100 Tage Corona: "Shutdown" zu Ende, Wirtschaftskrise blieb

Mit Anfang Mai fuhr das System langsam in einen Schwebezustand namens "neue Normalität" hoch.

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Österreich - 100 Tage Corona: "Shutdown" zu Ende, Wirtschaftskrise blieb
© Bild: PHILIPPE LOPEZ / AFP

Dank der sinkenden Fallzahlen konnte Österreich den "Shutdown" nach rund sechs Wochen wieder lockern. Mit Anfang Mai fuhr das System langsam in einen Schwebezustand namens "neue Normalität" hoch. Überschattet wurde diese Realität aber durch die schwerste Wirtschaftskrise seit dem Zweiten Weltkrieg. Und dass das Virus noch nicht besiegt war, zeigten schon die allgegenwärtigen Gesichtsmasken.

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Selbst wenn das Coronavirus ein innerasiatisches Problem geblieben wäre, hätten die Auswirkungen wohl zu Schockwellen in der Weltwirtschaft geführt - durch das globale Ausmaß wurden sie aber zur Katastrophe. "Es ist eine wirklich globale Krise, weil kein Land verschont bleibt", warnte IWF-Chefvolkswirtin Gita Gopinath. Der prognostizierte Wirtschaftseinbruch werde "die schlimmste Rezession seit der Großen Depression sein und wesentlich schlimmer als die globale Finanzkrise von 2008 bis 2009".

Wie tief ist der Fall?

Wie stark Österreich von der Krise betroffen sein wird, war nach 100 Tagen nur schwer absehbar. Klar ist aber inzwischen, dass der Wirtschaftseinbruch nicht mit einem kurzem Absacken und anschließend rascher Erholung, dem sogenannten "V"-förmigen Einbruch, erledigt ist. Wie tief der Fall heuer ausfallen wird, darüber gingen die Schätzungen noch auseinander. Die EU-Kommission erwartete für Österreich ein Minus von 5,5 Prozent, der IWF sieben Prozent, das Wifo bis zu 7,5 Prozent und die Bank Austria zehn Prozent. Auch die Weltwirtschaft dürfte heuer um drei bis neun Prozent absacken.

»Der beschlossene Budgetentwurf für 2021 dürfte jedenfalls nicht einmal annähernd halten«

In Österreich brach neben der Gastronomie vor allem der Tourismus aufgrund der ausbleibenden Gäste beinahe vollkommen ein. Beim Finanzminister - ein Amt, das traditionell eher nicht mit Spendierhosen einhergeht - saß das Geld daraufhin plötzlich sehr locker. "Entscheidend wird sein, wie viele Leben wir gerettet haben, wie viele Arbeitsplätze wir gesichert haben und wie viele Unternehmen wir vor der Insolvenz bewahrt haben - ...am Ende werden nicht die Budgetzahlen entscheidend sein", meinte Ressortchef Gernot Blümel (ÖVP).

Der beschlossene Budgetentwurf für 2021 dürfte jedenfalls nicht einmal annähernd halten, wie auch die Regierung zugestand. Vorgesehen war ein Defizit von 20,6 Mrd. Euro, das aber bei weitem überschritten werden dürfte.

Um möglichst viele Menschen in Beschäftigung zu halten, wurde ein eigenes Kurzarbeitsmodel geschaffen, für das bisher zwölf Mrd. Euro bereitgestellt wurden, über zehn Mrd. davon sind bereits zugesagt. Dennoch erreichte die Arbeitslosigkeit Ende April mit über 571.000 Personen einen Höchststand, die Arbeitslosenquote stieg auf 12,8 Prozent. Ende Mai waren es immer noch über 500.000 Menschen ohne Job, gut 100.000 mehr als vor der Krise. Dazu kamen knapp 110.000 Kurzarbeitsanträge für 1,3 Millionen Menschen.

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Auch die Airlines blieben am Boden. Sowohl die Austrian Airlines (AUA) als auch die Laudamotion stellten den Flugbetrieb völlig ein, was beide Fluglinien in heftigste Turbulenzen brachte. Während sich bei der AUA Ende Mai eine mögliche Staatsbeteiligung abzeichnete, sah es bei der Ryanair-Tochter Lauda triste aus. Die Gewerkschaft vida lehnte einen neuen, wesentlich schlechteren Kollektivvertrag ab, woraufhin der Mutterkonzern Ryanair den Standort Wien schließen wollte. Auch die Laudamotion-Standorte in Deutschland waren stark betroffen, dort konnten zuletzt die Mai-Gehälter vorerst nicht bezahlt werden.

Rücktritt von Kultur-Staatssekretärin Lunacek

In der Politik führte das Coronavirus bisher nur zu einem Rücktritt. Nachdem der Kulturbetrieb den völligen Stillstand anfangs noch hingenommen hatte, machte sich dann doch Ärger breit. Große Aufmerksamkeit bekam der Unmut durch ein Wut-Video des Kabarettisten Lukas Resetarits. Die anhaltende Kritik führte schließlich am 15. Mai zum Rücktritt der zuständigen Staatssekretärin Ulrike Lunacek (Grüne). Ihr folgte Andrea Mayer im Amt nach, ehemalige Leiterin der Kunst- und Kultursektion und Kabinettsdirektorin von Bundespräsident Alexander Van der Bellen.

Was nach 100 Tagen Coronavirus blieb, war - neben den Folgen des wirtschaftlichen Einbruchs - vor allem die Angst vor einer zweiten Welle, die die Situation wohl noch weiter dramatisch zuspitzen würde. Der stets warnende deutsche Virologe Christian Drosten gab sich dabei vorsichtig optimistisch. Die Wissenschaft habe inzwischen ein besseres Verständnis des Infektionsgeschehens. "Jetzt kennen wir das Virus genauer, wir wissen besser, wie es sich verbreitet." Somit sei es auch besser zu kontrollieren. Völlige Entwarnung gibt es aber erst, wenn ein Impfstoff oder ein Medikament gegen das Virus entwickelt wurde.

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