10 Fragen zum offenen Arbeitsmarkt

Worum es bei der Debatte um Beschäftigte aus Osteuropa wirklich geht

Seit Tagen tobt eine von der Arbeiterkammer ausgelöste Debatte um Beschäftigte aus Osteuropa. Worum es dabei wirklich geht und wie Lösungen aussehen könnten

von Mechaniker © Bild: iStockphoto.com

1. Wie viele Menschen aus östlichen EU-Ländern arbeiten bei uns?

233.000 Menschen aus den neueren EU-Staaten waren 2015 in Österreich beschäftigt - und damit doppelt so viele wie noch 2010. Spitzenreiter sind Ungarn, Polen und Rumänen. Hinzu kommen 88.000 Personen aus diesen Staaten, die im vergangenen Jahr über die Entsenderichtlinie nach Österreich kamen.

2. Was ist die Entsenderichtlinie?

Diese Richtlinie regelt, zu welchen Bedingungen Arbeitgeber oder Leiharbeitsfirmen ihre Mitarbeiter in andere EU-Länder schicken dürfen. Dort werden sie zwar nach dem jeweiligen Kollektivvertrag bezahlt, die Sozialversicherungsbeiträge aber werden je nach Herkunftsland berechnet. Wenn sie dort niedriger sind als bei uns, ist es billiger, Arbeiter aus dem Ausland zu beschäftigen.

3. Wie ist das Lohnniveau dort im Vergleich zu Österreich?

Wesentlich niedriger und stark branchenabhängig. Im Bauwesen, in der Gastronomie oder dem Gesundheitswesen machen die Löhne im Schnitt nur ein Drittel bis maximal die Hälfte des heimischen Niveaus aus.

4. Welche Branchen sind besonders betroffen?

Der Großteil der Beschäftigten aus den neuen EU-Staaten ist im Gastgewerbe, auf dem Bau und in der Reinigung, aber auch in Gesundheits- und Pflegeberufen tätig.

5. Wer profitiert von der Situation, wer verliert?

Gewinner sind die Arbeitnehmer aus Osteuropa, die hier besser verdienen als zu Hause, sowie österreichische Arbeitgeber. Dazu gehören etwa auch Familien, die günstiges Pflegepersonal anstellen. Verlierer sind vor allem schlecht ausgebildete Migranten in Österreich. Die Arbeitslosigkeit unter Türken stieg in den letzten fünf Jahren von 13 auf 20 Prozent.

6. Wieso ist das jetzt ein Thema?

Im Jänner waren in Österreich fast 500.000 Menschen ohne Job. Werner Muhm, Direktor der Arbeiterkammer Wien, meinte, die Arbeitslosigkeit sei "in hohem Maß importiert", und regte an, die Personenfreizügigkeit innerhalb der EU einzuschränken.

7. Lässt sich das ändern?

Nicht leicht. Die Personenfreizügigkeit ist ein Grundpfeiler der EU. Einer Änderung müssten alle Mitglieder zustimmen.

8. War diese Situation nicht vorher abzusehen?

Am 1. Mai 2011 kam es zur Öffnung des heimischen Arbeitsmarkts für Bürger aus neuen EU-Staaten. Damalige Studien, etwa des Wifo, gingen von 26.000 Job-Migranten pro Jahr aus. Diese Prognose hat sich nicht bewahrheitet.

9. Was sind die politischen Positionen in der Frage?

Die SPÖ ist gespalten. Hans Niessl stellt sich hinter Muhm, Werner Faymann und Rudolf Hundstorfer widersprechen ihm. ÖVP-Chef Reinhold Mitterlehner kritisiert das Thema als "Phantomdebatte". Die Industriellenvereinigung und die Wirtschaftskammer sind klar gegen eine Beschränkung der Personenfreizügigkeit.

10. Wie geht es weiter?

Beim EU-Sozialministerrat am 7. März will Sozialminister Alois Stöger von der SPÖ Vorschläge zu einer Verschärfung der Entsenderichtlinie einbringen. Unter anderem sollen Sozialversicherungsbeiträge nach österreichischer Bemessungsgrundlage bezahlt werden.

Kommentare

Thompson Danny

KOREKT ! Österreicher zahlen auch Versicherung und Social Beiträger in der Schweiz zum beispiel ! Und kinderbeihilfe bekommen nur wen für Kinder eine Versicherung in die Schweiz abgeschlossen würde ....Also 230 € für Kind und züruck 215 € Versicherung ...

Angie624 melden

Da sieht man es wieder klar und deutlich: Die ÖVP, die Wirtschaftskammer und die Industriellenvereinigung unterstützen ihre Klientel der Arbeitgeber. Und es ist ihnen egal, welcher Schaden für die Arbeitnehmer entsteht, die immer schwerer einen Job finden. Leider übersieht die ÖVP dabei die langfristigen Probleme, die sich irgendwann auch auf die Arbeitgeber auswirken werden:

Angie624 melden

Die Osteuropäer schicken ihr Geld nach Hause zu den Familien und die Inländer finden immer schwerer einen Job: Das bedeutet Abfluss der Kaufkraft und die Arbeitgeber dürfen sich nicht wundern, wenn sie ihre Produkte irgendwann nicht mehr verkaufen. Außerdem die ganzen Kosten für die Arbeitslosen, das über Steuern wieder eingenommen werden muss. Aber die Politik interessiert das nicht. Daher...

Angie624 melden

Daher sind wir als Konsumenten gefragt: Bei Firmen, die nur abwandern oder billige Kräfte aus dem Ausland beschäftigen, nichts mehr kaufen. Bei Firmen, die sich der sozialen Gerechtigkeit und Nachhaltigkeit verschreiben, Kunde werden.

christian95 melden

Nicht nur als Konsumenten: Auch als Wähler(In) kann man mit entscheiden.
Wer ÖVP wählt darf sich später über diese ÖVP Politik nicht wundern.

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