“ schrieb sich fast von selbst. Das ist wie bei allen guten Songs. Meine Frau Nancy und ich waren in Marokko auf Urlaub. Es regnete. Ich sagte, das wird unseren Urlaub verderben. Aber ihr war es egal. An einem Nachmittag ging ich in die Hotelhalle und setzte mich ans Klavier. Außer den Kellnern, die gerade aufräumten, war niemand da. Ich spielte ein paar Tone, und da kam dieser Song. Nancy war die Inspiration.

NEWS: Was ist ein guter Popsong?
McCartney: Er muss eine technische Struktur haben und wie ein gut gebautes Möbelstück sein. Er soll etwas aussagen und muss eine gute Melodie haben. Die Leute müssen ihn anstimmen, ohne dass sie darüber nachdenken, was sie überhaupt singen.

NEWS: Kommen Sie auch nach Österreich?
McCartney: Ich war schon einmal in Wien. Ich erinnere mich gut daran. Als wir dort den Fernseher aufdrehten, kamen ständig Pornos. Ich schrie meine Kinder an: „Raus aus dem Zimmer!“ und schaltete sofort weg. Jetzt schweife ich aber zu weit ab. Ich würde wirklich gern in Wien auftreten. Aber das hängt von meinem Tourmanager ab.

NEWS: Erinnern Sie sich an Obertauern?
McCartney: Dort drehten wir den Film „Help“. Da hatten wir großen Spaß. Keiner von uns konnte Ski fahren. Wir machten daraus eine Szene, wo Ringo verkehrt den Hang runterfahrt. Und die Schlittenfahrt mit dem Pferd werde ich nie vergessen.

NEWS: Wie geht es weiter? Werden Sie wieder klassische Musik komponieren? Nach einem Ballett und einem Oratorium fehlt noch eine Oper.
McCartney: Oper? Das war die Musik, die mein Vater immer abdrehte, wenn sie im Radio kam. Mein „Liverpool-Oratorium“ war ja schon fast so etwas wie eine Oper. Ich wollte es aber so komponieren, dass es nicht zu nahe an dieses Genre herankommt. (Unterbricht, intoniert wie Opernsänger). Aber warum eigentlich nicht? Jetzt, wo ich daruber spreche, werde ich wahrscheinlich doch eine Oper schreiben. Das ist eine große Herausforderung.