Österreich feiert
60 Jahre Staatsvertrag

Festakt im Belvedere mit den Regierungsspitzen - Was der Vertrag beinhaltet

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Fakten - Österreich feiert
60 Jahre Staatsvertrag

Österreich habe die "Gunst der Stunde genutzt", blickte der Bundeskanzler zurück. Es seien unterschiedliche Persönlichkeiten gewesen, die Österreich geführt haben. Sie seien Angehörige unterschiedlicher Parteien gewesen, mit unterschiedlichen Lebenswegen und Schicksalen. Sie erlebten Flucht, Haft und Verfolgung. Daraus sei die Lehre zu ziehen, dass mit Hass kein Staat zu machen sei, dies gelte auch heute noch. "Die Zähigkeit, die Geduld und der Optimismus" der damaligen Politiker sollte Vorbild sein für die Lösung von Konflikten im heutigen Europa, so Faymann.

"Österreich hatte das Glück, dass es nach dem Zweiten Weltkrieg nicht allein gelassen wurde. Die Siegermächte waren bereit, am Wiederaufbau des zerstörten Europas mitzuhelfen", erklärte der Bundeskanzler. Auch heute stelle sich in der EU die Frage, ob man bereit ist, zusammenzustehen und jenen zu helfen, "die unsere Hilfe und Solidarität benötigen", so Faymann. Das Gemeinsame vor das Trennende zu stellen und die Tatsache, dass Konflikte miteinander ausdiskutiert werden, dieser Ansatz habe die Zweite Republik bestimmt.

Österreich als Vermittler

Der Staatsvertrag habe Österreich Unabhängigkeit und die Grundlage für Prosperität und Wohlstand gebracht. Österreich habe durch den Staatsvertrag seine Souveränität wiedererlangt und sich zur Neutralität bekannt. Eine "aktive Neutralität" bedeute, dass Österreich aber Stellung nimmt und im Rahmen seiner Möglichkeiten einen Beitrag zum Frieden leistet, so Faymann: "Neutralität ist nicht Teilnahmslosigkeit, sondern aktives Mitgestalten." Als neutraler Staat nehme das Land noch heute oft seine Vermittlerrolle wahr. Österreich wisse, "welche Gefahr von einem gespaltenen Europa" ausgeht. Wenn heute der Jahrestag des Staatsvertrages gefeiert wird, "erinnern wir uns daran, welchen Wert ein geeintes Europa hat", so Faymann.

Vizekanzler: Schlussstrich unter die dunklen Jahre

Vizekanzler Reinhold Mitterlehner (ÖVP) ist im Staatsvertragsjahr geboren, "schon in Freiheit, im Dezember", meinte er. Was den Zeitpunkt des Abschlusses zehn Jahre nach Kriegsende betrifft, sprach auch der Vizekanzler von einem "Window of opportunity". Der Staatsvertrag war aus seiner Sicht ein "zumindest scheinbarer formaler Schlussstrich" unter die dunklen Jahre der Zeit davor. Die Schulderklärung Österreichs wurde noch in der Nacht vor der Unterzeichnung durch Einwirkung von Außenminister Leopold Figl aus dem Entwurf gestrichen. Erklärbar sei dies dadurch, dass Figl "mit sich selbst im Reinen war", so Mitterlehner. Der "Opfermythos" habe dadurch viel zu lange überdauert. Mittlerweile habe das Land in vielen Bereichen Verantwortung übernommen, so Mitterlehner.

Der Vizekanzler zollte all jenen Österreichern Respekt, die am Zustandekommen des Vertrages mitgewirkt haben und mitgearbeitet haben, daran, dass Österreich das wurde, was es heute ist. Mitterlehner meinte weiters, dass Figl, der auch für den Satz "Glaubt an dieses Österreich" bekannt ist, heute "Glaubt an dieses Europa" gesagt hätte.

38 Artikel zur Österreichs Souveränität

In neun Teilen mit insgesamt 38 Artikeln wurden am 15. Mai 1955 die Beendigung der alliierten Kontrolle und Besetzung sowie die Anerkennung Österreichs als souveräner Staat und grundlegende Prinzipien der künftigen Politik festgeschrieben. "Staatsvertrag betreffend die Wiederherstellung eines unabhängigen und demokratischen Österreich" lautet die offizielle Bezeichnung dieses Abkommens.

Zu den grundlegenden Prinzipien gehören die Aufrechterhaltung der Demokratie und - mit dem Weiterbestand des Habsburger-Gesetzes - der Republik, das Verbot nationalsozialistischer Organisationen, das Verbot des Anschlusses an Deutschland, die Einhaltung der Menschenrechte und das Verbot von Spezialwaffen. Im Staatsvertrag verankert ist auch der Schutz der slowenischen und der kroatischen Minderheit.

Rückkehr der Kriegsgefangenen geregelt

Geregelt wurden weiters die Rückkehr der Kriegsgefangenen nach Österreich sowie die künftige Pflege von Kriegsgräbern und "Denkmälern, die dem militärischen Ruhm der Armeen gewidmet sind, die auf österreichischem Staatsgebiet gegen Hitler-Deutschland gekämpft haben". Dazu kommt eine Reihe von vermögensrechtlichen Bestimmungen. Die Sowjetunion ließ sich die Verfügungsgewalt über das "deutsche Eigentum", die Basis der späteren verstaatlichten Industrie, teuer abkaufen.

1990: Änderung des Staatsvertrages

Zu einer Änderung des Staatsvertrages kam es im Herbst 1990 nach dem Fall des Eisernen Vorhangs und dem "Zwei plus vier"-Vertrag, der 1990 für Deutschland die Wiedervereinigung und das Ende der Nachkriegsordnung brachte. Österreich hat Bestimmungen über den Ankauf von Raketen, deutschem Rüstungsmaterial und deutschen Zivilflugzeugen sowie Einschränkungen bei der Übertragung ehemaliger deutscher Vermögenswerte für obsolet erklärt, was von den vier Signatarmächten in der Folge auch anerkannt wurde.

Nicht Gegenstand des Staatsvertrages - zumindest rein formal gesehen - ist die Neutralität. Das Neutralitätsgesetz wurde vom Nationalrat erst am 26. Oktober 1955 beschlossen. Politisch betrachtet freilich ist der Zusammenhang ein enger. Die Verpflichtung Österreichs, eine Neutralität nach Schweizer Vorbild zu wählen, war Bedingung der Sowjetunion für die Zustimmung zum Staatsvertrag.

Kommentare

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Ich kann mich noch gut an den Geschichtsunterricht erinnern. Wir lernten tatsächlich, dass Österreich "Opfer" war. Später klärten mich die paar männlichen Familienmitglieder, die aus dem Krieg (halbe Kinder, zerschossen und verkrüppelt) zurückkehrten, auf. Sie waren teilweise erst 17, als sie eingezogen wurden. Einige verloren ihr Leben. Ich war entsetzt damals. ->

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Vor dem Krieg herrschte bereits große Not und Arbeitslosigkeit. Das war wohl für viele Menschen ein Beweggrund, dem "Führer" zu glauben, dass er Arbeit und Brot bringen würde.

Ich hoffe sehr, dass die heutigen Politiker daraus gelernt haben/lernen. Aber natürlich auch wir als Bevölkerung.

christian95 melden

Figl, Raab, Körner, Jonas, Kreisky...
müssen sich "im Grab umdrehen" wenn sie sehen was ihre Nachfolger aus diesem Staat gemacht haben!

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Meinen Sie, daß die so schockiert wären, daß die hetzerische Propaganda der FPÖ nicht ausreicht den sozialen Frieden zu gefährden? Meine Großeltern waren die Kriegsgeneration. Meine Eltern sind unmittelbar nach dem Krieg auf die Welt gekommen. Ich gehöre zur priviligierten Generation, der ersten übrigens in Europa, die mit Krieg nicht konfrontiert war.....

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....das ist mir die 130 Euro an Steuergeldern die von mir nach Brüssel überwiesen mehr als wert. Europa als Friedensprojekt, der Osten integriert, das was damals die Braunhemden angezettelt haben, kann sich heute zum Glück mit Blauhemden nicht wiederholen. Bezeichnungen wie "wertloses Menschenmaterial" eignet sich nur eine ungebildete Minderheit an. Gut so.

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