EU-Skepsis ist populär

Ein Öxit ist unbeliebt, aber die Europäische Union ist möglicherweise noch unbeliebter

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Hierzulande werden regelmäßig, vor allem von der Österreichischen Gesellschaft für Europapolitik (ÖGfE), Umfragen über die EU-Mitgliedschaft Österreichs durchgeführt. Dabei zeigen sich immer hohe Zustimmungsraten. Zuletzt sprachen sich im Mai des heurigen Jahres 60 Prozent für und nur 31 Prozent gegen den Verbleib aus. Das ist nahe am Abstimmungsergebnis von 1994, als sich 66,6 für die EU und nur 33,4 Prozent gegen die EU aussprachen. Das sind freilich abstrakte Fragen, denn aktuell gibt es keine Kampagne für den EU-Austritt Österreichs. Wie diese wirken könnte und welche Wähler sie erreichen würde, ist also reine Spekulation. Bei tatsächlichen Abstimmungen in EU-Mitgliedsländern zeigt sich hingegen, dass in den letzten Jahren Abstimmungen, die sich gegen Pläne der Europäischen Union richteten, sehr oft erfolgreich waren.

Irland lehnte den Vertrag von Nizza und den Vertrag von Lissabon ab. Erst nach dem Beschluss von Ausnahmen wurde der Vertrag jeweils im zweiten Anlauf von der Bevölkerung angenommen. Die EU-Verfassung wurde in Frankreich und den Niederlanden abgelehnt. Das Vorhaben wurde in Folge begraben und stattdessen der Vertrag von Lissabon beschlossen. Dänemark und Schweden sprachen sich gegen die Einführung des Euro aus, Dänemark gegen eine Änderung seiner Opt-out-Regeln vom EU-Recht und die Niederlande gegen ein Assoziierungsabkommen mit der Ukraine. Griechenland sprach sich mehrheitlich gegen das Bailout-Programm der Eurzone aus, freilich stimmte die Regierung in Folge einem Programm mit noch strengeren Sparmaßnahmen zu. Das Nicht-EU-Mitgliedsland Schweiz entschied sich 2014 dafür, die Personenfreizügigkeit mit EU-Mitgliedsstaaten zu beschränken. Nicht zu vergessen Großbritannien, das sich heuer mehrheitlich für den Brexit entschied.

Alle diese EU-bezogen Abstimmungen fanden nach 2000 statt und sie betrafen so unterschiedliche Länder wie Dänemark, Irland oder Frankreich. Der letzte Vertrag, der ohne ursprüngliche Ablehnung in einem nationalen Referendum beschlossen wurde, war der Vertrag von Amsterdam 1998. Bei all diesen Referenden wurde im Vorfeld argumentiert, dass eine falsche Entscheidung mit hohen ökonomischen Kosten, einer Gefährdung des Wirtschaftsstandortes und einer Gefährdung der Zukunft einhergehen. In Referenden gegen Pläne der Europäischen Union zu wählen, ist also ganz schön populär in Europa.

Erfolgreich gegen ökonomische Vernunft

Wenn die Schweiz die Personenfreizügigkeit, wie im Referendum beschlossen, einschränkt, droht im schlimmsten Fall die Aufkündigung aller Vereinbarungen mit der EU. Die ökonomischen Konsequenzen wären verheerend. In Großbritannien warnte die Regierung eindringlich vor den Folgen des Brexit und die ersten wirtschaftlichen Folgen des nun geplanten EU-Austritts geben ihr Recht. Doch trotz dieser Warnungen setzte sich die Brexit-Bewegung durch. Immer wieder hat Anti-Establishment-Politik, die sich gegen die Europäische Union richtet, Erfolg. Auch wenn die wirtschaftliche Vernunft etwas Anderes nahelegen würde. Gerade bei Volksabstimmungen, wo jede noch so komplizierte Frage auf eine Ja-nein-Entscheidung heruntergebrochen wurde.

Die Strategie mit der Mobilisierung gegen ein fernes Establishment Wahlen oder Referenden zu gewinnen, ist nicht neu. Schon 1832 gewann Andrew Jackson seine Wiederwahl zum US-Präsidenten mit einer populistischen Agitation, die er auch antisemitisch begründete, gegen die damalige Bank oft the United States. Er behauptete, die Bank würde die Armen ärmer und die Reichen reicher machen und diene nur den Interessen des Establishments. Er erklärte die Präsidentschaftswahl zu einem Referendum über diese, in Ansätzen an eine heutige Notenbank erinnernde Institution. Ökonomisch sinnvoll war das nicht, erfolgreich war es trotzdem und wurde wiedergewählt. In der Folge waren solche Mobilisierungen immer wieder erfolgreich. Je ferner und ungreifbarer das Ziel für die populistische Empörung, desto eher.

Die EU ist in Österreich sehr unbeliebt

In Österreich würde eine Abstimmung über den EU-Austritt, die heute abgehalten wird, ziemlich sicher für die Europäische Union ausgehen. Das legen alle diesbezüglichen Umfragen nahe. Anzunehmen, dass die Union deshalb beliebt ist, wäre aber ein Irrglaube. Die EU erhebt regelmäßig in den Eurobarometerbefragungen das Meinungsbild und die Stimmungslage in der Union. Die jüngste Eurobarometer-Umfrage zeigt, dass die Österreicher zu 59 Prozent der Europäischen Union misstrauen - damit ist das Misstrauen gegenüber der EU sogar noch höher als gegenüber der österreichischen Regierung (52 Prozent). Für 36 Prozent hatte die EU ein negatives Image, nur 29 Prozent sahen das Image positiv. Besonders ablehnend ist die Einstellung gegenüber dem Freihandelsabkommen TTIP, das aktuell zwischen der EU und den USA verhandelt wird. 67 Prozent waren in der Eurobarometerbefragung dagegen, nur 23 Prozent sprachen sich für TTIP aus.

Die Europäische Union und TTIP werden bestimmende Themen im Bundespräsidentenwahlkampf. Alexander Van der Bellen steht hier für den proeuropäischen Weg, Norbert Hofer für den europaskeptischen. Einen Öxit lehnt er zwar ab, er wird aber immer wieder, auch von FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache, in den Raum gestellt. Gegen TTIP sprechen sich beide Kandidaten aus, aber Norbert Hofer mit mehr Nachdruck und Bestimmtheit. Es ist völlig unklar, wer diese Auseinandersetzung gewinnt. Aber eine Positionierung gegen das Establishment und hier besonders gegen ein Abkommen mit den USA und gegen das ferne Brüssel automatisch für eine Verliererposition zu halten, wäre voreilig. Bei der Brexit-Abstimmung vermittelten fast alle Umfragen und die Wettmärkte im Vorfeld eindeutig das Bild, dass er sicher nicht stattfinden würde. Bei der Abstimmung zeigte sich dann ein anderes Bild.

Die Mobilisierung von Emotionen gegen ein fernes Establishment kann eine Wahl gegen die Angst vor den Konsequenzen gewinnen. Letztlich ist es immer eine Wahl zwischen denen, die fürchten verlieren zu können, und denen, die das Gefühl haben, nichts mehr zu verlieren zu haben. Die Eurobarometerbefragung zeigt, dass die Österreicher sowohl eine Verschlechterung der ökonomischen als auch der Arbeitsplatzsituation befürchten. Das bedeutet nicht, dass das Lager derjenigen, die das Gefühl haben, nichts mehr verlieren zu können, größer ist als das derjenigen, die wirtschaftliche Konsequenzen fürchten. Das kann niemand seriös abschätzen. Aber wenn ein Kandidat eine Positionierung wählen würde, die auf die Angst vor dem EU-Austritt setzt, ohne eine eigene Emotion zu wecken, wie es anders und besser gehen könnte, wäre das womöglich zu wenig. Von den letzten 15 EU-bezogenen Abstimmungen in Mitgliedsstaaten gingen jedenfalls neun gegen eine Vertiefung beziehungsweise die Teilnahme an EU-Plänen aus und nur sechs für ebendiese. Die Bundespräsidentenwahl zu einem Referendum über die Europäische Union zu machen, wäre vor dem Hintergrund der letzten tatsächlichen EU-bezogenen Referenden also zumindest riskant und der Ausgang höchst ungewiss.

Kommentare

higgs70

Naja, die Sache ist recht einfach erklärt. Wenns um Herbizidgrenzwerte geht und man setzt die rauf nicht runter, wenns um Atomkraft geht und meine Gefährdung zählt nichts, nur die Interessen von Industriekasperln, wenn Tolme in Vorstand und Treasury zu dämlich sind in ihrer Gier amerikanische Giftpapierln vor dem Kauf zu prüfen und folglich krachen, aber zahlen müssen es dann alle, wenn man also Banken rettet statt Menschen und Länder, wenn man Füllmengen variabel macht damit der Handel mich besser bescheißen kann, wenn man mittlerweile in einer europäischen Welt leben muss, in der geplante Obsoleszenz zum guten Ton gehört anstatt eine Flut von Strafverfahren wegen schwerem gewerbsmäßigen Betrug zu erzeugen, wenn Narren einen demnächst an das TTIP ausliefern wollen und damit Konzernklagen, gentechnisch veränderten Lebensmitteln und Fracking Tür und Tor öffnen, weil Lobbyisten inzwischen das große Sagen haben, dann ist das ein Europa der Konzerne, wo man jede Gehirnzelle einzig und allein an den großen Markt verschwendet. Und dann gibts halt alles von mir, von Hohn über Spott bis hin zu Ablehnung. Aber sicher kein Vertrauen.

Oliver-Berg

Die EU hat sich seit den späten 90 er Jahren zu einem konzeptlosen Verein mit extrem schwachen "Nichtführungspersönlichkeiten" entwickelt Barroso, Junker, Schultz, Merkel & Co. Zudem glaubt die EU-Kommission in jeden täglichen Bereich mit übertriebenen Regulativen
und überbordender Bürokratie alles beherrschen zu müssen. Das erzeugt zu Recht Skepsis.

Tavington melden

immer diese blöde umfragen. ohne eu war es schöner, das steht mal fest. und wäre es schöner.

Henry Knuddi
Henry Knuddi melden

es wäre schöner und du ärmer - du kannst dir kein internet mehr leisten - dafür ist es schöner

freud0815 melden

ich zb werde immer pro EU sein :)

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