Passionsspiele in Mexiko

Hochleistungssport unter dem Kreuz: Wer hier mitmacht, muss topfit sein

von Passionsspiele © Bild: Getty Images/AFP/Ronaldo Schemidt

"Das Gewicht macht mir schon nicht mehr so viel aus", sagt Eduardo Guzman Flores, der in diesem Jahr die Hauptrolle ergattert hat. "Es ist schwer, aber es tut nicht mehr so weh." Am Karfreitag wird er ein 90 Kilogramm schweres Kreuz durch die Straßen von Iztapalapa und den Cerro de la Estrella (Sternenhügel) hinaufschleppen.

Jesus spielen

Für Guzman geht ein langgehegter Traum in Erfüllung. "Seitdem ich ein Kind war, habe ich den Umzug gesehen. Jetzt den Jesus zu spielen, ist das Größte für mich", sagt der 31-Jährige. Um die Rolle zu bekommen, musste sich Guzman in einem Auswahlverfahren mit 13 anderen Laienschauspielern messen. Ein 50-köpfiges Komitee aus Vertretern der acht alten Viertel des Stadtteils wählte ihn schließlich als Jesus aus.

"Der Hauptdarsteller muss aus Iztapalapa stammen, ledig sein und darf keine Kinder haben", sagt der Vorsitzende des Komitees, Roberto Guillen. Zudem wird von dem jungen Mann ein untadeliger Lebenswandel erwartet, selbst Alkoholkonsum wird nicht gerne gesehen. Auch die übrigen Schauspieler werden einem Casting unterzogen, danach folgen wochenlange Proben.

Passionsspiele als Vollzeitjob

Für die Hauptdarsteller sind die Passionsspiele ein Vollzeitjob. In den Monaten vor Ostern verbringt Guzman jede freie Minute mit Fitnesstraining, dem Lernen seines Textes und Proben. Sein Studium der Ingenieurwissenschaften hat er für das laufende Semester erst einmal auf Eis gelegt.

Iztapalapa ist einer der ärmsten und gefährlichsten Bezirke von Mexiko-Stadt, in der Karwoche wandelt sich die riesige Siedlung jedoch zum religiösen Zentrum der Hauptstadt. Bis zu zwei Millionen Besucher kommen jedes Jahr, um die letzten Tage Jesu Christi nachzuempfinden - vom Einzug in Jerusalem am Palmsonntag über die Kreuzigung am Karfreitag bis zur Wiederauferstehung.

Von "Nazaneros" begleitet

Auf seinem letzten Weg zum Berg Golgatha wird Guzman von zahlreichen "Nazarenos" begleitet - junge Männer, die mit dem Kreuz auf den Schultern Buße tun. Römische Legionäre zu Fuß und hoch zu Ross treiben Jesus und seine Getreuen voran.

Die Passionsspiele von Iztapalapa gehören zu den größten ihrer Art in Lateinamerika. 1833 kamen zahlreiche Dorfbewohner bei einer Cholera-Epidemie ums Leben. Zehn Jahre später begannen die Gläubigen, Gott mit den Umzügen dafür zu danken, dass er sie verschont hatte. Seit Jahren bemüht sich das Organisationskomitee darum, die Passionsspiele von der Unesco als immaterielles Weltkulturerbe anerkennen zu lassen.

"Alle helfen mit"

Für ihre wichtigste Tradition legen sich die Bewohner ordentlich ins Zeug. "Alle helfen mit. Sie putzen die Straßen heraus und dekorieren die Häuser", sagt Komitee-Chef Guillen. Andere schneidern Kostüme oder kümmern sich um die Versorgung der Laienschauspieler mit Wasser und Früchten.

Die ein oder andere Erfrischung wird vor allem Jesus-Darsteller Guzman gut gebrauchen können. Denn neben Dornenkrone und Kreuz dürfte das Wetter dafür sorgen, dass der Marsch nach Golgatha ein echter Leidensweg wird: Zur Osterzeit herrschen in Mexiko-Stadt mittags rund 30 Grad.

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