Ortstafel-Streit sorgt weiter für Aufregung: Slowenen-Vertreter wollen Haider klagen

Grilc: "Wird ins politische Exil ins Bärental wechseln"<br>Kärntner LH: "Gibt nur Gesamtlösung, oder keine" NEWS: Alle gegen Haider im Kärntner Ortstafelpoker<br>Plus Umfrage: Widerstand gegen Tafeln verständlich?

Wenn bis zum 30. Juni nicht, wie vom VfGH gefordert, zweisprachige Ortstafeln in den Ortschaften St. Kanzian, Bleiburg und Bleiburg-Ebersdorf aufgestellt sein sollten, werde man die Anzeige gegen den Landeshauptmann einbringen, wurde in einer Pressekonferenz versichert. "Der politische Amoklauf des Dr. Haider wird bald ein Ende haben", prophezeite Grilc. Er meinte allerdings unter Hinweis auf BZÖ-Justizministerin Karin Gastinger (B) und die weisungsgebundene Staatsanwaltschaft, dass eine Anzeige keinen Erfolg haben werde, so lange die derzeitige Bundesregierung im Amt sei.

"Haider ins politische Exil"
Falls Haider weiterhin die Aufstellung zweisprachiger Tafeln verhindern sollte, müsste zudem laut Paragraf 142 Bundesverfassung die Bundesregierung einen Antrag beim VfGH auf Abberufung Haiders stellen. "Nach der Nationalratswahl wird er sein Amt verlieren" und zusätzlich für eine gewisse Zeit seiner politischen Rechte verlustig gehen", gab sich Grilc überzeugt. Haider werde "ins politische Exil ins Bärental wechseln" und bei der nächsten Kärntner Landtagswahl "wird nach Dr. Haider kein Hahn mehr krähen".

Rückzug auf rechtliche Ebene
Grilc und sein Stellvertreter Rudi Vouk, der mit seiner Klage das VfGH-Ortstafelerkenntnis von 2001 erwirkt hatte, wiesen darauf hin, dass nur der Weg zum Höchstgericht bleibe, da an einer politischen Lösung augenscheinlich kein Interesse bestehe. "Wir ziehen uns daher auf die rechtliche Ebene zurück", betonten die Slowenenfunktionäre. Vouk: "So lange es keine andere Möglichkeit gibt, bleibt nur dieser Weg." Derzeit seien beim VfGH 21 Verfahren anhängig - darunter für die Ortschaften Bad Eisenkappel, St. Kanzian, Edling, Diex und Ferlach - und weitere 20 befänden sich in den Unterinstanzen.

"Die reine Rechtsposition ermöglicht wesentlich mehr Ortstafeln als irgendjemand sich das auf politischem Lösungswege vorstellt", warnte Grilc. Die vom BZÖ, der FPÖ und dem Kärntner Abwehrkämpferbund geforderte Minderheitenfeststellung in Form einer Erhebung der Muttersprache wird vom Rat der Kärntner Slowenen abgelehnt. Es sei nicht mehr eruierbar, wie viele Slowenen etwa 1971 in den einzelnen Ortschaften gelebt hätten, in der Ortstafel-Frage gehe es um die Erfassung eines längeren Zeitraumes.

Auch OSZE soll befasst werden
Der Rat der Kärntner Slowenen will nicht nur gegen Haider rechtlich vorgehen, falls bis zum 30. Juni nicht laut VfGH-Erkenntnis in drei weiteren Ortschaften zweisprachige Ortstafeln aufgestellt sein sollten, sondern auch international verstärkt tätig werden. Nachdem man die Angelegenheit bisher schon beim Europarat und der EU vorgebracht habe, werde man sich dann an die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) wenden.

Grilc: "Hetzkampagne"
Die Ablehnung einer Minderheitenfeststellung wurde vom Rat auch mit der Furcht begründet, die vor allem unter älteren Kärntner Slowenen derzeit herrsche. Es gebe eine "Hetzkampagne" und die Menschen hätten Angst, sagte Ratsobmann Matthäus Grilc: "Diese beispiellose Kampagne zeigt Wirkung." Deshalb wäre eine Minderheitenfeststellung unverantwortlich.

Kompromiss vom Tisch
"Es geht nicht nur um die Rechte der Volksgruppe, sondern um die Grundlagen des Rechtsstaates", betonte Grilc. Hier werde sich "die neue Bundesregierung etwas einfallen lassen müssen". Falls jemand bis dahin "einen brauchbaren Vorschlag" einbringen sollte, werde man verhandeln, "aber jede Lösung muss verfassungskonform sein". Der im vergangenen Jahr erzielt Kompromiss auf Aufstellung von 158 Tafeln, der dann von Landeshauptmann Jörg Haider abgelehnt worden sei, ist für den Rat - ebenso wie für Haider - vom Tisch.

Haider: "Es gibt keine Salami-Taktik"
In der Kärntner Ortstafelfrage gibt es weiterhin verhärtete Fronten. Kärntens Landeshauptmann Jörg Haider (B) hat am Mittwoch angekündigt, dass er keiner Lösung zustimmen will, so lange die Verfassungsklagen der Kärntner Slowenen laufen. Haider forderte den Rat der Kärntner Slowenen bei einer Pressekonferenz in Wien auf, die Beschwerden zurückzuziehen: "Man kann nicht mit jemandem am Verhandlungstisch sitzen und ihn gleichzeitig beißen."

Wenn die Klagen zurückgenommen werden, dann wäre laut Haider aber eine Lösung binnen weniger Monate möglich - und zwar auf Grundlage des bestehenden Volksgruppengesetzes. Die Prozenthürde für die Aufstellung zweisprachiger Ortstafeln müsste in diesem Fall zwischen fünf und 25 Prozent liegen, meint Haider. Beschlossen werden müsste die Lösung aus seiner Sicht per Verfassungsgesetz. Sonst könne jederzeit wieder jemand "als Schnellfahrer zum Verfassungsgericht gehen".

"Auch wenn viele keine Freude haben"
Sollten die Klagen weiter laufen, dann will Haider die Aufstellung zusätzlicher zweisprachiger Ortstafeln aber weiterhin verhindern und jedes vom Verfassungsgerichtshof aufgehobene Schild um weniger Meter verrückt neu aufstellen lassen. "Rechtsbruch" dürfe nicht zum Erfolg führen, so der Landeshauptmann. Und: "Es gibt nur eine Gesamtlösung, oder keine. Es gibt keine Salami-Taktik."

Diese Vorgehensweise ist aus seiner Sicht jedenfalls korrekt: "Auch wenn viele keine Freude haben, mit den Lösungen, die ich suche - aber sie sind rechtskonform." An den von der ÖVP angekündigten Konsenskonferenzen will Haider übrigens auch dann teilnehmen, wenn die Verfassungsklagen weiter laufen.

Kritik an VfGH und Slowenen-Rat
Einmal mehr wartete Haider mit scharfer Kritik am Verfassungsgerichtshof und am Rat der Kärntner Slowenen auf. Den stellvertretenden Rats-Obmann Rudi Vouk, der durch Selbstanzeigen wegen Geschwindigkeitsübertretungen im Ortsgebiet die Verfassungsklagen in Gang gesetzt hatte, bezeichnete Haider als "notorischen Rechtsbrecher". Den Verfassungsrichtern versuchte Haider nachzuweisen, bei ihren Ortstafel-Erkenntnissen zehn Fehler begangen zu haben.

So habe der Verfassungsgerichtshof mit den Ortstafel-Urteilen seine Kompetenzen überschritten und betätige sich als Gesetzgeber, beklagte Haider. Auch dass der Staatsvertrag in dieser Causa, wie vom Verfassungsgerichtshof festgelegt, direkt anwendbar ist (also auch ohne ausführende Gesetze oder Verordnungen) schmeckt Haider nicht. Zudem habe der VfGH das Land Kärnten nach dem letzten Ortstafel-Urteil zu Unrecht die Verfahrenskosten bezahlen lassen. Das Geld wurde übrigens trotzdem überwiesen.

Jesus-Vergleich: "Hätten mich längst gekreuzigt"
Kritik an seinem Jesus-Vergleich vom vergangenen Sonntag kann Haider nicht nachvollziehen und sieht keine Parallelen zwischen sich und Christus: "Nein, denn wenn ich die hätte, dann müsste ich mich mit dieser Frage nicht herumquälen." Nachsatz: "Dann hätten sie mich längst gekreuzigt."

Bleiburger Bürgermeister contra Haider
Der Bleiburger Bürgermeister Stefan Visotschnig lehnt die Pläne von Haider ab, die Ortstafeln der Südkärntner Gemeinde "zu verrücken. "Auf Gemeindestraßen bin ich zuständig, da wird es das nicht geben", sagte der SPÖ-Politiker am Mittwoch gegenüber der APA. Bezüglich jener Tafeln, die an der Landesstraße aufgestellt seien, könne er dem Land allerdings nicht dreinreden.

Visotschnig nannte die Vorgangsweise Haiders, der mit dem Verrücken die VfGH-Erkenntnisse bezüglich der Aufstellung von zweisprachigen Ortstafeln umgehen will, ein "Kasperltheater", bei dem er als Gemeindechef nicht mitspiele. Gegenüber der am Donnerstag erscheinenden Ausgabe des Nachrichtenmagazins NEWS erklärte Visotschnig, er verstehe Haiders Welt schon lange nicht mehr: "Ich bin Kärntner und zweisprachig aufgewachsen. Seit Slowenien bei der EU ist, ist das alles überhaupt kein Thema mehr."

Verfassungsrechtler Öhlinger: "Mangelnde politische Kultur"
"Mangelnde politische Kultur" konstatiert der Verfassungsrechtler Theo Öhlinger im Zusammenhang mit dem Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes (VfGH) über die zweisprachigen Ortstafeln. Wenn die für die Umsetzung zuständigen politischen Organe Landeshauptmann bzw. Verkehrs-Landesrat die VfGH-Entscheidung boykottieren, liege der Mangel nicht im Recht. Sanktionen wären möglich - aber es bestünde "mangelnde Bereitschaft der politischen Organe, hier zu handeln". Die angesprochenen politischen Organe sind der Kärntner Landtag, der Nationalrat und auch der Bundeskanzler.

"Es ist nicht so, dass die Rechtsordnung überhaupt keine Sanktionen vorsieht, es finden sich nur nicht die nötigen Mehrheiten", erklärte Öhlinger am Mittwoch gegenüber der APA: "Es fehlt in Österreich an der politischen Kultur, der demokratischen Bereitschaft eines Parlaments, zu sagen, so etwas können wir uns nicht bieten lassen von einem Landeshauptmann." Denn der Landtag sei "in Wirklichkeit nur der Erfüllungsgehilfe des Landeshauptmannes", kritisierte Öhlinger scharf die politische Praxis.

Änderungen der Rechtslage, der Ausbau der Rechtsmittel würden seiner Meinung nach wenig bringen: "Das ist ein Problem der politischen Kultur. Man kann einem Land, das hier Mängel hat, politische Kultur nicht rechtlich aufzwingen."

Strache sieht "abgekartetes Spiel" Haider-Schüssel
Als "abgekartetes Spiel zwischen Schüssel und Haider" bezeichnete FPÖ-Bundesparteiobmann Heinz-Christian Strache den Streit um die Aufstellung weiterer zweisprachiger Kärntner Ortstafeln. Dieses Pingpongspiel habe einen ganz simplen Hintergrund. "Haider hat Schüssel zweimal in den Kanzlersessel gehievt, "als Gegenleistung lässt ihn Schüssel jetzt ein bisschen Rebell gegen Wien spielen, damit der orange Oberzampano Munition für seinen Kampf um das Kärntner Grundmandat hat. Aber sobald die Nationalratswahl vorbei ist, wird Haider wieder umfallen. Dann werden ihn die Ortstafeln keinen Deut mehr kümmern, dann wird er wieder das Schmusekätzchen auf Schüssels Schoß sein", so Strache in einer Aussendung.

Die Sozialistische Jugend wiederum sieht einen direkten Zusammenhang zwischen der Beschmierung einer zweisprachigen burgenländischen Ortstafel in Hornstein/Voristan und "den Eskapaden des Kärntner Landeshauptmanns und BZÖ-Chfs Jörg Haider". Gleichzeitig macht die SJ Bundeskanzler Wolfgang Schüssel (V) mitverantwortlich für "die Vergiftung des politischen Klimas".

In einer weiteren Aussendung meldete sich die österreichische Bundesjugendvertretung zum Ortstafelstreit zu Wort. "Der Umgang Kärntens - und Österreichs - mit seiner slowenischsprachigen Minderheit ist schlimm", empört sich Bettina Eder, Sprecherin der Bundesjugendvertretung (BJV) über die Absurditäten im Kärntner Ortstafelstreit. Die Reaktionen auf den Urteilsspruch des Verfassungsgerichtshofes hätten erneut gezeigt, dass Zweisprachigkeit in Kärnten nicht erwünscht sei. "Warum funktioniert es im Burgenland, in Südtirol, in Quebec, in der Schweiz und in vielen anderen Regionen, in denen Zweisprachigkeit positiv gelebt wird - nur in Kärnten nicht? Und wie weit können unsere PolitikerInnen noch gehen?"

Scheuch ärgert sich über Strache
Als völlig unverständlich bezeichnete BZÖ-Sprecher Uwe Scheuch die Kritik von Strache in der Ortstafelfrage. "Die FPÖ spielt in der Ortstafelfrage ein falsches Spiel. Während Strache in Wien behauptet, die FPÖ sei die einzige Partei, die gegen die Aufstellung weiterer zweisprachiger Ortstafeln auftritt, unterstützt sein Parteifreund EU-Abgeordneter Andreas Mölzer in Kärnten das Karner-Paket und will damit die Aufstellung von 158 weiteren zweisprachigen Ortstafeln", empört sich Scheuch.

"Das wird es unter einem Landeshauptmann Haider sicher nicht geben", so der Bündnissprecher. Strache solle lieber als Wiener Landespolitiker endlich die Probleme Wiens lösen, anstatt sich in Dinge einzumischen, von denen er keinerlei Ahnung habe.
(apa/red)