Essen wie ein Neandertaler

Was bringt die Steinzeiternährung: Gesundheit oder Nährstoffmängel?

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Die Paleo-Diät - Essen wie ein Neandertaler

Jutta hat eine schönere Haut, Pawel massiv abgenomen, Larissa fühlt sich pudelwohl und hat jeden Tag gute Laune. Sie alle leben nach der Paleo-Diät - dem jüngsten Ernährungstrend. Ihre Anhänger essen nur, was auch schon in der Steinzeit auf der Speisekarte stand: Obst, Gemüse, Fleisch, Fisch, Samen und Nüsse. Verzichtet wird auf Getreide (Brot, Gebäck, Nudeln), Hülsenfrüchte, Milchprodukte, Zucker und künstliche Zusatzstoffe. Das Konzept basiert auf viel Eiweiß und wenig Kohlenhydraten. Ausnahmen sind Kartoffeln und Reis. Sie sind nicht grundsätzlich tabu, obwohl sie viele Kohlenhydrate enthalten. Kleine Portionen als Beilage sind erlaubt.

Steinzeit als Lebensstil

In den USA ist die Paleo-Diät schon lange bekannt. Dort gibt es mittlerweile Restaurants, die ihre Speisekarte nach dem Paleo-Prinzip ausrichten. Doch auch in Europa ist die Steinzeitbewegung auf dem Vormarsch. Das Geschäft boomt. Dutzende Ratgeber und Kochbücher sind bereits erschienen, jede Woche kommen weitere hinzu. Unzählige Blogs und Webseiten erweitern das Spektrum. Selbst Paleo-Produkte erobern nach und nach den Markt, manche durchaus fragwürdig: Paleo-Ketchup, Paleo-Müsli, Saucen, Trockenfleisch, selbst eigene Paleo-Kleidung findet man im Regal.

Die Neandertaler-Bewegung sieht in Paleo nicht allein eine Diät, sondern vielmehr einen Lebensstil und die einzig "artgerechte" Ernährungsform, die fit und schlank hält.

Verfechter erklären, der Mensch vertrage am besten jene Nahrung, an die er sich im Laufe der Evolution als Jäger und Sammler genetisch angepasst habe - und das sei nun mal die Kost aus der Steinzeit. Lebensmittel, die im Zuge des Ackerbaus und der Viehzucht hinzugekommen und erst seit rund 10.000 Jahren verfügbar seien, würden Antinährstoffe enthalten und dem Körper schaden. Darin sehen sie die Ursache für Übergewicht und Zivilisationskrankheiten wie Diabetes, Herz-Kreislauf-, Autoimmunerkrankungen und Krebs. Ziel ist es deshalb, nur natürliche, unverarbeitete Lebensmittel zu sich zu nehmen.

Das "perfekte" Menü

Ein Paleo-Tag könnte etwa so aussehen: Zum Frühstück gibt es einen Smoothie mit Früchten oder Obstsalat mit Rührei, zu Mittag eine Karotten-Ingwer-Suppe oder eine Hähnchen-Gemüse-Pfanne und abends Zucchini-Spaghetti mit Bolognesesauce. Für den kleinen Hunger zwischendurch dürfen ein paar Nüsse und etwas Obst genascht werden.

Die Paleoaner sind vom Erfolg ihrer Ernährungsform natürlich überzeugt. Da Zucker und Getreide -besonders Weißmehl - verboten sind, sehen viele darin die perfekte Diät. Aber was sagt die Wissenschaft: Was bringt die Steinzeiternährung? Macht eine solche Paleo-Ernährung wirklich schlank? Und bekommen Menschen, die sich danach ernähren, tatsächlich alle Nährstoffe, die sie brauchen?

Der lange Weg zum Erfolg

Jürgen König vom Institut für Ernährungswissenschaften der Universität Wien: "Grundsätzlich ist jede Form der Ernährungsumstellung als Einstieg in ein Abnehmprogramm geeignet, das gilt auch für die Paleo-Diät. Die Basis dieser Ernährungsweise mit viel Obst, Gemüse, Nüssen sowie Eiweiß in Form von Fisch, Fleisch und Eiern ist nicht ungesund, der Verzicht auf Zucker, Weißmehl und minderwertige Fette zu begrüßen. Dennoch sind mit der Paleo-Ideologie Einschränkungen verbunden."

Basierend auf Gewohnheiten wird es schwierig, diese Form der Ernährung auf Dauer durchzuhalten. Wie bei den meisten Diäten mangelt es zudem an einer ausreichenden Zufuhr aller Nährstoffe.

"Durch die langfristige und starke Reduktion an Kohlenhydraten und anderer Lebensmittel wie Milch, Getreide und pflanzlicher Fette verliert der Körper wichtige Nährstoffquellen. Milch ist einer der besten Kalzium-Lieferanten und kann nur schwer durch andere Lebensmittel ausgeglichen werden", erklärt König. Ähnliches gilt für Getreideprodukte: "Hier kann es zu einer niedrigen Zufuhr von B-Vitaminen kommen." Auch die "Verteufelung" des Zuckers ist ernährungsphysiologisch nicht begründbar. "Es kommt im Wesentlichen auf die Menge an."

Es gibt keine Wunder

"Diäten sind nur dann erfolgreich, wenn die Ernährung langfristig umgestellt wird", so König. Zudem ist wichtig, dass der Körper alle Nährstoffe bekommt, die er zum Funktionieren braucht. Paleo zählt zur Gruppe der "Low-Carb-Diäten" und wirkt nur kurzfristig. Eine langfristige Ernährungsumstellung bei ausreichender Zufuhr von Nährstoffen wird durch Paleo nicht erreicht. Im Gegenteil: "In Extremfällen kann diese sogar zu übermäßigen Nährstoffmängeln auf der einen Seite oder einem Überschuss, wie etwa Cholesterin oder Purine, auf der anderen Seite führen."

Fazit: Es ist nicht das Geringste dagegen einzuwenden, auf Zucker, billige Fette und Fastfood zu verzichten. Die Wahrscheinlichkeit, damit abzunehmen, ist zwar gegeben, allerdings nur, wenn man es schafft, konsequent zu sein. Eine radikale Umstellung ist für viele Menschen allerdings äußerst schwierig, weil der Körper jahrzehntelangen Gewohnheiten folgt.

Erfolgreiches Abnehmen ohne Bewegung ist nahezu unmöglich. Das hat auch die Paleo-Bewegung erkannt und propagiert ein umfangreiches Trainingsprogramm. Denn als Jäger und Sammler hat der Mensch auch 30 Kilometer am Tag zurückgelegt.

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