Rasanz, Transparenz und
ein Weltklasse-Sänger

„Der Rosenkavalier“ von Richard Strauss im Lockdown-Repertoire der Wiener Staatsoper und im ORF.

von
THEMEN:
Opernkritik - Rasanz, Transparenz und
ein Weltklasse-Sänger © Bild: Wiener Staatsoper

Es gab einmal in Wien eine Tradition, bei den Aufführungen des „Rosenkavalier“ von Richard Strauss die kurze Partie des Sängers mit den besten Tenören ihrer Zeit zu besetzen. Fritz Wunderlich trat Mitte der Sechzigerjahre in 17 Vorstellungen beim Lever der Marschallin im ersten Aufzug auf.

Rekordhalter bleibt bis jetzt einer der herausragendsten Mozart-Interpreten Anton Dermota mit 125 Auftritten von 1937 bis 1976. Nicolai Gedda war dreimal zu hören, James King zweimal, Johan Botha einmal. Francisco Araiza, Peter Schreier, Rudolf Schock, Julius Patzak und Karl Terkal, um nur einige zu nennen, bereicherten die Aufführungen – doch das ist Jahrzehnte her. In der aktuellen Spielserie griff man diese Tradition wieder auf und besetzte die nur wenige Minuten kurze Partie mit einem Tenor aus der Weltliga: Piotr Beczała. In seiner Autobiographie „In die Welt hinaus“, die im November bei Amalthea erschienen ist, erzählt er, wie er bei seinem Rollen-Debüt in Genf gegen einen Papagei auf der Bühne antreten musste. Der ehrgeizige Vogel stimmte in einen Gesang ein als wollte er ihn zum Sänger-Wettstreit herausfordern. Papageien gibt es in Otto Schenks auch nach mehr als 380 Vorstellungen funktionierenden Inszenierung keine, aber einen aufregenden, fordernden Partner am Pult des Staatsopernorchesters- Philippe Jordan. Beczała erhob sich mit dem „Di rigori“ über alles, da waren Sinnlichkeit und Strahlkraft vereint.

© Wiener Staatsoper

Staatsopernmusikdirektor Jordan überraschte mit unfassbarer Rasanz. Strauss und der „Rosenkavalier“ im besonderen zählen zum Kernrepertoire der Wiener Philharmoniker. Erstaunlich, wie sie mit der neuen Lesart umgingen. Da war nur wenig Platz für sentimentale Schwelgereien. Hier herrschten Transparenz und ein wahrhaft stürmischer Zug zum Tor.

Ein Ochs als Sprinter und Marathonläufer

Möglicherweise wurde diese Lesart wurde durch die Leere im Saal noch mehr betont. Pandemie-bedingt fand die Aufführung ohne Publikum statt, nur wenige Journalisten durften die Aufzeichnung besuchen. Für manche Sänger bedeutete Jordans Hang zum Tempo Hochleistungssport wie für Günther Groissböck als Ochs. Seine große Arie erinnert da an das „Largo al factotum“ des Barbiers von Sevilla, aber Groissböck erweist sich Sprinter und Marathonläufer in einem. Seinem Bass kann offensichtlich nicht so leicht etwas anhaben. Martina Serafin, die längst in den großen Wagner-Partien zu Hause ist, singt die Marschallin wortdeutlich und ausdrucksstark. Erin Morley setzt sich als Sophie stimmlich mit ihrem voll klingenden Sopran und darstellerisch deutlich in Szene. Daniela Sindram hält sich mit ihrem starken Mezzosopran als Octavian nobel zurück.

© Wiener Staatsoper

Wolfgang Bankl, der sich schon als Ochs in Wien bewährt hat, ist eine Luxusbesetzung als Kommissar. Jochen Schmeckenbecher ist ein ausgezeichneter Faninal. Auch die kleineren Partien sind gut besetzt: Regine Hangler als Leitmetzerin, Thomas Ebenstein als Valzacchi und Noa Beinhart als Annina.

ORF III strahlt den Mitschnitt am 27. Dezember um 20.15 Uhr aus.

Wer mehr von Philippe Jordan, Martina Serafin und Günther Groissböck hören will: Für Radiofrance zeichnete Jordan Wagners „Ring des Nibelungen“ mit dem österreichischen Heldentenor Andreas Schager als Siegfried auf: Das Rheingold, am 26.12. um 20 Uhr, Die Walküre (mit Serafin als Sieglinde und Groissböck als Hunding) am 28.12., um 20 Uhr, Siegfried am 30.12. um 20 Uhr, Die Götterdämmerung, am 2. Jänner um 20 Uhr. www.francemusique.fr