Die wunderbare,
junge Nöstlinger

Auch Christine Nöstlinger hat ihren Nobelpreis bekommen. Er heißt nur anders.

von Heinz Sichrovsky © Bild: NEWS

Als sich die 18-jährige Studentin Elfriede Jelinek vor ihren Ängsten im bürgerlichen Elternhaus vergrub und zu schreiben begann, zog die um zehn Jahre ältere Arbeitertochter Christine Nöstlinger gerade ihr erstes Kind groß. Jelineks frühe Gedichte waren schon drei Jahre auf dem Markt, als die Nöstlinger mit der wunderbaren "Feuerroten Friederike" debütierte. Die eine schöpfte aus der radikalen Selbstdiagnose, die andere aus den Erfahrungen des Lebens; die eine aus dem Hass gegen die gesellschaftlichen Verhältnisse, die andere aus der Liebe zu den Kindern, die für diese Verhältnisse geradestehen müssen. Dass man in diesen Tagen beiden zu runden Geburtstagen gratulieren darf, ist Zufall, zeigt aber auch, wie privilegiert dieses Land in literarischen Belangen ist. Denn auch Christine Nöstlinger hat ihren Nobelpreis bekommen. Er heißt nur anders, nämlich "Astrid Lindgren Memorial Award", weil der Literaturbetrieb in seiner Präpotenz selbst einem genialen Kinderbuch die Vollwertigkeit abspricht.

Christine Nöstlinger lehrt die mittlerweile dritte Generation, was Solidarität bedeutet. Sie hat mehr als 150 Kinderbücher geschrieben. Einige sind unsterblich, doch findet man ein lang vergriffenes auf einem Flohmarkt, vermisst man nichts an Schönheit und Lauterkeit. Ich gratuliere in Bewunderung zum 80. Geburtstag.

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