"Niemand" in der"Josefstadt"

Herbert Föttinger inszenierte die Uraufführung von Ödön von Horváths Frühwerk

Die Stücke „Geschichten aus dem Wienerwald“ oder „Kasimir und Karoline“ sind Teil des Standardrepertoires des Theaterbetriebs. Dass vor einem Jahr ein unbekanntes Werk eines der meistgespielten Dramatiker entdeckt wurde, ist eine Sensation. Herbert Föttinger zeigt „Niemand“ in glänzender Besetzung als beklemmendes Drama der Zwischenkriegszeit.

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Niemand © Bild: Sepp Gallauer

Im Zentrum von Walter Vogelweiders Bühne steht eine in Beton gegossene Wendeltreppe. Das Stiegenhaus eines Mietshauses ist Schauplatz der Handlung. Zu ebener Erde treiben die Prostituierte Gilda (Martina Stilp) und der große Wirt (Sasa Savic) ihre Geschäfte, darüber wohnt der Hausherr und betrügerische und betrogene Pfandleiher Fürchtegott Lehmann. Er ist die zentrale Figur. Ihm leiht Florian Teichtmeister eindrucksvoll seine fragile Gestalt. Lehmann ist an sein Stockwerk, sein Haus, sein Schicksal gefesselt. Denn er ist von Geburt an gehbehindert. Nur mit Krücken kann er sich fortbewegen. Er hadert mit seinem Schicksal und Gott, den er in seiner Not „Niemand“ nennt. Als er eine fremde, junge Frau namens Ursula in seinem Haus entdeckt, nimmt er sie zu sich, heiratet sie und bewahrt sie vor Gosse und Hungertod. Lehmann kann kraft seines Vermögens Leiden lindern, nur seine eigenen nicht.

Niemand
© Sepp Gallauer

Der Fluch des Ringes

Als Horváth seinen Text verfasste, war er Anfang zwanzig. In diesem Jugendwerk ist bereits das gesamte Programm, das seine Dramatik auszeichnet vorhanden: das Elend und das Mystische.

In sieben Bildern sind skizzenhaft Einzelschicksale dargestellt. Es geht um Menschen, die versuchen im sozialen Elend der Zwischenkriegszeit zu überleben. Männer die Frauen ausbeuten, Frauen, die sich aus purer Not Männern ausliefern, arme Leute, die auf nichts mehr hoffen und jene, die noch Träume haben, wie der Geiger Klein (Dominic Oley). Jeder macht jedem das Leben noch schwerer als es ist. Der Text des jungen Horváth ist noch vom Expressionismus geprägt, das Mystische, das Unheimliche taucht in der Verdoppelung von Namen auf, Figuren verschwinden, bekommen aus unerklärlichen, nahezu unheimlichen Gründen Nachfolger. Ein einst verlorener Goldring, den einst eine Hausbewohnerin ihrem Verlobten schenken wollte, verbindet die Hausbewohner. Das erinnert an Richard Wagners „Ring des Nibelungen“. Wie ein Fluch lastet dieser Ring über den Figuren. „Wer ihn besitzt, den sehre die Sorge, wer ihn nicht hat, den nage der Neid“, heißt es in Wagners „Rheingold“. Und am Ende ist es dieser Ring, der Lehmann das Leben kostet oder ihn davon erlöst.

Kluge Inszenierung, exzellente Besetzung

Herbert Föttinger macht das Beste, was man bei einer Uraufführung wie der dieser tun kann: er zeigt das Stück, wie es ist, setzt gezielt einige Striche und lässt einzelne Figuren immer wieder Regieanweisungen sprechen.

Jede der 24 Figuren ist exzellent besetzt. Neben dem exzellenten Florian Teichtmeister als zeigt Gerti Drassl dessen hagere, betrügerische Frau Ursula. Raphael van Bargen ist dessen kraftstrotzende Bruder Kaspar.

Auch für die kleineren Rollen wurden nur die besten geholt: André Pohl huscht als Zuckerbäcker wie ein Gespenst zu Beginn durch das Geschehen, Marianne Nentwich gibt die bodenständige, doch verträumte alte Jungfer. Heribert Sasse, Swintha Gersthofer, Roman Schmelzer, Josephine Bloéb, Thomas Kamper und jede und jede einzelne des Ensembles sind präzise geführt. Da fehlt nichts.

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