Piketty: "Erbschaften gehören
progressiv besteuert"

NEWS traf den umstrittenen Wissenschaftler, dessen Thesen für Aufsehen sorgen

von
Star-Ökonom - Piketty: "Erbschaften gehören
progressiv besteuert"

Der Wirtschaftswissenschaftler hat aber offenbar den Nerv der Zeit getroffen. Zeichnet er doch nüchtern und ohne ideologischen Eifer eine Entwicklung nach, die immer mehr Menschen mit Sorge erfüllt. Dass der Reichtum stetig ungleicher verteilt ist und für die Mittelschicht immer weniger übrig bleibt. Pikettys Lösung: große Vermögen stärker zu besteuern und dafür Arbeit steuerlich zu entlasten, um so mehr Menschen Wohlstand zu ermöglichen. NEWS traf ihn in Paris.

NEWS: Ihr Buch trägt den Titel „Kapital im 21. Jahrhundert“. Wenn man den Begriff Kapital liest, denkt man unweigerlich an Karl Marx. Sind sie denn ein Marxist?
Thomas Piketty: Ich gehöre zur Generation, die nach dem Kalten Krieg groß wurde, und hatte nie nostalgische Gefühle im Bezug auf den Kommunismus. Für unsere Generation ist das bereits Geschichte. Genau deswegen ist es mein Ziel, das Kapital ins 21. Jahr- hundert zu bringen und sich unideologisch dessen Entwicklung anzusehen.

NEWS: Wollten Sie mit diesem Buch wie Karl Marx die Welt verändern?
Piketty: Ich glaube an die Demokratie und die Kraft von Ideen und Büchern. Aber ich bin nicht so naiv zu glauben, dass ein Buch die Welt verändern kann. Wir werden nicht aufhören, über die Frage der Verteilung zu streiten, nur wegen meines Buchs. Ich hoffe aber, zu einer informierteren politischen Debatte beizutragen.

NEWS: Können Sie für unsere Leser die zentralen Aussagen ihres Buches zusammenfassen?
Piketty: Es ist eine Geschichte der Einkommen und des Wohlstandes in über 20 Ländern im Verlauf der letzten 200 Jahre. Es beruht auf der größten historische Datenbank für die Verteilung von Einkommen und Vermögen, die jemals geschaffen wurde. Eine zentrale Entwicklung, die ich auch im Buch darlege, ist die Tendenz, dass im Lauf der Geschichte die Rendite, die man auf Kapital erhält, höher ist, als das Wachstum der Wirtschaft insgesamt.

»Kapital wächst schneller als die Wirtschaft«

NEWS: Weshalb ist das ein Problem?
Piketty: In vorindustriellen Gesellschaften galt es als Usus, dass Kapital schneller wächst als die Wirtschaft, die ja fast gar nicht wuchs. Die wichtigste Aussage meines Buches ist, dass sich das nicht so stark verändert hat, wie wir bisher angenommen haben. Wenn die Wachstumsrate wie in den letzten Jahrhunderten bei etwa 1 bis 1,5 Prozent jährlich liegt und die Zinsen auf Kapital bei 4 bis 5 Prozent liegen, dann muss man, wenn man vermögend ist, nur einen Teil des Kapitals reinvestieren und wird trotzdem immer mehr haben, als die Gesellschaft insgesamt gewachsen ist. Das ist aus meiner Sicht der wesentliche Grund, weshalb die Kapitalkonzentration bis zum Beginn des 1. Weltkriegs so stark zugenommen hat. In den folgenden Krisen wurde viel Kapital zerstört und konnte erst langsam wieder aufgebaut werden. Aktuell gehen wir wieder in Richtung einer großen Ungleichheit der Vermögensverteilung. Für die Zukunft kann ich nicht sagen, ob Kapital weiter schneller wachsen wird als die Wirtschaft insgesamt. Aber es ist sehr wahrscheinlich.

NEWS: Kapital war immer stark konzentriert in den Händen weniger. Trotzdem geht es insgesamt ja allen Menschen weit besser als früher. Was ist also das Problem, wenn es Ungleichheit gibt?
Piketty: Ich schätze den Kapitalismus dafür, dass es gelungen ist, das Leben für sehr viele Menschen zu verbessern. Ungleichheit kann gut für Innovation und Wachstum sein. Das Problem entsteht, wenn die Unterschiede zu groß werden, wie es beispiels- weise in Europa vor dem 1. Weltkrieg der Fall war. Dann nimmt die Aufwärtsmobilität ab, und es kommt zu starker Konzentration und Weitergabe des Reichtums über die Generationen. Das schadet dann nicht nur dem Wachstum, sondern gefährdet das Ideal unserer Gesellschaft, dass man es mit Leistung zu etwas bringen kann. Wir haben keine mathematische Formel dafür, ab wann Ungleichheit schädlich ist. Aber wir können aus den historischen Entwicklungen sehen, dass zu große Ungleichheit schädlich war, während die reduzierte Ungleichheit nach den Weltkriegen es neuen Gruppen ermöglichte, Wohlstand zu erwerben. Es entstand eine Mittelschicht, und die ist gut für das Wachstum und die Entwicklung der Demokratie.

»Ungleichheit steigt«

NEWS: Steigt die Ungleichheit wieder?
Piketty: Wenn man die letzten Jahrzehnte betrachtet, dann haben die Inhaber großer Vermögen drei Mal so schnell an Vermögen gewonnen, wie die Gesellschaft insgesamt. Wenn das für 30 Jahre so weiter geht, dann wird der Anteil des Wohlstandes, der den vermögendsten Personen gehört, sehr groß werden, während der Anteil der Mittelschicht sinken wird. Wir sollten uns mit der Gestaltung dieser Zukunft beschäftigen.

NEWS: In ihrem Buch greifen Sie auch auf literarische Beispiele zurück. Zum Beispiel auf Balzacs Romanfigur Vautrin. Er lebte in einer Gesellschaft, in der man Vermögen nicht erwarb, sondern erbte. Sind wir wieder auf diesem Weg?
Piketty: Wir erleben eine Rückkehr einer Schicht von Erben. Ererbtes Vermögen ist heute bereits viel wichtiger als für Nachkriegsgeneration. Wir leben natürlich nicht wieder in Balzacs Gesellschaft. Es gibt eine Mittelklasse und damit mehr Menschen, die erben. Für die Generationen, die ab den 1970ern geboren wurden und die mit stagnierenden Löhnen konfrontiert sind, ist es jedoch viel schwieriger geworden, Wohlstand aufzubauen. In meinem Buch zeige ich, dass 14 Prozent der Generation, die ab den 1970ern geboren wurde, ein Vermögen erben wird, das zumindest dem Lebensverdienst der unteren 50 Prozent der Bevölkerung entspricht. Das ist nicht genug um aufzuhören zu arbeiten, aber es ermöglicht einen großen Startvorteil.

NEWS: Sollten wir das Erben verbieten?
Piketty: Ich sage nicht, dass wir Erbschaften verbieten sollten. Eltern wollen ihren Kindern etwas hinterlassen, und das ist eine gute Sache. Nur sollte jeder die Chance dazu haben. Wenn man will, dass Menschen, die nur ihr Arbeitseinkommen haben, auch etwas vererben können, dann muss man sie weniger besteuern. Wer heute 100.000 Euro im Jahr verdient, zahlt weit mehr Steuern als wenn er dieselbe Summe erbt.

»Wissen nicht, wie es weitergeht«

NEWS: Die Welt befindet sich seit der Finanzkrise im Umbruch. Was denken Sie in welche Richtung diese Entwicklung gehen wird?
Piketty: Der Fall der Berliner Mauer begann eine Ära, in der an die Selbstregulierung freier Märkte geglaubt wurde. Die ging mit der Finanzkrise zu Ende. Aber wir wissen noch nicht, wie es nun weitergeht. Wir müssen darüber nachdenken, was wir mit den Zentralbanken machen, wie wir mit progressiver Besteuerung und dem Wohlfahrtsstaat umgehen. Diese Themen müssen neu bewertet werden. In den letzten Jahren setzten wir meiner Meinung nach zu sehr auf kreative monetäre Politik. Nun sollten wir uns wieder mehr mit Fiskalpolitik und progressiver Besteuerung beschäftigen. Natürlich ist es einfacher Geld zu drucken als Steuern anzuheben weil Parlamente Steuererhöhungen zustimmen müssen und es schwierig ist, diesen Konsens herzustellen. Aber am Ende des Tages ist das die demokratischere Vorgehensweise und außerdem effizienter. Denn es entstehen Probleme wenn wir Billionen aus dem Nichts schaffen und nicht genau wissen, was damit geschehen wird. Es könnten sich beispielsweise neue Blasen bilden.

NEWS: Für Aufsehen sorgt vor allem Ihre Forderung nach einer weltweiten Vermögenssteuer. Gibt es denn auch für Österreich eine Möglichkeit, etwas zu ändern?
Piketty: Es gibt sehr viel, das wir auf der nationalen Ebene tun können. Beispielsweise Erbschaften und Grundbesitz progressiver besteuern und dafür Einkommen entlasten. Natürlich braucht es internationale Kooperation und damit wurde schon begonnen. Der automatische Austausch von Bankinformationen ist der richtige Weg. Ich komme aus einem Land, in dem der Premierminister nicht wusste, dass sein Finanzminister ein Bankkonto in der Schweiz hatte. Es ist ein gutes Zeichen, dass sich das ändern kann. Noch vor fünf Jahren hätte man gesagt, dass es unmöglich ist, das Schweizer Bankgeheimnis zu ändern. Doch mit den jetzigen US-Sanktionen hat sich das radikal geändert. Das Schlechte daran ist, dass Europa nicht eher gehandelt hat. Es ist verrückt, dass man auf die USA gewartet hat, obwohl es doch eigentlich ein europäisches Problem ist.

»Stärkere Union«

NEWS: Wie kann man sich eine verstärkte Kooperation auf europäischer Ebene vorstellen?
Piketty: Ich befürworte eine stärkere politische und fiskalische Union der Eurozone. Es sollte ein Parlament der Eurozone geben, das über alle Steuerfragen entscheidet, die die Einzelstaaten nicht mehr alleine lösen können. Beispielsweise die gemeinsame Politik gegen Steuerflucht. Das gilt auch für Unternehmenssteuern. Denn wir brauchen eine gemeinsame Unternehmenssteuer für die Staaten der Eurozone. Ich sage nicht, dass alle Steuern europaweit geregelt werden müssen aber es gibt Steuern, die vereinheitlicht werden müssen. Wenn wir hier nicht harmonisieren, dann wird ein Steuerwettbewerb nach unten letztlich alle ärmer machen.

NEWS: Ihre Empfehlungen laufen auf eine Reihe von Vermögenssteuern hinaus. Was soll denn mit dem Geld, das der Staat damit einnimmt, geschehen?
Piketty: Wir müssen die Steuern auf Arbeitseinkommen senken. Ich denke nicht, dass wir den Wohlfahrtsstaat noch weiter ausbauen wollen. Es ist schwierig genug, die Größe unseres Staateshaushaltes trotz steigender Gesundheits-, Pensions- und Bildungsausgaben überhaupt zu stabilisieren. Das Ziel muss es aber sein, die Steuern für Menschen, die nur über ihr Arbeitseinkommen verfügen, oder die geringen Wohlstand erworben haben, zu reduzieren.

NEWS: Damit mehr Menschen Wohlstand erwerben können?
Piketty: Exakt. Die unteren 50 Prozent haben kaum Vermögen, die Mittelschicht hatte in den Nachkriegsjahrzehnten etwa 30 bis 35 Prozent und inzwischen oft nur mehr 20 bis 25 Prozent des Vermögens. Die oberen 10 Prozent, und hier besonders das oberste Prozent, haben hingegen 60 bis 70 Prozent. Ich möchte keine vollständige Gleichheit, aber es muss doch möglich sein, den unteren Schichten und der Mittelklasse mehr Zugang zum Wohlstand zu ermöglichen. Damit jeder Wohlstand erwerben kann.

Kommentare

klaut doch den reichen endlich mal ein paar milliönchen wenn ihr euch traut, aber dafür sind die altparteien doch viel zu wenig und haben keine eier in der hose. auf die armen hackler hinpecken, ja das können sie aber auf die industriellen und millionäre hingreifen da scheissen sie sich in die hose. das ist unterste schublade und mittlerweile reicht es, weg mit dem korrupitonssumpf und weg mit den altparteien. es muss neues und korrektes blut her.

Das Buch sollte man dem Spindelegger schenken!

Erbschaft besteuern? Also das bereits mehrfach versteuerte Erworbene Hab und Gut soll nochmals besteuert werden? Die spinnen doch ...

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Erbschaften besteuern, Wegelagerer zwischen den Generationen.
Die korrekte Lösung ist es, den ämeren 50% der Bevölkerung die Möglichkeit zum Vermögensaufbau zu geben, Wohneigentum mit eigener Energieerzeugung, das Plusenergiehaus. Gründung einer neuen Partei am 12. Juni
http://weltweiterwohlstand.org/2014/parteigruendung.htm

strizzi49 melden

Neue Partei? Schon wieder ein Haugfen Weltverbesserer! Was dabei heraus kommt, haben wir beim Team Stronach und bei den NEOS gesehen, wobei die NEOS wenigstens ein bissl näher an der Realität gebaut haben!

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Team Stronach: Auch 25 Millonen EUR reichen nicht, wenn man kein Parteiprogramm hat.
NEOS: Die perfekte Vortäuschung einer neuen Partei, auch filel darauf rein. Ist aber ein straff geführte Kaderpartei des Neoliberalismus.

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