ÖVP-Skandal: Das Geld-Komitee

Die Justiz ermittelt gegen den Organisator des Wahlkomitees von Molterer 2008.

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Fakten - ÖVP-Skandal: Das Geld-Komitee

Zur Orientierung lohnt sich ein Blick zurück ins Jahr 2008: Vizekanzler Molterer hat gerade mit den berühmten Worten „Es reicht“ die Koalition mit der SPÖ aufgekündigt. Die Wahlmaschinerie beginnt zu laufen. Und da darf natürlich auch ein mit prominenten Sympathisanten besetztes Personenkomitee für den schwarzen Spitzenkandidaten nicht fehlen. Als Sprecher des Komitees fand sich Ex-EU-Kommissar Franz Fischler. Und für die Organisationsarbeit im Hintergrund konnte Molterer jemanden gewinnen, der bereits Erfahrung in diesem Bereich hatte: den einstigen Leiter des Personenkomitees für den damaligen Bundeskanzler Wolfgang Schüssel im Jahr 2006.

„Präsumtive Scheinrechnung“

Und dieser Wahlmanager sollte sieben Jahre später, am 15. September 2015, gehörigen Erklärungsbedarf haben. An diesem Tag wurde er vom Bundesamt zur Korruptionsprävention und Korruptionsbekämpfung als Beschuldigter einvernommen. Laut Einvernahmeprotokoll besteht der Verdacht, er habe 2008 „zur Ausstellung einer präsumtiven Scheinrechnung“ der Agentur Mediaselect an die Raiffeisenlandesbank Oberösterreich (RLB OÖ) beigetragen.

Zum Hintergrund: Die ÖVP schaltete über die Mediaselect unter anderem in großem Stil Inserate. Die Kosten dafür sollen teilweise von Dritten via Scheinrechnungen beglichen worden sein. Die Volkspartei soll entsprechende Gutschriften erhalten haben. Laut Verdachtslage liefen alleine zwischen 2005 und 2008 insgesamt 523.231 Euro an mutmaßlichen illegalen ÖVP-Parteispenden über die Mediaselect. Das Geld soll ursprünglich von der damaligen Telekom Austria, den Österreichischen Lotterien und der RLB OÖ stammen. Für die Jahre davor könnten auch noch verschiedene Gelder aus diversen Quellen dazukommen.

99.671 Euro von Raiffeisen OÖ

Gegen den Molterer-Komitee-Manager wird jedenfalls wegen einer Rechnung der Mediaselect an die RLB OÖ vom 30. September 2008 ermittelt. Dabei ging es um 99.671 Euro. Das Geld floss laut Rechnungstext „für die Positionierung des Herrn Generaldirektors im Zuge der Schaltungen für die NRW 08“. Der damalige RLB-Boss Ludwig Scharinger war tatsächlich einer der Molterer-Unterstützer im Personenkomitee. Die Frage ist, weshalb die RLB dafür so viel Geld ausgeben sollte. Auf den Inseraten des Komitees scheint Scharinger, soweit bekannt, nämlich nur im Kleingedruckten als einer von zahlreichen Unterstützern auf. Scharingers Anwalt gab zur Causa zuletzt mit Verweis auf das laufende Verfahren keinen Kommentar ab. Der Ex-Banker gilt nach einem Sturz als gesundheitlich schwer angeschlagen.

Die Schaltung der Inserate fand jedenfalls über die Mediaselect statt. Der Komitee-Manager soll laut Verdachtslage den damaligen Mediaselect-Geschäftsführer und späteren ÖVP-Direktor Markus Keschmann angewiesen haben, die mutmaßliche Scheinrechnung an die RLB OÖ zu legen. In seiner Einvernahme gab der Ministerinnen-Sohn an, möglicherweise die Rechnungsadresse weitergeleitet zu haben. Mit der Rechnungsausstellung oder dem Rechnungstext habe er allerdings nichts zu tun gehabt.

Verschleierter Spendenfluss

Dennoch hat der Mann augenscheinlich Wahlspenden via Scheinrechnungen abgewickelt: Die Ermittler fanden drei Rechnungen der Mediaselect an die Unternehmensberatungsfirma des Komitee-Managers über jeweils 9.480 Euro. Laut Rechnungstext fiel das Geld „für strategische Kommunikationsberatung; Mediaberatung und Mediaplanung“ an. Letztlich wurden damit allerdings Inserate des Molterer-Komitees bezahlt.

In einer schriftlichen Stellungnahme an die Ermittler gab die Anwältin des Komitee-Organisators an, diesen Rechnungen der Mediaselect an das Beratungsunternehmen würden Rechnungen des Beratungsunternehmens an eine Tiroler Bau- und an eine Wiener Immobilienfirma über insgesamt 28.800 Euro gegenüberstehen: „Unser Mandant wurde seiner Erinnerung nach entweder von Dr. Fischler oder Dr. Molterer gebeten, mit diesen beiden Unternehmen in Kontakt zu treten, da diese sich bereit erklärt hatten, einen vorab vereinbarten Beitrag zu den Aktivitäten des Personenkomitees für Dr. Wilhelm Molterer zu leisten“, heißt es in der Stellungnahme vorerst noch unverdächtig. Doch dann setzt die Anwältin fort: „Auf Ersuchen der Unternehmen einer schnellen Abwicklung wurden die Leistungen – mit einer durch diese Unternehmen zur Verfügung gestellten Leistungsbezeichnung – von unserem Mandanten in Rechnung gestellt.“

Fantasievoller Rechnungstext

Mit anderen Worten: Die Firma des Komitee-Managers erhielt Geld von Molterer-Spendern, gab es weiter an die Mediaselect und die bezahlte damit Inserate. Das Problem dabei: Auf keiner einzigen Rechnung steht „Wahlkampfspende“ im Rechnungstext. Stattdessen zahlte die Tiroler Baufirma zweimal 8.400 Euro als „Monatspauschale“ für „Lobbying- und Netzwerkaktivitäten“ plus 20 Prozent Mehrwertsteuer. Und die Wiener Immobilienfirma erhielt eine Rechnung für „2 Tage – Vorbereitung und Planung; 2 Tage – Durchführung; 1 Tag – Nachbearbeitung eines zweitägigen Strategieworkshops für das neu zu eröffnende Appartmenthaus (...); 5 Tage á € 2.000,-“ plus 20 Prozent Mehrwertsteuer.

Folgt man der Darstellung des Molterer-Komitee-Managers, der diese Rechnungen ja über seine Firma ausgestellt hat, handelt sich dabei also um klassische Scheinrechnungen. „Bei allen drei Zahlungen handelte es sich für das Unternehmen unseres Mandanten um reine Durchläuferposten, die an die Media Select abzuführen waren, da sie für Schaltungen des Personenkomitees verwendet werden sollten“, schrieb seine Anwältin den Ermittlern. „Die Rechnungen wurden ebenso gedankenlos ausgestellt wie die Rechnungen der Media Select angenommen und durch das Unternehmen unseres Mandanten beglichen wurden. Auch auf die Ausstellung dieser drei Media Select Rechnungen hat unser Mandant keinen Einfluss genommen. Unser Mandant kann sich dies einfach nur so erklären, dass er dies aufgrund der hektischen Wahlkampfsituation einfach nicht hinterfragt hat.“

Ob die Justiz mittlerweile auch zu diesen drei Rechnungen Ermittlungen aufgenommen hat, ist nicht bekannt. Darauf, dass Molterer oder einer seiner Fans im Komitee die Details der Abrechnung kannte, deutet bisher nichts hin. Alle Betroffenen haben sämtliche Vorwürfe immer zurückgewiesen. News hat mit dem beschuldigten Komitee-Manager gesprochen. Er erklärt, es habe sich um eine ehrenamtliche Tätigkeit gehandelt. Er habe sich nichts vorzuwerfen.

Fischler als Spenden-„Vehikel“

Spannend ist, dass der ÖVP das Komitee augenscheinlich nicht nur zur direkten Unterstützung des Spitzenkandidaten diente, sondern auch, um Geld für die Partei selbst hereinzubringen. News liegen dutzende E-Mails aus dem Umfeld der Volkspartei vor. Ein paar davon sind im genannten Zusammenhang sehr aufschlussreich: Am 23. September 2008 schrieb ein Mitarbeiter des zur ÖVP gehörenden Verlagshauses Alpha-Medien an den Molterer-Komitee Chef. Die Betreffzeile lautete: „ergebnis (fischler brief)“. Der Inhalt: „Lieber (...), lt. heutiger auskunft (abt. finanz) haben wir folgenden eingang: 500 – franz f.; 20.000 – rudolf g.“ Der Komitee-Organisator antwortete am selben Tag und richtete sein Mail gleich auch an Michael Fischer, den früheren Organisationsreferenten der ÖVP und nunmehrigen „nicht operativen“ Geschäftsführer der Mediaselect, der aber offenbar in der Partei immer noch etwas mitzureden hatte. Der Komitee-Chef wollte wissen: „Lieber Michi – ist das Geld für mich für den Schluss verwendbar oder nicht?“

Die Antwort kam zwei Tage später, aber sehr vehement: „NEIN! g. spendet z.B. immer. ich habe allgemeine spender nur via ‚vehikel’ fischler gebeten zu spenden für das normale övp eingangs budget. Willi kann ja nicht selber bitten. das sind normale spenden die in die övp eingehen!!!!!! ihr habt das vereinbarte budget und eigene spenden! sorry!“ Dieses Mail ging auch an mehrere Personen in der Partei, darunter auch an die damalige ÖVP-Bundesgeschäftsführerin Michaela Mojzis.

„Keine Budgetabgrenzung“

War das offiziell als eigener Verein organisierte Personenkomitee nur ein „Vehikel“ zum Spendenkeilen für die Partei? Er sei per Mail über den Spendeneingang des „Bettelbriefes“ informiert worden, erläutert der Komitee-Manager in seiner Einvernahme das zitierte Mail. Für die „Geldsuche“ sei er nicht verantwortlich gewesen. „Dafür waren mehrere Personen zuständig, ua auch Michael Fischer, welche auch für das Wahlkampfbudget der Bundespartei zuständig waren, aus meiner Sicht gab es ja keine Abgrenzung zwischen dem Wahlkampfbudget und dem Budget der Initiative.“

News fragte bei der ÖVP nach, ob tatsächlich Spenden, um die Fischler gebeten hatte, nicht für das Personenkomitee, sondern für das allgemeine Wahlkampfbudget verwendet worden sind. „Über die Finanzierung des Personenkomitees liegen uns heute – acht Jahre danach – keine Unterlagen mehr vor“, heißt es dazu von Seiten der Partei.

Ein kleiner Blumenstrauß

Betont sei, dass das Personenkomitee unter dem Titel „Qualität für Österreich“ damals nicht behauptet hat, überparteilich zu sein. Man hat sich allerdings schon als „privater Verein“ und als „offene Plattform“ präsentiert. Interessant ist aber, dass ÖVP-Direktor Keschmann bei einer Beschuldigteneinvernahme im September 2014 - möglicherweise automatisch – von einem „parteiunabhängigen Personenkomitee“ sprach.

Gleich vier Tage nach dem Start der Plattform 2008 gab es übrigens etwas zu feiern: Claudia F., eine Pensionistin aus Salzburg, hatte sich als tausendste Unterstützerin registriert. Fischler versprach ihr via Presseaussendung dafür „einen kleinen Blumenstrauß als Dankeschön“.

Den hat sich die Dame sicher auch wegen ihres Statements bei der Registrierung verdient: „Ich unterstütze die ÖVP und Wilhelm Molterer, weil sie die seriöseste Partei ist und meinen ethischen Ansprüchen am meisten entspricht.“ Über die prophetischen Qualitäten von Frau F. wird möglicherweise irgendwann einmal sogar ein Gericht entscheiden.

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Kommentare

Laleidama

Her Molterer..es reicht....

Wahltag ist Zahltag: ja, da entscheidet sich wieder einmal, welche Parteischleimer als Wirtschaftsflüchtlinge sich aus ihren ungeliebten Privatberufen, sich von diesen verabschieden und an den Futtertrog
eines nicht mit harter Arbeit belasteten Mandats begeben dürfen.

christian95 melden

Wahltag ist Zahltag!
So lange wir solche Parteien immer wieder wählen darf man sich nicht wundern wenn sich nichts ändert. ("Wir können machen was wir wollen die Tr... wählen uns eh wieder")
Nur wer Veränderung wählt kann auch Veränderung erwarten.

christian95 melden

Herr Molterer als "gelernter Bauer" wurde Landwirtschaftsminister, später Finanzminister und hat heute einen hochbezahlten Job als EU Banker. Mit einem Parteibuch von Schwarz oder Rot ist man sofort für JEDE Funktion qualifiziert. Das ist eine Verhöhnung all jener die sich um eine qualifizierte Ausbildung bemühen.

giuseppeverdi melden

christian95 das ist überall so. Als Schwarz/Blau an der Macht war, war es halt bei denen so und nun ist Rot/Schwarz an der Macht und nun ist es bei diesen genauso. Es ist völlig egal wer am Trog ist. Jeder versorgt sich und seine Schäfchen. Da nützt auch nicht, wenn wir alle anders wählen. Wer glaubt das dann alles anders wird ist ein Träumer! Der der oben ist tut was er will.

christian95 melden

@ giuseppeverdivor
Neulich am Land in einem Schweinestall: Bei der Fütterung lärmen nur jene Schweine laut die sich noch keinen Platz am Futtertrog erkämpft haben. Stehen sie erst einmal ganz vorne machen sie sich breit und wollen alle anderen verdrängen. Aber das hat mit Politik nichts zu tun.
Wenn Rot und Schwarz seit 1945 nicht fürchten müssen, dass sie abgewählt werden, dann machen sie wei

christian95 melden

Kärnten hat sich eine andere Regierung gewählt. So weit ist Wien oder NÖ noch lange nicht. Leider sind die Grünen keine wirkliche Alternative. Immer wenn Rot oder Schwarz abgewählt werden stehen sie für eine weitere Mehrheitsbeschaffung zur Verfügung. Zum Dank dürfen sie dann die Autofahrer auf Autobahnen mit Tempo 80 oder FUZO ärgern.

margamarga melden

Wieso fragt Herrn Kohl niemand nach der Sumpflandschaft in der er und seine Kumpels, samt Bankern und Wirtschaftsbossen in dieser Phase und noch immer wandern! Der Mann war zu lange Teil dieses Systems - er hat in der Hofburg nichts verloren!

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